Das radioaktive Edelgas Radon stellt nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs dar und bleibt eine oft unterschätzte Gesundheitsgefahr in Deutschland. Einer aktuellen Analyse des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) zufolge sind jährlich etwa 2.800 Todesfälle durch Lungenkrebs auf erhöhte Radonkonzentrationen in Wohnräumen zurückzuführen. Diese Zahl entspricht über sechs Prozent aller tödlichen Lungenkrebsfälle. Die neuen Erkenntnisse wurden im Fachjournal Radiation and Environmental Biophysics veröffentlicht und beleuchten die Dringlichkeit, die mit dem Thema einhergeht.
Radon entsteht natürlicherweise durch den Zerfall von Uran im Erdboden und kann durch Risse, Fugen oder undichte Stellen in die Innenräume von Gebäuden gelangen. Dort reichert es sich an, insbesondere in Kellern und schlecht belüfteten Bereichen. Da das Gas weder sichtbar noch riech- oder schmeckbar ist, bleibt seine Präsenz oft unbemerkt. Bei dauerhafter Einwirkung steigt jedoch das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Das BfS warnt eindringlich vor dieser unsichtbaren Bedrohung. BfS-Präsidentin Inge Paulini erklärte: „Die aktuellen Zahlen belegen eindeutig, dass Radon ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko ist, dem wir uns stärker widmen müssen.“
Die Radonbelastung variiert stark zwischen den Regionen. Geologische Gegebenheiten und Bauweisen spielen dabei eine zentrale Rolle. Besonders hoch ist das Risiko in Bundesländern wie Thüringen und Sachsen, wo Radonanteile von 10,0 bzw. 9,5 Prozent an den Lungenkrebstodesfällen verzeichnet werden. In städtischen Gebieten wie Berlin, Hamburg oder Bremen liegen die Werte hingegen bei etwa 3,3 Prozent, was auf geringere Konzentrationen des Gases zurückzuführen ist. Diese Unterschiede sind jedoch kein Grund zur Entwarnung, da selbst moderate Belastungen über lange Zeiträume hinweg gesundheitsschädlich sein können.
Das Bundesamt für Strahlenschutz empfiehlt dringend, Wohnräume auf Radon überprüfen zu lassen. Die Messung sei einfach, kostengünstig und für alle zugänglich. Falls erhöhte Werte festgestellt werden, können effektive Maßnahmen wie bauliche Abdichtungen oder der Einbau spezieller Lüftungssysteme das Eindringen des Gases verhindern oder stark reduzieren. In sogenannten Radon-Vorsorgegebieten, die aufgrund besonders hoher Konzentrationen ausgewiesen wurden, schreibt das Strahlenschutzgesetz bereits vor, dass Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn die Belastung den Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter überschreitet.
Trotz dieser gesetzlichen Regelungen bleibt die Sensibilisierung der Bevölkerung eine Herausforderung. Radon ist ein unsichtbares Problem, dessen Gefahren oft erst spät erkannt werden. Experten fordern daher eine intensivere Aufklärung, um Hausbesitzer und Mieter zu informieren. Informationskampagnen und regionale Beratungsstellen könnten dazu beitragen, das Bewusstsein für die Risiken zu schärfen und präventives Handeln zu fördern. Denn mit rechtzeitigen Maßnahmen lässt sich das Gesundheitsrisiko erheblich verringern.
Die gesundheitlichen Folgen von Radon werden oft unterschätzt, obwohl das Gas nachweislich zu Tausenden Todesfällen beiträgt. Die Politik, aber auch jeder Einzelne, ist in der Verantwortung, die Präsenz dieses stillen Gefährders ernst zu nehmen und aktiv zu handeln. Die Gefahr mag unsichtbar sein, doch ihre Auswirkungen sind verheerend.
Kommentar:
Radon – ein unsichtbarer Killer, der jährlich Tausende Menschenleben fordert und dennoch in der öffentlichen Wahrnehmung kaum Beachtung findet. Die neuen Zahlen des Bundesamts für Strahlenschutz legen eine drängende Frage offen: Warum wird das Thema nicht konsequenter adressiert? Es fehlt nicht an Wissen oder Technologien, um die Risiken zu minimieren, sondern an Aufmerksamkeit und Handlungskompetenz. Es bedarf einer klaren Strategie, die das Problem auf mehreren Ebenen angeht.
Zunächst ist die Politik gefordert, die gesetzlichen Vorgaben zur Radonmessung und zum Schutz in Vorsorgegebieten nicht nur umzusetzen, sondern deren Einhaltung auch streng zu überwachen. Förderprogramme für bauliche Anpassungen könnten Hausbesitzern die Entscheidung erleichtern, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Doch auch die Gesundheitsbehörden müssen aktiver werden: Informationskampagnen, regionale Beratungsstellen und eine leicht zugängliche Radonberatung könnten wesentlich dazu beitragen, das Bewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen.
Gleichzeitig trägt auch jeder Einzelne Verantwortung. Die Tatsache, dass eine Radonmessung einfach und kostengünstig ist, wird oft unterschätzt. Hausbesitzer, Mieter und Vermieter sollten regelmäßig prüfen lassen, ob ihre Wohnräume betroffen sind. Denn Radon ist eine schleichende Gefahr, deren Folgen oft erst Jahre später sichtbar werden – dann jedoch mit irreversiblen Konsequenzen.
Darüber hinaus sollte das Thema Radon Eingang in die Bauplanung und -sanierung finden. Architekten, Ingenieure und Bauunternehmen müssen stärker sensibilisiert werden, um Gebäude von Anfang an gegen das Eindringen des Gases abzudichten. Prävention beginnt bereits bei der Fundamentlegung und der Auswahl geeigneter Baumaterialien. Je früher und umfassender gehandelt wird, desto geringer ist das Gesundheitsrisiko.
Es ist an der Zeit, Radon nicht länger als abstraktes Umweltproblem zu behandeln, sondern als konkrete Bedrohung für die öffentliche Gesundheit. Die Zahlen sind alarmierend, und die Möglichkeiten zu handeln, sind vorhanden. Doch nur durch einen gemeinsamen Kraftakt von Politik, Wissenschaft, Bauwirtschaft und Bevölkerung kann es gelingen, die unsichtbare Gefahr einzudämmen und Leben zu retten. Radon mag verborgen sein, doch die Verantwortung, ihm entgegenzutreten, liegt sichtbar vor uns.
Von Engin Günder, Fachjournalist