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"Handelssanktionen träfen vor allem Russland selbst"

Leiter des ifo-Zentrums für Außenwirtschaft warnt vor den Folgen einer Verschärfung des Konflikts mit Russland und mahnt zur Deeskalation

(PresseBox) (München, )
"Sanktionen gegen Russland mit der entsprechenden Gegenreaktion des Landes treffen Russland mehr als die EU", zu diesem Ergebnis kam Professor Gabriel Felbermayr, Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, auf dem fpmi inside Business Breakfast am Freitag, den 27. Juni, in der Börse München. Andreas Schmidt, Sprecher der fpmi, begrüßte den Referenten und wies auf die besondere Aktualität des Business Breakfast hin, denn am gleichen Tag träfen sich in Brüssel die EU-Chefs und unterzeichneten ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, Moldau und Georgien. Außerdem setzten die EU-Chefs Russland ein Ultimatum bis Montag: Wenn es bis dahin nicht zu substanziellen Verhandlungen mit der Ukraine käme, würden bedeutende Sanktionen verhängt. "Generell ist die Erfahrung mit Wirtschaftssanktionen aber ernüchternd", erklärte Prof. Felbermayr den etwa 70 Zuhörern aus der Münchner Finanz-Comunity. Es gebe allerdings nur wenig wissenschaftliche Daten. "Sanktionen beeinträchtigen die Wirtschaft in allen beteiligten Ländern und führen selten zu nachhaltigen Änderungen der Politik", betonte Felbermayr.

Nach Meinung des Experten für internationalen Handel müsse Europa in der Russlandfrage seine Strategie überdenken und dürfe das Land nicht durch weitere Provokationen in die Isolation treiben. Denn ökonomisch nehme das Gewicht Russlands bereits seit Jahren ab, sein Anteil am internationalen Bruttoinlandsprodukt sei seit 2008 auf nur noch 4 Prozent gesunken. Eine katastrophale demographische Entwicklung und kaum existierende Produktivitätsfortschritte seien die Hauptursache dafür. "Es gibt für Russland eigentlich gar keine Alternative zum Handel mit dem Westen", so Felbermayr. "Wenn Putin heute noch ein Fenster hat, um die wirtschaftliche Zukunft zu gestalten, dann ist das nicht mehr lange offen". Er erinnerte an den bereits Ende 2010 vom russischen Präsidenten unterbreiteten Vorschlag einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok. "Es ist unverständlich, warum die EU das nicht aufgegriffen hat. Je größer so eine Freihandelszone, desto besser für alle Beteiligten", so sein Fazit.

Deutsche Wirtschaft besonders exponiert

Mit Direktinvestitionen von rund 18 Milliarden US-Dollar sei Deutschland der größte ausländische Investor in Russland und beschäftige dort etwa 250.000 Mitarbeiter in eigenen Niederlassungen. Dazu kämen schätzungsweise noch einmal so viele indirekte Arbeitsplätze hinzu. Dem aktuellen ifo-Geschäftsklimaindex zufolge seien die Geschäftserwartungen deutscher Firmen mit Russlandaktivitäten seit Januar 2014 um sechs Punkte eingebrochen, während der Index für die Gesamtheit der Firmen nur um 2 Punkte nachgegeben habe. Negativ betroffen sei vor allem der Maschinenbau: Etwa fünf Prozent aller Exporte dieser Branche gingen nach Russland. Sanktionen der EU gegen Russland und zu erwartende russische Gegenmaßnahmen wie ein Lieferstopp für Öl und Gas würden allerdings Russland sehr viel heftiger treffen als Europa, und auch die EU-Staaten sehr unterschiedlich. Deutschland wäre mehr involviert - immerhin existieren Hermesbürgschaften in Höhe von 10 Milliarden Euro mit Russland - als etwa Norwegen, das von höheren Ölpreisen und Abnahmemengen profitieren würde. Auf Seiten der Rohstoffimporte sind es vor allem Erdgas, Rohöl und Nickel, bei denen sich Deutschland jeweils zu mehr als einem Drittel aus Russland eindecke.

Ifo Berechnungen zufolge würde das deutsche Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr um 0,1 bis 0,3 Prozentpunkte niedriger ausfallen, falls die Krise zu einer deutlichen Rezession in Russland führen sollte. 2015 könnte das Minus bis zu 0,4 Prozent betragen. "Das wäre durchaus spürbar, ein Schreckensszenario wäre es aber nicht", so der Kommentar des Experten. " Als Absatzmarkt ist die USA für uns zehnmal wichtiger". Zu einer Rezession in Russland käme es zudem nur, wenn der Westen tatsächlich Handelssanktionen einführen würde.

Über die Finanzplatz München Initiative:

Bayern mit seinem Zentrum München ist einer der bedeutendsten Finanzplätze Europas, der größte Versicherungsplatz Deutschlands, der zweitgrößte deutsche Bankenstandort und führend für Private Equity, Venture Capital, Leasing sowie Asset Management. In der Finanzplatz München Initiative haben sich alle wichtigen Unternehmen, Verbände, Institutionen sowie wissenschaftliche und staatliche Einrichtungen aus der Finanzbranche zusammengeschlossen, um mit einer Stimme zu sprechen. Gegründet 2000 unter maßgeblichem Engagement des bayerischen Wirtschaftsministeriums zählt die Initiative heute fünfzig Mitglieder und damit mehr als jede andere Finanzplatzinitiative in Deutschland.

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