Ballungsräume im Kampf um die Mietpreisbremse, Schwundregionen im Ausverkauf
Das Phänomen ist bekannt: Kleinhaushalte mit einer hohen Wohnraumnachfrage v, die seit Ende der Finanzkrise zu mehr Fluktuation und einer erhöhten Wohnungsnachfrage in Arbeitsplatzzentren wie den Großstädten und Ballungsräumen der Republik führen – und so diese lokalen Wohnungsmärkte zum Überkochen bringen. Auch für die größeren Haushalte bzw. die größer werdenden Haushalte von jungen Familien sind die überhitzten Wohnungsmärkte in den Ballungsräumen ein Problem:
Schließlich ballt sich die Bevölkerung gerade in den urbanen Zentren nicht umsonst, sondern weil die Haushalte den dort vermehrt vorhandenen Arbeitsplätzen folgen. Die schon seit fast einem Jahrzehnt schwelenden und seit Frühjahr 2021 zum Teil immer deutlicher eskalierenden Streitigkeiten um lokale Mietpreisbremsen und mögliche Enteignungen von Wohnkonzernen haben nicht zuletzt in diesem Phänomen ihren Ursprung.
Die wirklich entspannten Wohnungsmärkte betreffen heutzutage mehr und mehr nur noch die ländliche Peripherie demografisch abgehängter ländlicher Regionen mit einer abwandernden jungen Bevölkerung, die zu einer deutlichen Schwächung der lokalen Infrastruktur geführt hat – was die weitere Abwanderung gerade eben teufelskreisartig weiter befeuert. Das betrifft langfristig gesehen vor allem die stark alternden neuen Bundesländer.
So gehen regionale Prognosen für das Jahr 2035 davon aus, dass vor allem die neuen Bundesländer starke Bevölkerungsrückgänge zu verzeichnen haben werden (zwischen 9 und 15 Prozent Bevölkerungsschwund). Zwar gibt es in Ostdeutschland ebenfalls einige Boomregionen – zum Beispiel die Metropolen Berlin, Leipzig und Dresden –, doch in der Fläche wird sich die Wanderungsbewegung raus aus den neuen Bundesländern weiterhin fortsetzen. Dies dürfte unweigerlich eine weiter sinkende Wohnnachfrage – und damit eine niedrige Neubaukonjunktur – im Osten Deutschlands zur Folge haben.
Corona und Stadtflucht: Was ist dran?
Seit Jahren hieß die Devise „Raus aus dem Land, rein in die Stadt“, was in den urbanen Regionen bekanntlich zu einer erhöhten Wohnraum- und Immobiliennachfrage und einer enormen Baukonjunktur geführt hat (die freilich nicht ausreicht, um die enorme Nachfrage zu sättigen). Als ein möglicher Gegentrend zu diesem Sog in die Stadt wurde im Coronajahr 2020 ein Ansteigen der Tendenz erwartet, dass immer mehr Haushalte Eigentum außerhalb der Stadtzentren anstreben– platt gesprochen: Nach monatelangem Lockdown-Lagerkoller in der engen Stadtwohnung verfestigt sich bei vielen Haushalten der klassische Wunsch nach einem Haus „auf dem Land“ mit Garten.
Ganz von der Hand zu weisen ist diese Vermutung nicht: Zum einen hat sich die Zahl der privaten Häuslebauer 2020 deutlich erhöht (s. u. im Kapitel zum Wohnungsbau). Zum anderen bestätigen aktuelle Verbraucherumfragen den Trend zur Abwanderung aus den Stadtzentren. So zeigt eine im Juli 2021 veröffentlichte gemeinsame Befragung des ifo Instituts und des Immobilienportals Immowelt unter 18.000 Personen, dass 13 Prozent der Befragten aus Großstädten mit über 500.000 Einwohnern planen diese in den kommenden 12 Monaten zu verlassen – darunter insbesondere jüngere Familien oder Angehörige von Altersgruppen in der klassischen Familiengründungsphase.
Wie zu erwarten, gaben viele Befragte an nach den Erfahrungen der Pandemie weniger Kompromisse bei den Wohnverhältnissen machen zu wollen. Allerdings profitiert – ebenfalls wenig überraschend – nicht der ländliche Raum im eigentlichen Sinne, sondern vor allem der sogenannte Speckgürtel von der Umzugsbereitschaft der Haushalte – sprich: „kleinere“ Großstädte mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern oder die Vorstädte der Großstädte, also Räume, wo potenziell weiter Arbeitsplatznähe gewährleistet ist.
Wachsende Speckgürtel, schrumpfende Großstädte
Einen explizit negativen Coronaeffekt auf die Demografie deutscher A-Großstädte glauben Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) ausgemacht zu haben. Die Einwohnermeldedaten der 15 größten deutschen Städte für 2020 bestätigen, dass die bundesweit zu beobachtenden negativen Effekte einer geringeren Zuwanderung, weniger Geburten und von mehr Sterbefällen aufgrund von Corona sich auf die Bevölkerungsentwicklung der großen Städte besonders stark ausgewirkt haben.
Nach dem Wachstum der 15 Städte zum Ende des abgelaufenen Jahrzehnts schrumpften die Bevölkerungszahlen in 12 der 15 Städte deutlich. Insbesondere Stuttgart nahm deutlich an Einwohnern ab, während Berlin, Essen und Frankfurt am Main stagnierten. Allein München, Hamburg und Leipzig konnten ein moderates Wachstum verbuchen.
In dem von der Pandemie geprägten Jahr 2020 sind in den 15 untersuchten Städten laut der vergleichenden Studie vor allem die Zuzüge (aus dem Ausland oder aus anderen Regionen im Inland) gesunken (-17 Prozent im Vergleich zu 2019). Die Geburten gingen um 2,5 Prozent zurück, während die Sterbefälle sich um 5 Prozent erhöhten.