Die weltweit tätige Vertretung von Profifußballern FIFPro prangert öffentlich das Transfersystem im europäischen Profifußball an. Sie argumentiert, dass das aktuelle System im Widerspruch zur bisherigen Entscheidung der EU-Kommission steht. Zudem kritisiert sie, dass Transferpreise in letzter Zeit in astronomische Höhe geklettert sind.
Dazu Dr. Jürgen Rothenbücher, Partner bei A.T. Kearney: „Wenn sich die FIFPro durchsetzen kann, könnte dies dramatische Auswirkungen auf den Profifußballsport und alle europäischen Profifußball-Clubs haben.“
Zahlreiche europäische Fußballvereine überschuldet
Rothenbücher erläutert: „Viele Fußballvereine haben bisher in einer finanziellen Schieflage Spieler verkauft, um mit den Transfereinnahmen Kredite zu tilgen. Wenn Transferpreise verboten würden, haben sie diese Möglichkeit nicht mehr. Oft bleibt dann nur noch der Konkurs.“
Je nach Land und Verein beträgt das immaterielle Vermögen der Fußballvereine, also die Transferpreise, im Durchschnitt zwischen 20 und 40 Prozent der Bilanzsumme. In Ausnahmefällen erreicht dieser Wert sogar bis zu 90 Prozent.
Bereits heute stehen viele europäische Fußballvereine kurz vor der Insolvenz. Bei 27 von 71 europäischen Fußballvereinen überstieg 2011 das Fremdkapital die Vermögenswerte.
Diese Situation stellt sich sogar noch verschärft dar, wenn man die Sachanlagen, d.h. Fußballstadien und Trainingsplätze, betrachtet. Sie stellen neben den immateriellen Vermögenswerten einen Hauptbestandteil des Anlagevermögens eines Fußballvereins dar. Diese Vermögenswerte sind hoch illiquide, da es nur wenige potenzielle Nutzer für solche großen Stadien gibt. Im Fall einer finanziellen Schieflage ist es daher äußerst schwierig, ein Stadium zu verkaufen. „Wären die Vereine herkömmliche Unternehmen, würde dies für die meisten über kurz oder lang die Insolvenz bedeuten, wenn sich ihre Situation nicht ändert. Dass es überhaupt noch Profifußballvereine gibt, ist vor allem auch auf den großen politischen Druck und die enorme Relevanz von Fußball für die Gesellschaft zurückzuführen“, so Rothenbücher.
Mögliche Zukunftsszenarien
Wird das bisherige System abgeschafft, sind für die finanzielle Situation der Fußballvereine zwei Szenarien denkbar.
Szenario 1: Die Fußballvereine verhalten sich ökonomisch und nutzen den Cashflow, der durch den Wegfall der Transferausgaben entsteht, um Kredite zurückzuzahlen. Dies würde eine Bilanzverkürzung und keinen Einfluss auf den Gewinn nach sich ziehen, da weder Transfereinnahmen noch -ausgaben entstehen.
Szenario 2: Die Fußballvereine verwenden den Cashflow zur Zahlung höherer Spielergehälter. Dies hätte zur Folge, dass in einem Preiskampf um die besten Spieler diese finanziellen Mittel das System zwischen den Fußballvereinen verlassen. Somit würde sich die ohnehin schlechte Profitabilität der Fußballvereine weiter verschlechtern. In diesem Fall kommen die Vereine einer Insolvenz noch näher als sie heute schon sind.
Ein zusätzlicher Effekt einer Abschaffung von Transferpreisen wäre, dass die reichen Vereine immer reicher und die armen immer ärmer würden. Denn im Durchschnitt werden die Transferpreise von reichen Vereinen, wie beispielswiese dem FC Bayern München, an arme Vereine gezahlt. Ohne das jetzige Transfersystem wären die armen Vereine in noch größerer Gefahr, die reichen Clubs würden noch stärker dominieren und Fußballspiele würden weniger interessant.
Neues gemeinsames Geschäftsmodell gefragt
Emmanuel Hembert, Prinzipal bei A.T. Kearney und Experte für das Geschäftsfeld Fußball, erläutert: „Um eine gemeinsame Lösung für dieses Dilemma zu finden, sind die Fußballvereine aufgefordert, ihre Rivalität kurzzeitig außen vor zu lassen. Denn Fußball ist keine ‚normale‘ Branche und kann nicht den reinen Marktmechanismen folgen. Ein Mangel an Konkurrenz ist für einen Verein nachteilig. Vereine sollte daher gemeinsam ein neues Geschäftsmodell entwickeln, das einerseits auskömmliche Gehälter für die Spieler gewährleistet und andererseits eine angemessene Rendite für die Investoren ermöglicht.“