Die Möglichkeit zur unbegrenzten Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften könnte für deutsche Anleger bald wieder Realität werden. Seit 2021 existiert eine Einschränkung, die Verluste aus solchen Geschäften steuerlich nur begrenzt anrechenbar macht. Doch das Jahressteuergesetz 2024 könnte nun eine Wende einleiten und den Steuerdruck für betroffene Anleger erheblich mindern. Mit dieser Änderung reagiert die Bundesregierung auf Kritik von Finanzexperten und Investorenverbänden, die den Verlustverrechnungsdeckel seit seiner Einführung als Wettbewerbsnachteil und als Hemmnis für risikobereite Investitionen sehen.
Seit Einführung der Begrenzung dürfen Anleger pro Jahr nur 20.000 Euro an Verlusten aus Termingeschäften mit Gewinnen verrechnen. Beträge, die darüber hinausgehen, können zwar in zukünftige Steuerjahre übertragen werden, doch diese Regelung stellte für viele Investoren eine erhebliche Einschränkung dar – insbesondere für solche, die aktiv mit Optionen, Futures oder anderen derivativen Finanzprodukten handeln und damit hohen Kursschwankungen ausgesetzt sind. Die Einschränkung wurde von der damaligen Regierung mit dem Ziel der Steuergerechtigkeit und einer Verhinderung exzessiver Steuersparmodelle eingeführt. Doch viele Anleger sahen sich dadurch im internationalen Wettbewerb benachteiligt, da solche Regelungen im Ausland, insbesondere in den USA, deutlich liberaler gehandhabt werden.
Mit dem neuen Jahressteuergesetz 2024 soll dieser Deckel nun aufgehoben werden. Nach Informationen aus dem Finanzministerium ist geplant, die Verluste aus Termingeschäften wieder voll mit anderen Einkünften zu verrechnen. Dieser Schritt könnte eine erhebliche Steuerentlastung für aktive Trader und institutionelle Investoren bedeuten, die im Tagesgeschäft Verluste oft als Teil ihrer Strategie in Kauf nehmen und diese später gegen Gewinne rechnen. Die Finanzverwaltung erwartet durch die neue Regelung eine gesteigerte Attraktivität des Finanzstandorts Deutschland und eine Belebung des Handelsvolumens auf deutschen Börsen.
Zugleich regt die geplante Gesetzesänderung eine Debatte über die Risiken und Chancen solcher Steuererleichterungen an. Kritiker befürchten, dass eine unbegrenzte Verlustverrechnung zu vermehrten Spekulationen und einer erhöhten Marktvolatilität führen könnte. Sie argumentieren, dass Anleger durch die Möglichkeit, Verluste steuerlich vollständig geltend zu machen, dazu verleitet werden könnten, höhere Risiken einzugehen. Dies könne langfristig zu einer Destabilisierung der Märkte führen. Befürworter hingegen betonen, dass eine solche Regelung notwendig sei, um Anlegern faire Chancen zu bieten und die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes zu sichern. Die Mehrheit der Experten sieht eine unbegrenzte Verlustverrechnung als gerechte Lösung, die das Risiko und die Volatilität bei derartigen Geschäften realistisch widerspiegele.
Interessant bleibt, wie sich die geplante Gesetzesänderung konkret auf das Verhalten privater und institutioneller Anleger auswirken wird. Finanzberater erwarten, dass das geänderte Steuerrecht insbesondere erfahrene Anleger ermutigen könnte, wieder stärker in Termingeschäfte zu investieren, da sie Verluste einfacher und direkt steuerlich geltend machen können. Doch könnte auch die Gefahr bestehen, dass unerfahrene Anleger ohne umfassende Beratung zu risikoreichen Engagements verleitet werden. Ein wachsender Bedarf an Finanzberatung und Bildungsangeboten zu Finanzprodukten wäre eine mögliche Konsequenz, um das Risiko fehlerhafter Anlagestrategien einzudämmen und Anleger ausreichend aufzuklären.
Kommentar: Der Weg zur gerechten Verlustverrechnung – Chancen und Fallstricke
Mit dem Jahressteuergesetz 2024 könnte für viele deutsche Anleger ein lang ersehnter Wunsch in Erfüllung gehen: Die Möglichkeit, Verluste aus Termingeschäften unbegrenzt steuerlich zu verrechnen. Ein Schritt, der zweifellos für mehr Fairness sorgt, die Attraktivität des deutschen Finanzmarktes stärkt und möglicherweise einen Sog für Kapitalanleger aus dem Ausland erzeugen könnte. Doch wie gerecht ist diese Änderung wirklich, und welche Risiken bringt sie mit sich?
Für viele Investoren, die das Steuerrecht der letzten Jahre als Einschränkung empfanden, bedeutet die geplante Anpassung ein Zeichen des Entgegenkommens. Es stellt eine Rückkehr zu den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft dar, bei der Gewinne und Verluste gleichberechtigt betrachtet werden sollten. In der Realität jedoch wird ein solcher Schritt für den Staat möglicherweise auch Einnahmeverluste bedeuten, da ein breiteres Spektrum an Verlusten abgesetzt werden kann. Die Frage ist: Kann und will sich Deutschland diese Erleichterung leisten, vor allem in Zeiten, in denen der Staatshaushalt ohnehin angespannt ist?
Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Neuregelung nicht nur für institutionelle Anleger, sondern auch für Privatpersonen gilt, die mit Termingeschäften handeln. Hier ist eine besondere Sorgfalt in der Aufklärung erforderlich. Steuerliche Vorteile dürfen nicht als Anreiz für spekulative oder unüberlegte Investitionen missverstanden werden, die am Ende mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Es bedarf daher eines ausgewogenen Ansatzes, der Anreize für den Kapitalmarkt schafft, ohne dabei den Schutz der Anleger aus den Augen zu verlieren.
Insgesamt ist die geplante Änderung ein wichtiges Signal an den Kapitalmarkt und ein Schritt hin zu mehr Fairness für deutsche Anleger. Doch die Herausforderung wird darin bestehen, die Balance zwischen steuerlicher Entlastung und Marktstabilität zu finden. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Möglichkeiten der Verlustverrechnung ist ebenso entscheidend wie eine transparente und klare Information über die damit verbundenen Risiken. Der Erfolg dieser Gesetzesänderung wird daran gemessen werden, wie gut sie die Bedürfnisse der Anleger mit den Interessen des Staates und der Stabilität des Finanzmarktes vereinen kann.
Von Engin Günder, Fachjournalist