Es begann mit einem unschuldigen Foto neben Kanzler Olaf Scholz – ein klassischer Start in die politische Sommermärchen-Saison, dachte man. Doch dann folgten Selfies mit Innenministerin Nancy Faeser, Außenministerin Annalena Baerbock und sogar mit der legendären Tante Käthe höchstpersönlich. Als wäre das noch nicht genug, lieferte er stets einen treffsicheren Kommentar zum Spielgeschehen. Von Ergebnisprognosen à la "3:2 gegen Ungarn mit Kopfballtor in der Nachspielzeit" bis hin zu Halbzeitanalysen à la "0:1 Rückstand, lag leider in der Luft".
Nach dem deutschen Viertelfinalaus war sogar von "gespielter Verdrießlichkeit" die Rede – als wäre die Niederlage auf dem Platz nicht schon schlimm genug, musste man auch noch Lauterbachs emotionsgeladenen Social-Media-Beitrag ertragen. Doch der Minister wäre nicht er selbst, wenn er nicht auch als "fairer Verlierer" glänzen würde, neben Innenministerin Faeser beim Halbfinale in München.
Doch hinter der Fassade des Fußballfans könnte mehr stecken. Die ominöse Nicht-Entscheidung im Viertelfinale – ein nicht gegebener Handelfmeter – könnte tiefergehende Konsequenzen haben als nur das vorzeitige EM-Aus der deutschen Elf. Könnte es sein, dass Lauterbach nicht nur die Schiedsrichter hinterfragt, sondern auch den Glauben an den VAR (Video-Assistant-Referee) verloren hat?
Vielleicht ist es kein Zufall, dass die lange erwartete Apothekenreform am Mittwoch nicht im Kabinett behandelt wurde. Vielleicht brodelt es hinter den Kulissen der Ministerien, und der Fanminister hat zwischen den Fußballschlachten Zeit gefunden, über dringende Reformen nachzudenken.
So bleibt uns nur abzuwarten, was der Minister am Sonntag über das große Finale zu berichten hat. Vielleicht gibt es eine neue Analogie zur politischen Lage – etwas in der Art von "Ein Elfmeter für mehr Gesundheitsversorgung wurde nicht gegeben, aber die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bleibt bestehen".
Eines ist sicher: In Lauterbachs Welt gibt es keinen Schlusspfiff für politische Diskussionen – selbst nicht beim Abpfiff eines Fußballspiels.
Von Engin Günder, Fachjournalist