- Masterplan für den digitalen Wandel fehlt
- Gesamtpotenziale der Digitalisierung können nicht gehoben werden
- Unternehmenskultur wird als Erfolgsfaktor gesehen – gleichzeitig hemmt die bestehende Kultur den Wandel, und die Unternehmen tun sich mit aktiver Kultur-Entwicklung schwer
- Kulturelle DNA der Automobilzulieferer ist aktuell nicht mutig und entschlossen genug
Die bestehende Unternehmenskultur lässt die Digitalisierung vielfach nicht zu
Die äußerst facettenreichen Treiber der Digitalisierung wie das autonome Fahren, Shared Mobility- Dienstleistungen, die Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur, die alternativen Antriebe und „Big Data“ können sehr unterschiedliche Relevanz und Dringlichkeit für die Unternehmen der Zulieferindustrie haben. Dies macht eine gründliche Auseinandersetzung damit erforderlich, um die Chancen zu nutzen, die Risiken möglichst frühzeitig zu identifizieren und entsprechend gegenzusteuern. Dazu Peter Eltze, Experte für Transformation und Kulturmanagement bei Berylls Strategy Advisors: „Immer häufiger stellt sich für unsere Kunden die Frage, inwieweit es die bestehende Unternehmenskultur zulässt, die Komplexität der Digitalisierung zu meistern“.
Berylls Strategy Advisors hat nun zusammen mit The Culture Institute in Zürich in einer Studie die kulturellen Voraussetzungen für diese Auseinandersetzung bei rund 30 mittelständischen Automobilzulieferern aus dem deutschsprachigen Raum untersucht. Die befragten Top-Manager kommen aus Unternehmen, die zwischen 1.000 und 10.000 Mitarbeiter beschäftigen.
Masterplan zur Digitalisierung fehlt – Prozess- und Produktoptimierung stehen noch zu sehr im Fokus
Obwohl die Relevanz und Dringlichkeit der Digitalisierung von den befragten Managern erkannt wird, besitzt kaum ein Unternehmen einen Masterplan zur Digitalisierung. Es wird nur in Ansätzen deutlich, welche sinnstiftende Mission in Zukunft verfolgt werden muss und inwieweit die Digitalisierung das Unternehmen verändern soll. Die Frage bleibt mehrheitlich offen, ob man als System- und Komponentenlieferant weiter existieren kann, oder ob man in neue Geschäftsmodelle eintreten muss. Vielen gelingt es nicht, Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz von „Big Data“ ergeben, zu identifizieren und zu nutzen. Als Ziel haben die Mittelständler deshalb noch überwiegend die Prozess- und Kostenoptimierung im Fokus. Dass ihnen die Digitalisierung einen direkten Kundenzugang bieten kann, wird kaum gesehen. Als Folge fehlt das Verständnis für Chancen, die neue Produkt-/Service-Angebote oder digitale Geschäftsmodelle bieten – Potenziale für neue Erlösquellen werden quasi ignoriert. Neben einer unpassenden Management- und Organisationsstruktur, ungenügenden finanziellen Ressourcen und einem Mangel an verfügbaren Kompetenzen für die digitale Welt wird die existierende Unternehmenskultur als häufigster Grund für einen nicht existierenden Masterplan und somit für eine fehlende ganzheitliche Auseinandersetzung mit der Digitalisierung genannt.
Dabei wissen nahezu alle Befragten um den signifikanten Einfluss der Unternehmenskultur auf den Erfolg ihrer Firma und setzen sich mit der Kultur intensiv auseinander. Das Management diskutiert und reflektiert seine Wahrnehmungen zur Kultur, beschreibt Werte, Normen und Grundüberzeugungen der Führung und Zusammenarbeit und bildet in vielen Fällen seine Mitarbeiter im Umgang mit diesen aus.
Kulturmanagement ist ein Erfolgstreiber der Digitalisierung – Kulturelle DNA der Zulieferer nicht vorwärtsgewandt und agil genug
Warum führt dieses Engagement dennoch nicht zu einer ganzheitlichen Auseinandersetzung mit der Digitalisierung? Folgende Gründe führen die Befragten direkt oder indirekt an:
- Der aktuelle Erfolg der bestehenden Geschäftsmodelle und die Orientierung am etablierten, direkten Wettbewerb reduziert die Veränderungsbereitschaft der Unternehmen.
- Die Diskussion über die Unternehmenskultur orientiert sich zu sehr an den bisher wirkungsvollen, traditionellen kulturellen Eigenschaften: Qualität, Verlässlichkeit, Gründlichkeit und Sparsamkeit, verbunden mit Bodenständigkeit. Es liegt nicht in der kulturellen DNA der Teilnehmer, ohne sorgfältige Planung nach vorne zu stürmen und Investitionen als Experiment zu betrachten.
- Gerade die Eigentümer oder oberen Führungskräfte leben größtenteils noch traditionelle Eigenschaften vor. In der Auseinandersetzung mit Digitalisierung handeln sie oft erfahrungsbasiert, streiten zu wenig über die sachlich beste Lösung undscheuen Investitionen außerhalb ihrer gewohnten Möglichkeitsräume.
- Es existiert noch relativ wenig Wissen in den Unternehmen über die digitalen Kompetenzen, Haltungen und Einstellungen. Dies führt dazu, dass man keine gemeinsame Sicht bezüglich der kulturellen Stärken und Schwächen im Hinblick auf die Digitalisierung entwickeln kann. Umso schwerer wird die konsequente Förderung von Stärken und Eingrenzung von Schwächen.
Kulturelle Handlungsempfehlungen für die digitale Transformation
Wie aber können diese kulturellen Eigenschaften aufgebaut werden? Berylls Strategy Advisors und The Culture Institute empfehlen einen pragmatischen Weg und heben die Bedeutung eines systemischen und systematischen Managements hervor. Führungskräfte bestimmen die Entwicklung der Kultur im Unternehmen maßgeblich. „Es geht jedoch keinesfalls darum, Führung neu zu erfinden. Sie muss an den jeweiligen Bedarf der Organisationsentwicklung angepasst werden. Agilität, beispielsweise, ist nicht nur eine Methode, sondern eine Haltung. Die Kunst ist es, existierende Konzepte bedarfsgerecht und sinnvoll im Unternehmen anzuwenden.“ so Eltze.
Außerdem gilt es, die kulturelle Perspektive zu berücksichtigen, wenn die Digitalstrategie erarbeitet wird. Die digitale Transformation erfordert neben strategischen und strukturellen, vor allem auch kulturelle Initiativen. Hilfreich ist die Schaffung eindeutiger Verantwortlichkeiten und klarer Zuordnung auf Top-Management-Ebene zur erfolgreichen Umsetzung unternehmensweiter und zentral gesteuerter Maßnahmen der digitalen Transformation.
Vor allem aber muss die Entwicklung eines ganzheitlichen Masterplans zur digitalen Transformation bei den Entscheidern ganz oben auf die Agenda. Es gilt die Potenziale und Gefahren der Digitalisierung in Gänze zu betrachten, um für das Unternehmen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Zur nachhaltigen Schließung von Wissenslücken, beispielsweise beim „Big Data“-Know-how, bedarf es der gezielten Integration von externen Wissensträgern. Da diese aber nicht immer kompatibel mit den bestehenden Kulturmustern sind, ist eine entsprechende Entwicklung des digitalen Mindsets der Organisation erforderlich. Eine Säule dafür ist die Schaffung eines entsprechenden Ausbildungsangebots. Bei wichtigen Personalentscheidungen wie Rekrutierung und Beförderungen sollten jene Werte Berücksichtigung finden, die das Unternehmen in der digitalen Transformation dringend benötigt. Mitunter müssen gezielt Musterbrüche in Kauf genommen oder sogar bewusst herbeigeführt werden.