Der erste Schritt zur Erleuchtung: Das neue Fach
In die Anlage 1 der Approbationsordnung (AAppO) aufgenommen, widmet sich das neue Wahlpflichtfach einem hochrelevanten Thema: dem Überleben in der Apotheke. Es geht um viel mehr als chemische Formeln und Molekularstrukturen – es geht um Selbstbeherrschung, Stressbewältigung und die Kunst, auch im ungünstigsten Kundengespräch die gute Laune zu bewahren. Die erste Lektion: Wie überlebt man einen Tag in der Offizin, ohne den Verstand zu verlieren?
Meditieren statt meditieren
Der Kurs beginnt – wie könnte es anders sein – mit einer Yogalehrerin, die uns die Bedeutung des Sonnengrußes näherbringt. Während wir unsere Körper in unmögliche Positionen zwingen, lernen wir, dass es in der Apotheke oft darum geht, die Balance zu halten – körperlich, geistig und emotional. Denn wenn der dritte Kunde in Folge nach einem Rabatt fragt, während der Telefonhörer permanent klingelt, braucht man mehr als nur Fachwissen.
Die Kunst des Lächelns
Ein Schauspieler erklärt uns die Technik des Lächelns. Nein, nicht das echte, glückliche Lächeln – das halten wir für private Anlässe bereit. Es geht um das professionelle Lächeln, das wir stundenlang aufrechterhalten können, ohne unsere Gesichtsmuskulatur zu überanstrengen. Eine Fähigkeit, die jede Apothekerin und jeder Apotheker perfektionieren muss, besonders wenn der Kunde mit der fünften Retaxation des Tages vor einem steht und man nur mühsam die innere Verzweiflung unterdrückt.
Schattenspiele in der Offizin
Ein Exkurs über Schattentheater bereitet uns auf jene Nächte vor, in denen wir allein im Notdienst sitzen und das Ticken der Uhr das einzige Geräusch ist. In diesen Momenten, wenn die Langeweile über uns hereinbricht, lernen wir, wie man sich mit kreativen Schattenfiguren die Zeit vertreibt und gleichzeitig wach bleibt, falls doch noch jemand klingelt.
Praxiserfahrungen aus der Hölle
Natürlich dürfen die wahren Geschichten aus dem Apothekenalltag nicht fehlen. Ein Vertretungsapotheker erzählt, wie ihm beim Stecken der Gesundheitskarte plötzlich 14 verschiedene Verordnungen von drei verschiedenen Patienten entgegenschossen. Datenschutz? Ein ferner Traum. Retaxationen sind ebenfalls ein Dauerthema: 23 Euro abgezogen, weil der Vorname des Impfenden fehlte; 130 Euro, weil der vollständige Name des Apothekers nicht angegeben war. Solche Geschichten sind es, die uns lehren, wie man das Lachen in den dunkelsten Momenten findet.
Frust teilen, Freude verdoppeln
Am Ende des Kurses haben wir gelernt, dass geteiltes Leid halbes Leid ist. Es hilft, frustrierende Momente zu überstehen, indem man sie mit anderen teilt. Ob es nun der Medikationsplan mit 28 Arzneimitteln ist, der Stunden für die Analyse benötigt und nur 90 Euro einbringt, oder die Kasse, die weniger als den Einkaufspreis für ein medizinisches Gerät zahlen will – gemeinsam sind wir stark.
Ein Funken Hoffnung
Aber es gibt auch Lichtblicke. Ein junger Pharmaziestudent hat sich bereits jetzt entschieden, nach dem Studium in die Apotheke seiner Eltern einzusteigen. Trotz aller Herausforderungen sieht er den Sinn und die Notwendigkeit der öffentlichen Apotheke klar vor Augen. Sein Enthusiasmus und seine Bereitschaft, die Herausforderungen anzunehmen, sind ein inspirierendes Beispiel für alle Studierenden.
Fazit
Das neue Fach im Pharmaziestudium mag auf den ersten Blick skurril erscheinen, doch es adressiert genau die Punkte, die in der bisherigen Ausbildung oft vernachlässigt wurden. Es geht nicht nur darum, ein guter Pharmazeut zu sein, sondern auch ein gelassener, humorvoller und resilienter Mensch, der den Alltag in der Offizin mit einem Lächeln und einer Portion Gelassenheit meistern kann. Denn am Ende des Tages ist die Apotheke nicht nur ein Ort der Wissenschaft, sondern auch ein Ort der Menschlichkeit.
Von Engin Günder, Fachjournalist