- Berylls-Umfrage zeigt: chinesische Premium OEM drängen auf den deutschen Markt, und treffen hier auf eine überraschende Offenheit bei den Kunden.
- Selbst Käufer deutscher Oberklasse sind zum Wechsel zu chinesischen Konkurrenzprodukten bereit, vor allem wenn sie schon Erfahrungen mit einem chinesischen Auto gesammelt haben.
- Kunden erwarten in erster Linie ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis. Die Positionierung der Marken aus China zielt dagegen überwiegend auf das teure Premiumsegment. Hohe Preise werden die Kundenakzeptanz allerdings schmälern.
- Deutsche Kunden nehmen bei den chinesischen Marken keine nennenswerte technische Überlegenheit wahr.
Die Analyse zeigt, dass Aiways, BYD, Nio, Polestar und Co. durchaus Erfolgschancen haben. Denn unter den Premium-Kunden ziehen beim Autokauf etwa 25 Prozent chinesische Marken in Betracht. Das ist bemerkenswert, schließlich haben die meisten chinesischen Hersteller noch nicht mit ihren Marketing-/Kommunikationsaktivitäten begonnen. Die Bekanntheit der Marken und ihrer Modelle bewegt sich daher noch auf einem eher niedrigen Niveau. Eine Ausnahme stellt Polestar dar. Der Volvo-Ableger ist bereits seit 2018 stark mit Werbung und Medienauftritten im deutschen Markt vertreten.
Kunden die bereits Erfahrung mit einem chinesischen Fahrzeug haben, zeigen sich wesentlich aufgeschlossener für den erneuten Kauf. Offensichtlich sind sie von ihrem bisherigen Modell aus China, dem zurückliegenden Kaufprozess und dem Service rund um ihr Auto nicht enttäuscht worden und wollen den Newcomern vielfach eine zweite Chance geben. Vor diesem Hintergrund kommt dem zwischen BYD und SIXT angekündigten Geschäft, das einer großen Anzahl von Kunden die Möglichkeit bieten wird, chinesische Produkte aus erster Hand zu erleben, eine enorme Bedeutung zu. Insgesamt wird sich der Markt für Elektroautos mit den chinesischen Marktteilnehmern, auch dank solcher Kooperationen, stark verdichten.
Soleiman Mansouri, Associate Partner bei Berylls Strategy Advisors: „Der Kampf um die Aufmerksamkeit von Erstkäufern ist real. Vor allem deutsche Premiumhersteller wissen, wie wichtig es ist, die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen, die so genannte Generation Y, als Erstkunden zu gewinnen.“ Denn üblicherweise entscheiden sich deutsche Käufer ab etwa 40 Jahren erstmals für den Kauf eines Premium-Modells. Und gerade bei dieser Alterskohorte sind die Vorbehalte gegenüber chinesischen Fahrzeugen besonders niedrig.
Allerdings können sich die eigenen Ansprüche der OEM aus China als grobe Stolperfalle entpuppen. Denn die mit Parwiz Torgull, dem Leiter des Customer Success Teams von Civey, gemeinsam durchgeführte Umfrage zeigt, wie wichtig den deutschen Kunden ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis ist. So ist annähernd jedem zweiten Umfrage-Teilnehmer der Preis das Kaufkriterium Nummer eins. Erst weit abgeschlagen folgen technische Inhalte, wie große Reichweite oder Ladezeiten. Features, die in China ganz oben in der Käufergunst stehen wie digitale Funktionen, spielen bei der Mehrzahl der deutschen Käufer eine nur sehr untergeordnete Rolle.
Kunden, die bereits Erfahrung mit chinesischen Autos haben, geben abweichende Gründe für die Kaufentscheidung an. Bei Ihnen besitzt sehr wohl die Reichweite ein großes Gewicht, das Design spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Aber auch für sie ist der Preis an Platz zwei, ein ganz entscheidendes Kriterium für den erneuten Erwerb eines Autos aus China. Und genau in diesem Punkt sehen die deutschen Kunden die Chinesen bisher den deutschen OEM als überlegen an, während sie technische Unterschiede kaum wahrnehmen.
Die Studie legt damit nahe, dass sich jene Hersteller mit dem Erfolg auf dem deutschen Markt sehr schwertun werden, die ihre Produkte preislich auf Augenhöhe oder zu nah bei der deutschen Konkurrenz ansiedeln. Problematisch ist auch, dass sich die Modelle aus China zu wenig voneinander unterscheiden. Es existieren kaum Markendifferenzierungspunkte, weder technische und nicht einmal im Design. Den chinesischen Modellen fehlt das Besondere, das Kunden suchen, die bereit sind einen Premiumpreis zu bezahlen.
BYD-Chef Shu will dennoch bereits 2026 120.000 seiner Modelle in Deutschland absetzen, wie er am Rande einer Händlerkonferenz verlauten ließ. Andere Hersteller kommen mit ähnlich ambitionierten Zielen auf den deutschen Markt. Wie die Berylls Umfrage zeigt, treffen sie hier zwar auf Kunden, die ihnen eine Chance geben wollen. Dass es in kurzer Zeit aber derart viele sein werden ist unrealistisch, vor allem wenn das Angebot ausschließlich aus E-Autos besteht. Denn noch ist der deutsche BEV-Markt, 2021 wurden lediglich 365.000 E-Autos zugelassen, viel zu klein und wächst zu langsam, um den ambitionierten Zielen der chinesischen Anbieter gerecht zu werden. In der Folge müssen sich die Newcomer mit bescheideneren Stücken vom Kuchen zufriedengeben. Immerhin sind ihre Plätze am Kaffeetisch aber gedeckt.