Der GEMRIX wertet 50 Datenpunkte pro Markt in fünf Hauptkategorien aus, die die wichtigsten Marktbedingungen für Elektrofahrzeuge abbilden. Dazu gehören die Bereitschaft der Kunden, E-Fahrzeuge zu kaufen, der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur, Vergleiche der Nutzungskosten von Verbrenner- und E-Fahrzeugen, staatliche Anreize sowie regulatorische Rahmenbedingungen. Die Marktdaten werden normalisiert und mit Indexpunkten zwischen 0 und 100 vergleichbar gemacht. Ein Gesamtwert von 100 bedeutet, dass die Marktbedingungen für Verbrenner- und Elektrofahrzeuge in Bezug auf Nutzwert, Kosten und Verfügbarkeit gleichwertig sind. Norwegens Spitzenwert von 117 zeigt, dass Elektroautos den Verbrennern dort überlegen sind und der Übergang zur Elektromobilität praktisch abgeschlossen ist. China hat mit 98 Punkten die Parität als zweiter Markt inzwischen erreicht. Deutschland führt die Verfolgergruppe mit einem Indexwert von 85 an, gefolgt von Singapur (81) und UK (79).
Deutschland mit Herausforderungen bei der Ladeinfrastruktur
Eines der Haupthindernisse für die Einführung von E-Fahrzeugen in Deutschland ist nach wie vor ein Abwarten der Verbraucher, weil viele die Ladeinfrastruktur angesichts der derzeit verfügbaren Fahrzeugreichweiten noch als unzureichend wahrnehmen – auch wenn diese inzwischen real mehr als 400 km betragen. Hinzu kommt das zum Teil zögerliche Investment der Industrie in wirklich flächendeckende Schnelllade-Infrastruktur, weil die Anzahl der Fahrzeuge, vor allem außerhalb der großen Städte, noch begrenzt ist. Für die Zielgruppe der deutschen Eigenheimbesitzer mit privater Park- und Lademöglichkeit nimmt das E-Auto dagegen weiter an Attraktivität zu: Im Zuge der Energiewende und mit staatlicher Förderung wird das E-Fahrzeug in das Heim-Energie-Management-System (HEMS) mit Photovoltaik, Wärmepumpe und Batteriespeicher integriert, oder dient in Zukunft mit bidirektionalem Laden selbst als Heimspeicher. Die Arthur D. Little Analyse identifiziert ferner die weiter wachsende Palette verfügbarer E-Modelle über alle Fahrzeugsegmente hinweg als einen Treiber für das Wachstum im E-Segment.
Auch in Schwellenländern funktioniert E-Mobilität, wenn sie erschwinglich ist
Mit einem Anteil von 88 % an allen verkauften Neuwagen im Jahr 2022 bleibt Norwegen weltweit führend bei der Nutzung von E-Fahrzeugen. Nicht überraschend ist, dass China mit 98 Indexpunkten in die Kategorie "Global Benchmark" aufsteigt, da auch dort Elektrofahrzeuge inzwischen einen signifikanten Teil des Straßenbildes bestimmen und Vorteile in der Kosten-Nutzen-Betrachtung haben. Eine zweite Gruppe von Märkten, die Ambitious Follower, zu der Deutschland, Großbritannien und Singapur gehören, steht kurz davor, eine Parität der Marktreife für E-Mobilität und Verbrenner zu erreichen. Länder wie die USA, Japan, die Vereinigten Arabischen Emirate und Indien bilden die Gruppe der aufstrebenden E-Märkte (Emerging EV Markets). In diesen Märkten ist die Absicht, die Verbreitung von Elektrofahrzeugen weiter zu beschleunigen, deutlich erkennbar und wird durch staatliche Initiativen unterstützt. Allerdings muss die Ladeinfrastruktur bzw. die Verfügbarkeit von Fahrzeugen weiter verbessert werden. Die vierte Gruppe, die Starter-Märkte, zu der beispielsweise die Türkei und Malaysia gehören, befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung des E-Mobilitäts „Ökosystems“ aus Infrastruktur, Fahrzeugangebot und regulatorischen Förderungen. Hier bremsen vor allem hohe Anschaffungskosten und fehlende öffentliche Lademöglichkeiten die Nutzung elektrischer Fahrzeuge.
Während in manchen Märkten mit großer Wirtschaftsleistung und hohen verfügbaren Einkommen Klimaschutz, Fahrleistung und Technologie wichtige Kaufkriterien sind, stehen in Ländern mit niedrigeren Einkommen die Kostenvorteile von E-Fahrzeugen im Vordergrund. Diese Kostenvorteile, können auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zum Tragen kommen: So verfügen beispielsweise afrikanische oder zentralamerikanische Märkte über umfangreiche Vorkommen erneuerbarer Energie, wohingegen fossile Energieträger importiert werden müssen. Für diese Märkte ergibt ein Umstieg auf E-Mobilität auch volkswirtschaftlich Sinn und reduziert geopolitische Abhängigkeiten.
Dr. Andreas Schlosser, Partner bei Arthur D. Little, kommentiert: “Der ADL Global E-Mobility Readiness Index zeigt, wie die Elektromobilität global weiter an Bedeutung zunimmt. Führende Märkte haben drei Schlüsselfaktoren gemeinsam – sie weisen einen Kosten-/Nutzenvorteil für E-Fahrzeuge auf, bieten zudem eine gut entwickelte öffentliche Ladeinfrastruktur und haben eine unterstützende staatliche Strategie und Gesetzgebung. Die führenden Märkte unserer Studie können in einzelnen Punkten ein Vorbild für andere Staaten sein, um auch dort den Übergang zur Elektromobilität zu beschleunigen.“
Dr. Philipp Seidel, Principal bei Arthur D. Little, unterstreicht: “Norwegens aktueller E-Absatzanteil und Indexwert zeigen, dass batterieelektrische Mobilität für ein ganzes Land machbar ist. Der Übergang wurde in nur etwas mehr als einem Jahrzehnt vollzogen und ist ein Beispiel dafür, wie Märkte durch eine klare und ehrgeizige Strategie und die Orchestrierung privater und öffentlicher Investitionen und Maßnahmen erfolgreich auf E-Fahrzeuge umsteigen können.“
Der ADL Global E-Mobility Readiness Index 2023 enthält wichtige Informationen und Empfehlungen für alle Akteure des E-Mobilitätssektors und ist auf der Webseite des Unternehmens abrufbar: https://tinyurl.com/2ypp399f