Es ist schon faszinierend, wie kreativ manche werden, wenn es darum geht, Regeln zu umgehen. Die Rx-Boni sind tot, lang lebe der Gutschein! Man könnte fast meinen, Shop Apotheke und DocMorris hätten sich auf eine spirituelle Reise begeben, um die Erleuchtung zu finden – und siehe da, die göttliche Eingebung kam in Form einer App. "Shop Morris – GiftCardLink": der digitale Sündenfall der modernen Pharmazie, jetzt zum Download bereit.
Die Idee ist simpel und gleichzeitig genial wie eine schlechte Tatort-Folge. Rezept einlösen, Gutschein kassieren, und wenn der eingelöst wird, sorgt eine unsichtbare Hand für den Werbekostenzuschuss. So elegant, so legal, so … moralisch fragwürdig. Die CEOs der Versandriesen könnten sich glatt als Drehbuchautoren bewerben, wenn das Geschäft mit dem Arzneimittelversand irgendwann nicht mehr läuft. Titelvorschlag: „Rabatt ist, was man draus macht.“
Natürlich muss so eine Innovation auch gebührend vermarktet werden. Hier kommt der moderne Heilsbringer ins Spiel: Günther Jauch, Meister der subtilen Überzeugung, mit einem Pullover, der aussieht, als hätte er einen Tuschkasten explodieren lassen. Man fragt sich, ob der Mann weiß, dass er in einem Werbefeldzug für Versandapotheken mitspielt, oder ob er einfach nur froh ist, mal wieder in der Werbung zu sein. Jedenfalls funktioniert es: Millionen Downloads sprechen eine klare Sprache. Der „Jauch-Rabatt“ ist in aller Munde, und manche Kunden versuchen sogar, ihn in der Apotheke vor Ort einzulösen. Ob das ein Zeichen von Chuzpe oder schierer Verzweiflung ist, bleibt offen.
Dabei könnte man fast Mitleid mit den Vor-Ort-Apotheken haben, wenn es nicht so traurig wäre. IhreApotheken.de hat immerhin geschafft, die 10-Euro-Jauch-Offerte vorerst zu blockieren. Aber wie lange noch? Denn während die Versandriesen mit Gutscheinen jonglieren, wirkt die ABDA, als stünde sie noch immer ratlos vor einem zu komplizierten Rezeptdrucker. Eine große Kampagne für die Apotheke vor Ort? Fehlanzeige. Vermutlich ist das Budget gerade in irgendeinem Datenpanel versickert, das bald in einem weiteren Beratungsprojekt endet, diesmal mit PwC als neuem Partner. Apothekenpolitik als Tragikomödie: Man lacht, aber es tut weh.
Doch die größte Überraschung kommt aus der Politik. Nach dem Scheitern der Ampel-Koalition ist die Frage, wie es weitergeht. Neuwahlen stehen an, Koalitionen werden sondiert, und währenddessen grübelt man, ob Gesundheitsminister Karl Lauterbach vielleicht doch noch einen Platz in einer Großen Koalition finden könnte. Der Mann, der so oft den Untergang der Apotheken heraufbeschworen hat, könnte am Ende derjenige sein, der sie rettet – oder zumindest dafür sorgt, dass der nächste Rabatt nicht mehr Günther Jauch, sondern vielleicht Florian Silbereisen heißt. Warum auch nicht? Schließlich hat er mehr Erfahrung mit bunten Outfits.
Und so dreht sich das Karussell der Rabatte, Gutscheine und Verordnungen weiter. Die Apothekerinnen und Apotheker vor Ort können nur zusehen, wie sich die Großen immer neue Tricks ausdenken. Vielleicht hilft ein bisschen Galgenhumor: „Shop Morris“ klingt immerhin besser als „Shop Chaos“.
Von Engin Günder, Fachjournalist