„Daten werden ein entscheidender Treibstoff für das Auto der Zukunft“, zitierte Gastgeber Peter Mörs vom Softwarehersteller Babtec in seiner Begrüßung den Daimler-Chef Dieter Zetsche. Auch in Gewährleistungsfragen sei die Aufbereitung und zielgerichtete Analyse von Daten ein zentraler Baustein für den Erfolg. Diesen und weitere Faktoren präsentierten die aus ganz Deutschland in den Rheingau gekommenen Experten am 29. September 2016 auf der Burg Schwarzenstein in Geisenheim.
Aus Fehlern lernen
Den Anfang machte Wolfgang Münch von der Unternehmensberatung MP-BusinessManagement. In seinem Vortrag mit dem Titel „Premiumqualität – Anspruch und Wirklichkeit“ zeichnete er ein düsteres Bild und berichtete von aktuellen Rückrufen fast aller großen Automobilhersteller. In den USA lag die Rückrufquote, d. h., die Anzahl der betroffenen Fahrzeuge pro Neuzulassung, 2015 bei 262 Prozent. Statistisch gesehen müsse jedes Auto innerhalb der Gewährleistungszeit mindestens einmal in die Werkstatt. Angesichts zunehmender Komplexität und der großen Abhängigkeit der Hersteller von ihren Lieferanten sei davon auszugehen, dass diese Zahlen künftig eher noch zu- als abnehmen würden. Um dem entgegenzuwirken, gab Münch einige Handlungsempfehlungen. Als besonders wichtigen Punkt hob er hervor, Fehler aktiv aufzuarbeiten und – so schwierig das sein mag – auch aus Gewährleistungsfällen stets Positives zu ziehen. Wichtig sei es, gewonnenes Wissen strukturiert zu bündeln und im Rahmen von „Lessons Learned“ in den Entwicklungsprozess zu integrieren. Zentrale Datenquellen seien dabei nicht nur die von den Herstellern bereitgestellten Felddaten, sondern auch direkt von Kunden geäußerte Meinungen und Hinweise, beispielsweise auf Social-Media-Plattformen.
Mehr wissen mit dem Datachecker
Auch Naya von Randow von der TU Berlin nahm die erschreckenden Rückrufzahlen zum Anlass, nach neuen Lösungswegen zu suchen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Fachgebiets Qualitätsstrategie und Qualitätskompetenz unterstrich den Wert von Daten als „Gold des 21. Jahrhunderts“ und kritisierte die schlechte Datenqualität in vielen Unternehmen. Diese führe schlimmstenfalls zu einer Beeinflussung des operativen Geschäfts. Hier könne das an der Uni entwickelte Tool Datachecker für Abhilfe sorgen. Damit können Daten auf Aktualität, Vollständigkeit, Relevanz, Konsistenz, Zuverlässigkeit und Korrektheit hin untersucht werden. Die so zusammengeführten Informationen könnten Wissen generieren, um Regressfällen präventiv entgegenzuwirken. Wichtig sei jedoch, nicht nur die eigenen Daten zu untersuchen, sondern auch jene der Lieferanten mit einzubeziehen und intelligent zu vernetzen.
Regressmanagement für Fortgeschrittene
Frühzeitig aktiv werden, dazu riet auch Rechtsanwalt Daniel Wuhrmann von der auf die Automobilzulieferindustrie spezialisierten Kanzlei Reusch Rechtsanwälte. In seinem Vortrag plädierte er dafür, es mit der Juristerei nicht zu übertreiben und fragte, angesichts immer komplizierterer Vertragstexte: „Was hat das noch mit dem richtigen Leben zu tun?“ Nicht viel, so das Fazit des Juristen, weshalb bei der Aufsetzung von Verträgen, auch für das Gewährleistungsmanagement, auf klare Formulierungen geachtet werden sollte. Im Falle eines Regresses könne aus einem Zehn-Euro-Teil schnell ein 4000-Euro-Teil werden, da nicht mehr nur der Sachwert, sondern auch Folgekosten relevant seien, z. B. durch den Austausch oder Werkstattbesuche. Um Auseinandersetzungen entgegenzuwirken, sollten bei der Vertragsaufsetzung alle Beteiligten, darunter auch die Versicherungen, intern betroffene Abteilungen sowie die Automobilhersteller selbst, aktiv mit einbezogen werden. Dies führe zwar häufig zu harten Diskussionen, die es am Ende aber immer wert seien, geführt zu werden.
Zeit ist der kritische Faktor
Thomas Buda vom ZF Friedrichshafen begann seinen Vortrag mit einem Horrorszenario für alle Automobilzulieferer. Der Hersteller ruft am Freitagnachmittag an und schlägt Alarm: „Ihre Bauteile sind schlecht. Sie fallen im Fahrbetrieb aus. Wir denken an einen Rückruf.“ Was also tun? Thomas Buda, der aktuell für die Qualität in über 40 Werken zuständig ist, rät dazu, die Krise als „produktiven Zustand“ zu verstehen sowie ihr „den Beigeschmack der Katastrophe“ zu nehmen. Zeit sei der kritische Faktor. Da auch im Krisenfall weiter produziert werde, womöglich auch jene Teile, die zum Problem führten, zähle jede Sekunde. Schlechte Kommunikation, falsche Prioritätensetzung, kein geregelter Ablauf und der Irrglaube, auch in der Krise noch Geld sparen zu müssen, seien die häufigsten Fallstricke des Gewährleistungsmanagements. Anstatt panisch zu werden, bedürfe es Organisation und überlegtes Vorgehen. Die Lösung sei ein Workflow-gestütztes Fehlermanagement. Damit könne das Problem genau erkannt, Fehler eingegrenzt und strukturiert Sofortmaßnahmen ergriffen werden.
Daten beherrschbar machen
Einig waren sich alle Referenten darin, dass bei der Auseinandersetzung mit Gewährleistung die Beherrschbarkeit von Daten eine immer wichtigere Rolle einnehmen werde. Im abschließenden Vortrag präsentierten Dr.-Ing. Andreas Braasch vom Institut für Qualitäts- und Zuverlässigkeitsmanagement (IQZ) und Babtec-Produktmanagerin Katrin Stratmann ein neues Software-Modul für Warranty Management, das genau dabei unterstützt. Die Software ist das Ergebnis eines intensiven Gedankenaustauschs der beiden Unternehmen, in dessen Rahmen Braaschs jahrelange Praxiserfahrung im Warranty-Bereich direkt in die Entwicklung eingeflossen ist. Mit Hilfe der Software können Felddaten standardisiert und validiert werden. Auf dieser Grundlage können aufwändige Analysen gefahren und beispielsweise in Form von Warranty-üblichen Schichtliniendiagrammen abgebildet werden.
Alle Vorträge des 2. Warranty Management Day in Geisenheim gibt es in voller Länge auf dem Youtube-Kanal von Babtec: www.youtube.com/BabtecGmbH