Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat im Zeitraum von Januar 2022 bis Dezember 2023 eine umfassende Auswertung der gemeldeten Impfnebenwirkungen in Deutschland durchgeführt. Bei über 105 Millionen verabreichten Impfungen wurden insgesamt 8659 Verdachtsfälle registriert, ein Anstieg, der vor allem auf eine erhöhte Sensibilität der Bevölkerung zurückzuführen ist. Diese wachsende Aufmerksamkeit ist eine Folge der Corona-Pandemie, die das Bewusstsein für Impfungen und mögliche Reaktionen geschärft hat. Trotz der gestiegenen Meldezahlen zeigt sich: Die Impfsicherheit bleibt stabil, und schwerwiegende Nebenwirkungen sind weiterhin selten.
Zu den häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen zählen vorübergehende Impfreaktionen wie Fieber, Rötungen oder Kopfschmerzen, die meist kurz nach der Impfung auftreten und von selbst wieder abklingen. Schwerwiegendere Komplikationen, sogenannte Impfschäden, treten nur vereinzelt auf und betreffen meist individuelle Einzelfälle. Eine besondere Kategorie stellen „adverse events of special interest“ (AESI) dar, wie etwa Synkopen (kurzzeitiger Bewusstseinsverlust), die oft auf psychogene Reaktionen auf die Injektion selbst zurückzuführen sind. Bei Kindern wurden in diesem Zusammenhang vermehrt Krampfanfälle gemeldet, die allerdings auch bei Nicht-Geimpften auftreten können.
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) verpflichtet Ärzte und Apotheker zur Meldung schwerwiegender Impfnebenwirkungen an die zuständigen Gesundheitsämter. Diese Daten werden pseudonymisiert an das PEI weitergeleitet und zusammen mit weiteren Meldungen von Impfstoffherstellern und medizinischen Fachkreisen in einer zentralen Datenbank erfasst. Auch Bürgerinnen und Bürger können mögliche Nebenwirkungen direkt über das Meldeportal des PEI übermitteln, was die Transparenz des Systems stärkt.
Ein Blick in die Daten zeigt, dass Nebenwirkungen bei Frauen häufiger gemeldet werden als bei Männern. Es ist jedoch unklar, ob Frauen tatsächlich häufiger betroffen sind oder einfach eher dazu neigen, Nebenwirkungen zu melden. Bei Kindern betreffen die meisten Meldungen Impfstoffe gegen Meningokokken B, HPV und Mumps-Masern-Röteln, während bei Erwachsenen über die Hälfte der Meldungen auf Reaktionen nach der Herpes-Zoster-Impfung mit Shingrix entfällt. Untersuchungen des PEI zeigen jedoch keinen direkten kausalen Zusammenhang zwischen Shingrix und den gemeldeten Beschwerden.
Die Mehrheit der gemeldeten Nebenwirkungen, wie Fieber, Kopfschmerzen und Müdigkeit, waren leicht und klangen von selbst ab. Schwerwiegende Verläufe sind die Ausnahme: Nur 0,9 Prozent der Verdachtsfälle endeten tödlich, wobei das PEI betont, dass Todesfälle nicht automatisch auf die Impfung zurückzuführen sind. Rund 28 Prozent der gemeldeten Patienten hatten sich bereits vollständig erholt, während knapp 3,4 Prozent unter einem bleibenden Schaden litten.
Das PEI sieht in der detaillierten Erfassung und Analyse der Nebenwirkungsmeldungen eine wesentliche Aufgabe, um das Vertrauen der Bevölkerung in Impfungen zu stärken. Auch wenn die Meldungen zunehmen, bleibt das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen äußerst gering. Apotheker und Ärzte sind gefragt, die Patienten über die geringe Wahrscheinlichkeit ernsthafter Komplikationen aufzuklären und die Sicherheit und den Nutzen von Impfungen für den individuellen und öffentlichen Gesundheitsschutz zu verdeutlichen.
Kommentar:
Die gestiegene Zahl an Meldungen zu Impfnebenwirkungen zeigt die erhöhte Sensibilität der Bevölkerung gegenüber Impfungen. Während dies einerseits eine positive Entwicklung darstellt, da eine wachsame Gesellschaft potenzielle Risiken schneller erkennt, birgt diese Sensibilität auch Herausforderungen: Gerade in Zeiten einer verstärkten Impfkommunikation ist eine differenzierte und transparente Aufklärung unerlässlich, um unnötige Ängste zu vermeiden und das Vertrauen in Impfprogramme zu stärken.
Das Paul-Ehrlich-Institut leistet einen wichtigen Beitrag, indem es Verdachtsmeldungen sorgfältig prüft und die Ergebnisse öffentlich zugänglich macht. Die gesammelten Daten verdeutlichen, dass schwerwiegende Impfreaktionen äußerst selten sind und die verabreichten Impfstoffe als sicher gelten. Für Ärzte und Apotheker bedeutet dies eine wichtige Rolle in der Beratung: Sie sollten nicht nur informieren, sondern auch Vertrauen schaffen. Denn die große Mehrheit der gemeldeten Nebenwirkungen ist mild und vorübergehend – eine Botschaft, die klar und sachlich kommuniziert werden muss.
Indem Gesundheitsbehörden und Fachkreise Risiken offenlegen, aber gleichzeitig den immensen Nutzen von Impfungen für die öffentliche Gesundheit betonen, kann das Vertrauen in Impfprogramme langfristig gestärkt werden. Impfungen bleiben ein unverzichtbarer Schutz vor Infektionskrankheiten, und eine gut informierte Gesellschaft ist die beste Basis, um diesen Schutz zu sichern und weiter auszubauen.