- Junge gebrauchte BEVs stehen im Handel wie Blei, die Standzeiten steigen und Restwerte sind im freien Fall.
- Berylls hat den Restwertverlust der mehr als 524.000 2023 in Deutschland neu zugelassenen BEVS in den nächsten drei Jahren auf knapp drei Milliarden Euro kalkuliert.
- Die Aussichten auf eine Änderung der Situation sind bescheiden. Die technologische Entwicklung neuer Modelle bei zu erwartend sinkenden Preisen macht einen Weiterverkauf aktueller gebrauchter E-Autos kaum möglich – nicht nur in Deutschland.
- Hersteller, Händler und Leasingfirmen, bei denen die E-Autos in den Büchern stehen, müssen ihr Vertriebsmodell umkrempeln. Sie sollten die E-Autos nicht verkaufen, müssen sie stattdessen halten und auch in zweiter und dritter Kundenhand beispielsweise über Leasing- oder Abomodelle weiterführen, um Verluste abzufedern.
Denn BEVs verkaufen sich als Gebrauchte kaum. Die Gründe sind vielschichtig, wie eine Berylls-Analyse zeigt. Einmal stagniert die Nachfrage nach E-Autos generell auf breiter Front, bei Neu- und vor allem bei Gebrauchtwagen. Die wesentlichen Gründe sind hinlänglich bekannt: hohe Preise für den Fahrstrom und für die Autos sowie Reichweiten, die meist noch nicht auf Höhe von Verbrennern sind. Die BEVs, die mit durchschnittlich drei Jahren Haltedauer als Ex-Leasing- oder Abo-Autos, auf den Gebrauchtwagenmarkt kommen, kosteten als Neuwagen im Schnitt knapp 43.600 Euro. Ein durchschnittlicher dreijähriger gebrauchter E-Wagen mit 60.000 km Laufleistung erlitt in dieser Zeitspanne mit einen durchschnittlichen Wertverlust von 57 Prozent respektive 24.800 Euro. Nach Berylls Berechnungen liegt der Wertverlust für ein durchschnittliches E-Auto um zwölf Prozent und damit rund 5600 Euro über einem vergleichbaren Benziner. Christopher Ley, Partner bei Berylls Strategy Advisors: „Wir sehen in dieser Differenz einen Wert, der die ursprünglich ausgezahlte staatliche Förderung sogar übersteigt. Bei einem Zulassungsvolumen von 524.000 BEVs in Deutschland im Jahr 2023 und unter Annahme einer vergleichbaren Restwertkurven-Entwicklung in den nächsten drei Jahren, haben wir einen Wertverlust von 2,99 Milliarden Euro errechnet. Dies ist deutlich mehr als die rund 2,4 Milliarden Euro, die 2023 insgesamt als BAFA-Förderung gezahlt wurden“
Eine horrende Summe, die sich perspektivisch nicht verringern wird, denn der Ausblick für die bestehende Secondhand-Flotte ist schlecht. Eine ähnliche Situation zeigt sich nicht nur in Deutschland. Auch in Frankreich und vor allem in Großbritannien sind die Restwerte auf dem Weg nach unten. Lediglich in Spanien stürzen die Zahlen nicht ab, liegen allerdings ebenfalls deutlich unter den Summen, die sich mit Benzin- und Dieselmodellen erzielen lassen.
Neue Modelle, mit mehr Reichweite und zu günstigeren Preisen drängen auf den Markt und konkurrieren direkt mit den jungen Gebrauchten. Viele gebrauchte E-Autos sind große und teure SUV, sie fallen nicht in die Kategorie Massenmarkt, was sie für viele Gebrauchtkäufer uninteressant macht. Erschwerend kommt der beginnende Preiskampf hinzu. Rabatte und Preissenkungen für Neuwagen lassen die Anschaffungskosten für einen Neuen, an die für einen Gebrauchten heranschrumpfen. Nach Einschätzung der Berylls-Experten, gibt es für die aktuelle BEV-Generation kaum Hoffnung am Gebrauchtwagenmarkt. Hier können lediglich die immensen Verluste minimiert werden.
„Wir sehen an den stagnierenden – in manchen Ländern sinkenden – Zulassungszahlen von neuen Elektrofahrzeugen eine Abwartungshaltung bei privaten und professionellen Kunden wie Flotten und Vermietern. Und das obwohl die Hersteller aktuell teilweise massiv Neuwagen mit Preisnachlässen versehen. Es scheint, dass der noch nicht vollständig entwickelte Gebrauchtwagenmarkt einen Einfluss auf den Markt für neue Elektrofahrzeuge hat“, so Ley.
Für die Zukunft empfehlen die Fachleute um Christopher Ley die Vertriebsmodelle radikal zu verändern. Der Neuwagenverkauf sollte einem Multizyklus-Modell weichen. Hersteller oder Leasingfirmen müssen bestrebt sein, die Fahrzeuge auch in zweiter und dritter Hand selbst auszulasten. Damit müssten sie ihre Vertriebsincentivierungsmaßnahmen nicht mehr lediglich auf die Neuwagen ausrichten, sondern auf den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge. Die massenhafte Vermarktung gebrauchter Fahrzeuge gehört bislang jedoch keineswegs zur Kernkompetenz der Hersteller, sie werden dennoch schnell lernen müssen, damit umzugehen.
Ein positiver Nebeneffekt des langen Haltemodells ist der Zugriff des OEMs auf alle im Auto verbauten Materialien. Vor allem die Batterie ist hier als Rohstoffquelle interessant. Gelangt sie an ihr Lebensende, kann der Hersteller mit den darin enthaltenen Stoffen einen guten Teil der Recyclingvorgaben erfüllen, die ihm für die Batterieproduktion vom Gesetzgeber auferlegt sind.
Die umfassende Analyse finden Sie im Anhang und zu weiteren Berylls-Insights kommen Sie hier: How carnage in the Used Car market is impacting BEV adoption in Europe - Berylls - making automobility viable