Vitamin D gilt in der Medizin längst als Multitalent, und eine neue Untersuchung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zeigt nun, wie gezielt der Nährstoff zur Senkung der Krebssterblichkeit beitragen könnte. Laut der Analyse von 14 internationalen Studien, an denen rund 105.000 Personen teilnahmen, könnte eine tägliche Einnahme niedriger Dosen Vitamin D das Risiko, an Krebs zu versterben, um bis zu 12 Prozent senken. Damit rückt eine einfache und kostengünstige Maßnahme ins Blickfeld, die – richtig angewendet – insbesondere für ältere Menschen von großem Nutzen sein könnte.
Das DKFZ führt den Effekt auf die regelmäßige Bioverfügbarkeit des aktiven Vitamin-D-Metaboliten 1,25-Dihydroxyvitamin D zurück, der im Körper nur bei regelmäßiger Einnahme ausreichend gebildet wird. Diese aktive Form des Vitamins spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Zellwachstums und könnte dazu beitragen, das Wachstum von Tumorzellen zu verlangsamen. Studienleiterin Dr. Maria Albrecht vom DKFZ erklärt, dass dieser Zusammenhang bereits in der Grundlagenforschung vermutet, nun aber erstmals durch Langzeitstudien gestützt wird. „Es scheint ein Zusammenhang zwischen täglicher, niedriger Dosierung und einer verringerten Krebssterblichkeit zu bestehen, der uns im Hinblick auf Präventionsmaßnahmen neue Möglichkeiten eröffnet,“ so Albrecht.
Ein weiterer bemerkenswerter Befund der Analyse betrifft die Form der Einnahme: Während hohe Vitamin-D-Dosen von 60.000 bis 120.000 Internationalen Einheiten (I.E.), die monatlich oder noch seltener verabreicht wurden, keinerlei Effekt auf die Krebssterblichkeit zeigten, führten tägliche Dosen zwischen 400 und 4000 I.E. zu einer signifikanten Verringerung des Sterberisikos. In den analysierten Studien profitierte besonders die Gruppe der über 70-Jährigen von einer kontinuierlichen Einnahme, und der positive Effekt war am stärksten, wenn die Vitamin-D-Supplementation bereits vor einer Krebsdiagnose begann.
Dies legt nahe, dass eine präventive Vitamin-D-Einnahme, bereits ab einem mittleren Lebensalter, möglicherweise krebsspezifische Mortalitätsraten senken könnte – ohne dabei signifikante Nebenwirkungen zu verursachen. Das DKFZ betont, dass die Einnahme von Vitamin D3, wie es in Präparaten üblicherweise vorkommt, in niedriger Dosierung nicht zu einem erhöhten Risiko für Atherosklerose oder Nierensteine führt. „Wir sehen bei der Einnahme in den empfohlenen Mengen kaum Nebenwirkungen, während die Kosten für Präparate im Vergleich zu vielen anderen Präventionsmaßnahmen vernachlässigbar sind,“ fügt Albrecht hinzu.
Dieser Ansatz könnte vor allem für Menschen mit nachweislich niedrigem Vitamin-D-Spiegel eine große Chance darstellen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass der positive Effekt bei Personen mit Vitamin-D-Mangel noch deutlich ausgeprägter sein könnte als bei jenen mit regulären Werten. Laut DKFZ sind Untersuchungen für diesen Personenkreis geplant, um die potenzielle Schutzwirkung genauer zu erfassen.
In Deutschland, wo ein erheblicher Anteil der Bevölkerung in den Wintermonaten an einem Vitamin-D-Defizit leidet, könnten die Erkenntnisse weitreichende Folgen für die Gesundheitsprävention haben. Besonders ältere Menschen, die das Sonnenvitamin durch die Haut schlechter aufnehmen, könnten durch eine Supplementation profitieren. Die Forschenden regen an, Vitamin D als einen festen Bestandteil der Gesundheitsversorgung für diese Risikogruppen in Betracht zu ziehen. Eine öffentliche Aufklärungskampagne könnte dazu beitragen, die Akzeptanz zu fördern und das Wissen über präventive Maßnahmen bei Krebserkrankungen zu verbreiten.
Kommentar:
Vitamin D, oft als Sonnenvitamin bekannt, erlangt in der Präventionsmedizin eine immer größere Bedeutung. Die Ergebnisse des Deutschen Krebsforschungszentrums sind ein bedeutender Fortschritt, der das Potenzial dieses Vitamins in neuem Licht erscheinen lässt. Angesichts einer steigenden Zahl von Krebserkrankungen könnte eine einfache, alltägliche Maßnahme zur Senkung der Sterblichkeitsrate an Tumorerkrankungen enormen Nutzen für das Gesundheitswesen haben. Mit geringen Kosten und nahezu ohne Risiko bietet Vitamin D eine einfache und leicht umsetzbare Ergänzung zur Prävention, besonders für Menschen in höherem Lebensalter.
In einer Zeit, in der die Ressourcen des Gesundheitssystems bereits stark belastet sind, könnte diese Erkenntnis dazu beitragen, sowohl persönliche Schicksale zu mildern als auch wirtschaftliche Entlastungen zu ermöglichen. Dennoch bleibt die Frage nach dem notwendigen Bewusstsein für Prävention: Werden ältere Menschen, insbesondere jene in Pflegeeinrichtungen, Zugang zu dieser potenziell lebensverlängernden Maßnahme haben?
Auch wäre es wichtig, die Verfügbarkeit und Kostenerstattung im Rahmen der Krankenkassen zu überprüfen. Eine Vitamin-D-Supplementation darf nicht ausschließlich dem persönlichen Interesse überlassen werden, sondern sollte als Bestandteil einer umfassenden gesundheitlichen Präventionsstrategie gefördert werden. Ein pragmatischer Ansatz, der das Wissen über den präventiven Nutzen von Vitamin D in die Breite trägt, wäre wünschenswert – nicht nur für jene, die das Licht der Sonne in unseren Breiten nur selten genießen können.
Von Engin Günder, Fachjournalist