Herr Küng, sehen Sie die Life Sciences Industrie ausreichend auf den Wandel vorbereitet?
Im Allgemeinen ist die Branche hier ganz gut unterwegs, wenn vielleicht auch nicht ganz so rasch wie Automotive oder technologiegetriebene Wirtschaftszweige. Das ist im Hinblick auf die langen Entwicklungs- und Lebenszyklen der Produkte nachvollziehbar. Andererseits lassen die Unternehmen Möglichkeiten ungenutzt. Dadurch können die schnelleren Firmen aktuell einen echten Wettbewerbsvorteil herausarbeiten – zum Beispiel indem Kernprozesse durch Digitalisierung beschleunigt und optimiert werden.
Das klingt vielversprechend, können Sie uns hierzu konkrete Beispiele nennen?
Elektronische Trial Master Files in Studien, E-Batch Records in der Produktion oder Lab-Notebooks, die die Papierjournale im Labor ablösen – das sind nur einige Projekte, die wir im Bereich der Effizienzsteigerung der Kernprozesse begleitet haben. Darüber hinaus können neue Technologien aber ebenso für Innovationen im Produktportfolio oder an den sogenannten Customer Engagement Endpoints wirkungsvoll genutzt werden. Auch in diesem strategischen Bereich sind wir laufend aktiv, denn de facto haben Unternehmen oft einen personellen Engpass und können die Möglichkeiten deshalb kaum nutzen und für sich operationalisieren.
Das ist der Punkt, an dem wir – also ARCONDIS – ins Spiel kommen: Möglichkeiten identifizieren, die Sinnhaftigkeit prüfen und zusammen mit und in den Unternehmen in den betrieblichen Alltag überführen. Das bezieht sich auf die gesamte Bandbreite von Strategieberatung zur digitalen Transformation bis hin zum Rollout und zur Überwachung der Implementierung.
Herr Küng, glauben Sie auch, dass die Digitalisierung diese stark regulierte Branche auf den Kopf stellen wird?
Zuerst einmal müssen die Unternehmen keineswegs auf jeden Hype reagieren – das ist nicht hilfreich. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass durchaus eine beschleunigte Evolution stattfindet. Und zwar so rasch, dass sie für den einen oder anderen revolutionär wirkt.
Im Grunde genommen gilt es, erhebliche Datenmengen aus den unterschiedlichen Quellen zu nutzen, um Prozesse und Produkte zu verbessern. Das ist nicht revolutionär, sondern nur konsequent und wirtschaftlich sinnvoll. Wo mehr Information vorhanden ist, wird die sinnvolle Nutzung aber auch von Kunden eingefordert. Hier gilt ebenso, mehr aus den Daten zu machen, beispielsweise durch digitale Services wie mobile Gesundheits-Apps, über die Patienten Vitalparameter tracken oder an Medikamenteneinnahmen erinnert werden. Ein Kreislauf, der Life Sciences ein schnelleres Handeln ermöglicht und gleichzeitig dazu befähigt. Der eine sieht darin eine Herausforderung, der andere eine Chance.
Und wie genau soll dieses angesprochene Handeln bei Unternehmen der Life Sciences Branche Ihrer Meinung nach aussehen?
Es braucht etwas Weitblick und Klarheit, durch die Vielzahl an Chancen durchzusteigen. Da ist die Begrifflichkeit manchmal durchaus hinderlich. Beispielsweise vernebelt das Buzzword „Digitalisierung“ tatsächliche Chancen, weil es fälschlicherweise als Aufgabe der IT-Abteilung gesehen wird. Mitunter wird nicht erkannt, dass sich die rasante Zunahme an relevanten Daten und Kundenbedürfnissen direkt auf die Kernprozesse auswirkt oder sogar ganze Geschäftsmodelle verändert.
Hier braucht es also mehr Klarheit darüber, wie der Wandel aussieht und sich für die Life Sciences und die Unternehmen im Einzelnen gestaltet. Wie es dann am Ende genannt wird, ist zweitrangig. Also: Die Richtung ist, sich den veränderten Markt- und Compliance-Anforderungen mindestens zu stellen und zu betrachten, wie sie durch neue technologische Möglichkeiten nicht nur erfüllt, sondern auch genutzt werden können, um Wettbewerbsvorteile zu schaffen.