Gemeinsam mit 21 Unternehmen aus der Industrie und vier Forschungsinstituten hat der Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustie (ZVEI) das Gleichstrom-Forschungsprojekt „DC-INDUSTRIE“ ins Leben gerufen. Sie arbeiten daran, die Energiewende in der industriellen Produktion umzusetzen und auf diese Weise dort die Energieeffizienz und Energieflexibilität zu steigern.
Eines der beteiligten Unternehmen ist Bauer Gear Motor, Teil der Altra Industrial Motion Corporation. Bauer-Geschäftsführer Karl-Peter Simon ist in führender Position an den Forschungen beteiligt.
Karl-Peter Simon: „Von diesem Forschungsprojekt können viele Bereiche in der Fertigungsindustrie profitieren. Ein großer Automobilhersteller plant bereits die Umsetzung einer Reihe von Empfehlungen in einer neuen Testanlage. Bauer möchte sich mit seiner Expertise an der Umsetzung dieser zukunftsweisenden Vision beteiligen und maßgeblich zur weiteren Verbesserung der Energieeffizienz beitragen.“
In der Industrie entfallen 70 % des Stromverbrauchs auf Elektromotoren. Damit sind sie der mit Abstand größte Verbraucher elektrischer Energie. Vor allem bedeutet jede Reduzierung der Leistungsaufnahme dieser Antriebe durch Wirkungsgradsteigerungen auch eine entsprechende Reduzierung der CO2-Emissionen.
Seit dem 1. Januar 2017 müssen alle in Europa neu verkauften Drehstrommotoren des Leistungsbereichs von 0,75 bis 375 kW die Anforderungen der Energieeffizienzklasse IE3 erfüllen bzw. IE2 bei Frequenzumrichterbetrieb. Diese Effizienzklassen sind für Drehstrom-Asynchronmotoren bei Nenndrehzahl und Nenndrehmoment definiert. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die Wirkungsgradregelung einer Komponente den Energieverbrauch nur in bestimmten Betriebszuständen nachhaltig reduzieren kann.
Vor diesem Hintergrund will das DC-INDUSTRIE-Projekt mithilfe von Gleichstromnetzen die Energiewende und die bessere Ausnutzung von Energie vorantreiben und darüber hinaus die Industrie 4.0 realisieren. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Ineffizienzen bei der Drehzahlregelung
Der Vorteil des Betriebs an einem Frequenzumrichter ist die kontinuierliche Anpassung der Motordrehzahl an den tatsächlichen Bedarf der Anwendung, was im Nebeneffekt häufig zu Energieeinsparungen führt. Frequenzumrichter werden an Wechselstrom betrieben. Dieser wird zunächst durch einen Gleichrichter in Gleichstrom gewandelt. Der Gleichstrom wird anschließend durch einen aus dem Zwischenkreis gespeisten Wechselrichter in eine in der Frequenz und Amplitude veränderbare Wechselspannung zur elektronischen Veränderung der Drehzahl eines Drehstrommotors gewandelt.
Im Bremsbetrieb des Drehstrommotors, z. B. beim Senken der Last an einem Kran, kehrt sich der Energiefluss um. Allerdings kann diese Energie über den Frequenzumrichter nicht zurück ins Netz eingespeist werden, weil der Eingangsgleichrichter den Strom nur in einer Richtung durchlässt. Aus diesem Grund muss zurückfließende Energie über den Gleichspannungszwischenkreis des Frequenzumrichters abgeführt werden.
Hierfür ist der Zwischenkreis mit einem Bremschopper zur Überwachung des Spannungsniveaus ausgestattet. Wenn die Spannung des Zwischenkreises den festgelegten Grenzwert überschreitet, schaltet der Bremschopper einen Bremswiderstand zwischen den positiven und den negativen Pol des Zwischenkreises. Hierbei handelt es sich in der Regel um einen zusätzlichen, externen Bremswiderstand, der die Bremsenergie in Wärmeenergie umwandelt.
Netzrückwirkungen durch Oberschwingungen
Der vermehrte Einsatz von Frequenzumrichtern zur Regelung von Motordrehzahlen hat zu Netzrückwirkungen durch Oberwellen und Spannungsverzerrung geführt. Leider gibt es hierfür keine Standardlösung, denn die Netze und ihre elektrischen Verbraucher sind sehr unterschiedlich. Letzten Endes ist aber der Netzbetreiber verantwortlich für die Spannungsqualität seiner Erzeugungseinrichtungen. Mit zunehmender Verbreitung von Frequenzumrichtern und anderen Geräten mit moderner Leistungselektronik nehmen die Netzrückwirkungen zu.
Die dargelegte Situation macht deutlich, dass eine weitere Verbreitung von Umrichtern zur flexiblen Regelung von Elektromotoren wünschenswert und in vielen Fällen sogar unumgänglich ist. Sie sind derzeit die einzige Möglichkeit, sowohl die Produktionsprozesse zu verbessern als auch den Energieverbrauch zu senken. Aufgrund der Störung der Netze durch Oberwellen und die Kosten für technische Abhilfemaßnahmen sind dieser Entwicklung jedoch Grenzen gesetzt.
Um wirklich entscheidende Fortschritte im Bereich Energieeffizienz und Systemkostenoptimierung zu machen, bedarf es eines ganz neuen Konzepts: Für maximale Energieeffizienz, Energiewandel und Industrie 4.0 müssen neue Netzstrukturen geschaffen werden.
Entwicklung der Lösung
Der neue Netzaufbau basiert auf einer Versorgung mit Drehstrom, der über einen zentralen Gleichrichter in Gleichstrom für die Produktionsmaschinen umgewandelt wird. In den zentralen Gleichrichter sind aktive Netzfilter für eine oberschwingungsfreie Spannungsqualität integriert.
Durch die direkte Versorgung der Frequenzumrichter mit Gleichstrom kann auf alle dezentralen Komponenten der Energiewandlung verzichtet werden. Weil die zentrale Energiewandlung (Gleichrichtung) wesentlich effizienter ist, sind die Verluste entsprechend geringer.
Bei der direkten Gleichstromversorgung aller Elektromotoren über Frequenzumrichter sind alle installierten Motoren an ein gemeinsames Gleichspannungsnetz angeschlossen. Außerdem verursachen Gleichstromnetze im Wesentlichen lediglich Übertragungsverluste durch den ohmschen Widerstand. Im Gegensatz zum Wechselstromnetz treten keine kapazitiven und induktiven Leitungsverluste auf.
Darüber hinaus bietet ein zentrales Gleichstromnetz die Möglichkeit, Gleichstrom mit dem Spannungsniveau aus einer Photovoltaikanlage direkt zu integrieren. Auch hier ist also die Wandlung von Gleich- in Wechselstrom durch einen Wechselrichter überflüssig. Diese Netzinfrastruktur ermöglicht eine Optimierung der Energiebeschaffung und Netzstabilisierung.
Weil die Eingangsgleichrichter und die Netzfilter bei den Frequenzumrichtern wegfallen, können letztere kostengünstiger und kompakter gestaltet werden. So sind sie leichter zu integrieren, und die entsprechenden Motorlösungen gewinnen an Attraktivität. Durch drehzahlvariable Motoren kann die Anzahl der Baugrößen reduziert werden, was wiederum mit entsprechenden Energieeinsparungen verbunden ist. Sie liefern Statussignale von allen gleichstrombetriebenen Antrieben, die von großer Bedeutung für eine flexible und sichere Produktionssteuerung sind.
Durch Netzmanagement ist eine Optimierung der Energiekosten im Rahmen des operativen Managements möglich. Die abrufbaren Daten ermöglichen präventive Maßnahmen in der Produktionslenkung, durch die sich die Verfügbarkeit der Produktion deutlich steigern lässt. Diese Möglichkeit ist eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0.