Nach langem Ringen um die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) kam es Mitte Oktober zur Entscheidung am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Die Klagen des GKV-Spitzenverbands und der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen wurden abgewiesen, was die Einführung und Vergütung der pDL vorerst sichert. Diese Dienstleistungen, die Apotheken unter anderem präventive Beratungen und bestimmte Gesundheitschecks ermöglichen, stehen seit ihrer Einführung 2022 in der Kritik der Krankenkassen, die insbesondere die Höhe der Vergütung und die spezifische „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ bemängeln.
Im Frühjahr 2022 hatte ein Schiedsverfahren nach mehrmonatigen Verhandlungen eine Einigung zu den pDL getroffen, die vom Deutschen Apothekerverband (DAV) befürwortet wurde. Der GKV-Spitzenverband hingegen sah die Vergütungssätze als überzogen an und warf dem DAV vor, mit der Blutdruckerfassung eine Dienstleistung eingeschlossen zu haben, die keine genuin pharmazeutische Leistung sei. Um diesen Punkt gerichtlich klären zu lassen, reichte der GKV-Spitzenverband Klage ein, während die KV Hessen versuchte, in einem Eilverfahren die Dienstleistungen gänzlich zu stoppen. Der Eilantrag wurde jedoch frühzeitig abgewiesen.
Das Landessozialgericht nahm in seiner Begründung die Argumente beider Seiten differenziert unter die Lupe. Bei der Klage der KV Hessen scheiterte diese bereits an formalen Zulässigkeitskriterien, da die Vereinigung von der ursprünglichen Schiedsentscheidung nicht direkt betroffen war. Bei der Klage des GKV-Spitzenverbands zog das Gericht eine Zweiteilung vor: Die Vergütung der pDL wurde in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als gerechtfertigt bewertet. In Bezug auf die Blutdruck-Dienstleistung ging das Gericht auf die Forderung der Krankenkassen ein, die Dienstleistung eher als ärztlich-medizinische Leistung einzuordnen, wodurch sie nicht als originäre Apothekerleistung gelten könne. Als Kompromiss schlug der Vorsitzende Richter vor, die Vergütung zu belassen und die Blutdruckerfassung als Teil der pDL auszuklammern. Die Parteien konnten sich jedoch nicht einigen, sodass das Gericht die Klage des GKV-Spitzenverbands vollumfänglich abwies.
Mit dieser Entscheidung bleibt das bestehende Vergütungsmodell für die pDL unverändert in Kraft, und Apotheken erhalten eine rechtliche Bestätigung, ihre neuen Dienstleistungen weiterhin anzubieten. Die Krankenkassen könnten nun in Revision gehen, denn das Landessozialgericht ließ die Berufung zum Bundessozialgericht explizit zu. Eine endgültige Klärung könnte daher noch ausstehen, doch für die Apotheken bedeutet das Urteil einen wichtigen Schritt in Richtung eines erweiterten Versorgungsangebots im Gesundheitswesen.
Kommentar:
Die Entscheidung des Landessozialgerichts bestätigt die Position der Apotheken als zentrale Säulen der Gesundheitsversorgung und gibt ihnen die nötige rechtliche Grundlage, um ihre präventiven Dienstleistungen weiter auszubauen. Die Anerkennung der pDL, trotz der ablehnenden Haltung der Krankenkassen, setzt ein starkes Signal für die Bedeutung von Prävention und Beratung durch Apotheker. Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig es ist, den Zugang zu grundlegenden Gesundheitsleistungen für die Bevölkerung zu stärken – und Apotheken spielen dabei eine essenzielle Rolle.
Für die Krankenkassen ist das Urteil eine klare Aufforderung, die Rolle der Apotheken nicht nur als Versorger von Medikamenten zu sehen, sondern als Partner im Gesundheitswesen, die durch präventive und beratende Dienstleistungen dazu beitragen können, das System nachhaltig zu entlasten. Zwar bleibt die Frage zur Abgrenzung pharmazeutischer und ärztlicher Aufgaben bestehen, jedoch wurde mit der Abweisung der Klage die Relevanz dieser präventiven Angebote auch für die Apothekenbranche anerkannt.
In der Gesundheitsversorgung, die von personellen Engpässen und einer zunehmend alternden Bevölkerung geprägt ist, können Apotheken eine wichtige Entlastung bieten, indem sie einfache Vorsorgeuntersuchungen und Beratungen übernehmen. Die Krankenkassen könnten langfristig von diesen Angeboten profitieren, da präventive Maßnahmen häufig teure, später notwendige Behandlungen vermeiden können. Das Urteil ist damit auch ein Anstoß für die Krankenkassen, ihren Fokus zu erweitern und in die Früherkennung zu investieren.
Von Engin Günder, Fachjournalist