Die Zeit wird knapp, um die Klimaziele bis 2045 oder auch nur bis 2030 zu erreichen. Dabei müsste auch das Bauen nachhaltiger werden und zirkuläre Ansätze auch außerhalb des Elfenbeinturms in die Tat umsetzen. Aber wie schafft der energieintensive Bausektor diese Kehrtwende? Architekten sehen jedenfalls vor allem die Industrie in einer Schlüsselposition, um zirkuläre Ansätze am Bau schneller zu etablieren. Das legt ein Befragungsergebnis der USP-Marketing Consultancy von Anfang des Jahres 2022 unter 423 Planern in Europa nahe. Zwei Drittel der Architekten gaben der Meinung Ausdruck, dass die Hersteller der Baubranche eine Schlüsselposition haben, wenn es darum geht, das zirkuläre Bauen voranzutreiben.
Damit ist klar, dass die Architekten die Hersteller in der Verantwortung sehen – und dass sie auch der Meinung sind, dass sie ohne die Industrie nicht vorankommen. Dabei geht es zum einen um das Mitwirken der Hersteller bei der Etablierung kreislaufwirtschaftlicher Prozesse – wie eben bei der Organisation der praktischen Rücknahme und Reintegration von Material oder Verpackungen. Zum anderen geht es um die Entwicklung von Materialien und Lösungen, die ein solches System erst ermöglicht.
Eine direkte Möglichkeit, wie mehr Hersteller aktiv dazu beitragen könnten, Materialkreisläufe zu schaffen (von der sie durch Einbindung des „zurückgewonnenen“ Materials in die eigene Produktion auch direkt profitieren könnten) ist, dem Kunden eine Rücknahmeerklärung anzubieten: d. h. eine Erklärung, durch die der Produzent sich bei Kauf des Produktes automatisch verpflichtet, das Material nach der Nutzung wieder zurückzunehmen.
Derzeit werden solche Rücknahmeerklärungen noch nicht verbindlich vom Gesetzgeber eingefordert – einige der von BauInfoConsult befragten Expertinnen und Experten halten es aber für durchaus denkbar, dass innerhalb der nächsten Jahre der bis dahin gewachsenen Druck aufgrund des Klimawandels steigt und dann zu einer solchen Regulierung führen könnte.
In der Zwischenzeit haben Hersteller, die sich im Sinne einer solchen „Extended Producer Responsibility“ freiwillig zur Rücknahme verpflichten, dadurch eine gute Option, sich als nachhaltiger Anbieter vom Wettbewerb hervorzuheben. Doch natürlich ist ein solches Angebot mehr als bloß eine besonders eine clevere Zusatz-Serviceleistung.
Um dies anbieten zu können, müssen im Betrieb zuallererst die technischen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass das eigene Produkt auf eine Weise hergestellt werden kann, die Zurücknahme erlaubt (also z. B. durch „sortenreine“, auseinandersortierbare Verbundweisen).
Auch die CO2-Reduktion bei der Produktion sollte selbstverständlich damit verbunden sein, etwa durch Herstellungsverfahren mit weniger (und möglichst nachhaltigem, d. h. nachwachsendem Material). Gleichzeitig sicherzustellen, dass das Geschäftsmodell sich rechnet und Gewinne erzielt, ist eine anspruchsvolle Aufgabe und erfordert zunächst Investitionen in neue Geschäftsmodelle.
Über die Studie
Die Thematik zu Zukunftspotenzial zirkulärer und nachhaltiger Bauansätze wird ausführlich in der Studie „Die grüne Bauindustrie – Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Klimaneutralität am Bau“ von BauInfoConsult behandelt, die in einigen Wochen verfügbar sein wird. Auf Basis unserer repräsentativen Erhebungen unter bis zu ca. 600 Interviewpartnerinnen und -partnern aus Berufen und Gewerken wie Architektur, Bauunternehmen, Dachdecker-, Zimmerer-, Maler-, Trockenbau- und SHK-Handwerk und auf Grundlage von 28 Experteninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern aus Architektur, Fachplanung, Energieberatung, Bauwirtschaft, Hochschule/Forschung und Entwicklung, Wirtschafts- und Trendforschung, Consulting, Verbänden und Behörden wurde in der Studie detailliert untersucht …
- welche energieeffiziente, nachhaltige und C02-neutrale Ansätze den Beitrag des Bauens zur Klimawende darstellen werden: Nachhaltigkeit & graue Energie vs. bloßer Effizienzfokus, Baubestands-Recycling vs. Neubaudominanz
- wie die Bauprozesse sich durch das grüne Bauen verändern werden: nachhaltiges Potenzial der Digitalisierung, Fertigteilbau vs. Massivbau, Serialität in der Sanierung, Anforderungen an die Baustoffindustrie
- welche politischen und legislativen Weichenstellungen in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu erwarten sind: künftiger Förderfokus & wo Regulierung und Normierung langfristig unvermeidbar sind
- welche Änderungen bei der Nachfrage für Materialien, Bauteile und Systeme zu erwarten sind: Außenwand und -dämmung, Böden/Decken, Fenster/Türen/Sonnenschutz, Bauchemie und Befestigung, Dach, Heizung, Lüftung, Elektrizität und erneuerbare Energien, Smart Home
- welche Bausektoren vor allem vom „grünen“ Wandel betroffen sein werden und welche Sektoren davon am stärksten profitieren: Potenzial und Folgen für den Eigenheimbau, Mietwohnbau, Nichtwohnungsbau
- Die Folgen für das Marketing in der Bauwirtschaft: den Wandel kommunizieren statt Greenwashing