Seit drei Jahren gilt ein besonderes Augenmerk der Untersuchung den Entwicklungen im Lokaljournalismus. Im Rahmen eines mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) veranstalteten Langzeitmonitorings wurden im zurückliegenden Jahr sieben physische und acht nicht-physische Angriffe registriert. Gegenüber 2022 bedeutet dies einen Rückgang um fünf Fälle, aber „jeder Angriff ist einer zu viel“, erklärte dazu BDZV-Hauptgeschäftsführerin Sigrun Albert. Zumal dank der Langzeitdokumentation offenkundig werde, dass einige der bedrohten Lokaljournalistinnen und Lokaljournalisten auch „in früheren Jahren bereits Ziel von Attacken waren“.
Aufgrund der Nähe zwischen Berichterstattern und denen, über die berichtet wird, wirke „der Hass vor der Haustür besonders perfide“, führte Albert weiter aus. „Im schlimmsten Fall führt die Bedrohungslage zu Angst und Selbstzensur.“ Das ist auch ein Befund der aktuellen ECPMF-Studie, die angesichts der hohen Zahl tätlicher Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten in Sachsen (117 von insgesamt 390 dokumentierten Angriffen seit 2015) für den vorliegenden Bericht einen genaueren Blick auf die Verhältnisse in Sachsen geworfen hat.
Nahaufnahme Sachsen
Danach findet sich gerade im ländlichen Raum Sachsens „vielerorts ein fragiles Kräftegleichgewicht zwischen weit in die Stadtgesellschaft hineinreichenden rechtsextremen Kontinuitäten und zivilgesellschaftlichem Engagement. Extrem rechte Akteur:innen und andere verschwörungsideologische Zusammenhänge agieren an diesen Orten aggressiv und gezielt gegen alle, die sich kritisch mit ihnen auseinandersetzen, darunter explizit auch Lokaljournalist:innen. Eine Folge der daraus resultierenden Bedrohungslage ist Selbstzensur“, so die Studie. Auswärtige Journalisten kämen aufgrund von Sicherheitsbedenken seltener oder gar nicht, um von Veranstaltungen und Versammlungen entsprechender Akteure und Bewegungen zu berichten.
Patrick Peltz, Co-Autor der achten „Feindbild Journalist:in“-Studie, bezeichnet „Erzählungen von Lokaljournalistinnen und -journalisten, dass sie selbst oder Mitglieder der Redaktion aus Sorge um ihre Sicherheit teilweise nicht über bestimmte Akteure und Bewegungen berichten“, als eine sehr bedenkliche Entwicklung für die Pressefreiheit in Deutschland. „Insbesondere vor den anstehenden Kommunal-, Landtags- und Europawahlen in diesem Jahr in Sachsen.“
Gegenmaßnahmen
Das ECPMF hält im Rahmen seiner Untersuchung aber auch einen Lichtblick bereit. So hätten Verbände, Medienhäuser, staatliche Institutionen und Journalisten als Reaktion auf die gestiegene Bedrohungslage in den letzten Jahren Gegenmaßnahmen entwickelt. Immer mehr Medienhäuser machten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern psychologische Beratungsangebote zugänglich, Vereine und Verbände initiierten neue Hilfsangebote wie etwa das (ebenfalls vom BDZV unterstützte) Projekt Helpline. Auch der polizeiliche Medienschutz habe sich, trotz kritikwürdiger Vorfälle, insgesamt tendenziell verbessert.
„Genau hier liegt eines der Ziele unseres Langzeitmonitorings“, sagt dazu BDZV-Hauptgeschäftsführerin Sigrun Albert. „Wenn es uns mithilfe des ECPMF gelingt, mehr Transparenz über physische und psychische Bedrohungslagen herzustellen und als Folge dessen den Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Redaktionen zu verbessern, haben wir auch etwas für die Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland getan.“
Link zu den Fällen auf MappingMediaFreedom.