Zum Auftakt der Veranstaltung informierte Stefan Klahn, stellvertretender Betriebsleiter des Talsperrenbetriebs Süd beim Ruhrverband, über Herausforderungen der Wasserwirtschaft – und zwar nicht nur in der Theorie, sondern vor Ort an einem Anschauungsbeispiel: dem nahegelegenen Biggesee. Während einer Besichtigung des Biggedamms mit seinem Hochwasserentlastungsturm berichtete er über die Hauptaufgaben der Talsperre – Wasser je nach Bedarf zu speichern bzw. abzugeben, um eine gleichmäßige Wassermenge in der Ruhr sicherzustellen, sowie den Hochwasserschutz. Die Stromerzeugung durch das angeschlossene Wasserkraftwerk sei ein positiver Nebeneffekt, so Klahn. Das Thema stieß bei den Gästen aufgrund der aktuell hohen Energiekosten auf großes Interesse und führte zu regen Diskussionen, bei denen auch ein mögliches Pumpspeicherwerk am Biggesee angesprochen wurde.
Betriebsbesichtigung und Fachvorträge
Der zweite Tag der Veranstaltung startete mit einer Unternehmensbesichtigung bei aquatherm, bei der besonders die Vorfertigung des Herstellers von Rohrleitungssystemen aus dem Kunststoff Polypropylen im Mittelpunkt stand. Hier werden auf 1.650 Quadratmetern Produktionsfläche Verteiler, Rohrleitungssysteme und Sonderbauteilen gefertigt und montiert. Die Teilnehmer erfuhren, dass sich mit vorgefertigten Elementen aufgrund verkürzter Montagezeiten und mehr Planungssicherheit auf der Baustelle viel Geld sparen lässt.
Vier Fachvorträge lieferten im Anschluss die Basis für einen regen Austausch. Sie fanden im neuen aquatherm Campus statt, einem modernen Ort der Begegnung, der ab sofort für externe Besucher des Rohrleitungsherstellers sowie interne Schulungen zur Verfügung steht. Dass systematisiertes Bauen ein Katalysator für nachhaltiges Planen, Abwickeln und Betreiben von Gebäuden ist, erläuterte Patrick Arnold, Fachbereichsleiter Gebäude-Automation bei Goldbeck. Deutschlands größtes Bauunternehmen in Familienhand plant Gebäude aus einem Baukasten voller flexibel einsetzbarer Systemelemente, zum Beispiel Außenwandelemente, Fachwerkbinder oder Betonfertigteile. Sie werden im industriellen Maßstab in den Goldbeck eigenen Fabrikanlagen vorgefertigt. In Kombination mit Fertigbädern, vollständigen Energiezentralen oder System-Schächten sowie einer vorherigen Planung in 3D würden Fehlerquellen auf der Baustelle deutlich minimiert. „Serielles Bauen ermöglicht einen hohen Grad an Standardisierung“, so Patrick Arnold. „Es versetzt uns in die Lage unsere Produkte strategisch gezielt weiterzuentwickeln und bildet die Grundlage für einen lückenlosen Betrieb von Immobilien.“
Wohnraum schaffen mit Seefrachtcontainern
Spannend wurde es auch beim Vortrag von Ivan Mallinowski: Der Gründer des Unternehmens Containerwerk zeigte, wie aus gebrauchten Seefrachtcontainern nachhaltige Raummodule entstehen. Die Module, die über eine wärmebrückenfreie Hochleistungsdämmung aus Polyurethan-Schaum verfügen, werden in serieller Produktion auf dem 40.000 Quadratmeter umfassenden Containerwerk-Werksgelände hergestellt. „Durch den hohen Vorfertigungsgrad haben wir sehr kurze Bauzeiten“, erläuterte Mallinowski. Auch beim Innenausbau wird durch Standardisierung und den Einsatz vorgeplanter Baugruppen Zeit gespart. Zudem legt Containerwerk den Fokus stark auf Nachhaltigkeit: Pro Container werden vier Tonnen Stahl vor der Verschrottung gerettet. Zudem basiert das Dämmmaterial auf Biomasse.
Die Vorteile der Vorfertigung griff auch Christian Tuschen, Geschäftsführer der PreFab TGA GmbH, in seinem Vortrag auf. Er erläuterte, wie sich die Berns Gebäudetechnik GmbH & Co. KG von einem klassischen SHK-Betrieb zu einem Spezialisten im TGA-Systembau mit eigener Vorfertigung wandelte. „Mit der Bauelektrik sowie der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik finden sich zwei Handwerksberufe im Baugewerbe unter den Top Ten der Berufe mit akutem Personalnotstand“, erläuterte Tuschen einen Grund für den Aufbau der PreFab-Vorfertigung. Zudem berge die Fertigung auf der Baustelle Qualitätsrisiken, Planungssicherheit sei oftmals nicht gegeben. Tuschen: „Wir haben uns über die eigene Positionierung Gedanken gemacht und Prozesse überdacht.“ Dies führte dazu, dass im Oktober 2021 eine eigenständige GmbH zur Vorfertigung von Produkten im Bereich Sanitär, Heizung, Klimatechnik sowie alle Arten von Industriemontagetätigkeiten gegründet wurde - die PreFab TGA GmbH. In der Werkshalle des Unternehmens werden nun auf rund 1000 Quadratmetern u.a. vorgefertigte Schächte und Trassen, Pumpanlagen oder Vorwandsysteme hergestellt.
„Mit bestmöglichen Einsatz an Personen das bestmögliche Gebäude herstellen“
Abschließend stellte aquatherm Geschäftsführer Dirk Rosenberg in seinem Vortrag die „Ressource Mensch“ in den Mittelpunkt. Mit dem bestmöglichen Einsatz an Personen müsse es gelingen, das bestmögliche Gebäude im gesamten Lebenszyklus herzustellen, erklärte Rosenberg. Er stellte heraus, dass es seit der Corona-Pandemie die Entwicklung gibt, dass Menschen nicht mehr in ihren ursprünglichen Berufen arbeiten können oder wollen, beispielsweise in der Gastronomie oder in kleinen Betrieben im Lebensmittelhandwerk. Auf der anderen Seite fehlen Fachkräfte im Bauhandwerk. „Individuelle Weiterbildungen vorausgesetzt, gelingt es sicherlich, Menschen mit den passenden Grundfähigkeiten in bestimmte Produktionsprozesse, so auch in die Vorfertigung, zu integrieren. Fachkräfte, die bislang diese Tätigkeiten ausgeführt haben, können so in anspruchsvolleren Prozessen eingesetzt werden“, erläuterte er. Dirk Rosenberg: „Wir alle sind ein Teil der Lösung. Wie wir in den kommenden Jahren handeln, wird der nächsten Generation und möglicherweise auch dem nächsten Jahrhundert den Stempel aufdrücken.“
„Immer wieder wichtige Impulse“
Organisatoren und Gastgeber des Industrietags zogen am Ende der Veranstaltung eine positive Bilanz: „Den ITGA NRW macht das besondere Miteinander aus“, stellte Verbands-Vorsitzender Jan Opländer heraus. „Der persönliche Umgang zwischen den Mitgliedern ist herausragend, dazu kommt der fachliche Mehrwert. Hochwertige Veranstaltungen und Treffen wie der Industrietag geben unseren Mitgliedern immer wieder wichtige Impulse.“ Dass der Verband offen für neue Mitglieder sei, machte Tobias Dittmar, ITGA-NRW-Geschäftsführer, deutlich. „Wir wollen unser starkes Netzwerk weiter ausbauen. Alle in NRW ansässigen Unternehmen, die gebäudetechnische Anlagen eigenständig planen und ausführen, können Mitglieder werden, Herstellerfirmen nehmen wir als Fördermitglieder auf.“ Die besonderen Interessen der Hersteller werden in einem eigenen Industrieausschuss vertreten. Dessen Vorsitzender Frank Hühren, Geschäftsführer der Priva Building Intelligence GmbH, erläuterte: „Der Industrieausschuss, den es auf Landes- und Bundesebene kein zweites Mal gibt, unterstreicht die Wertschätzung, die die Fördermitglieder des ITGA NRW erfahren.“ Christof Schmidt, Vertriebsleiter DACH bei aquatherm, sagte abschließend: „Wir schätzen unsere Verbandsmitgliedschaft sehr und waren unheimlich gerne Gastgeber des ITGA NRW Industrietags 2022. Anlässlich der Veranstaltung konnten wir viele Entscheider in Attendorn begrüßen und haben uns über die Möglichkeit gefreut, unser Unternehmen vor Ort zu präsentieren.“