Schon jetzt nehmen weniger deutsche Schulabgänger ein Studium auf als im OECD-Durchschnitt. Auch die Zahl der Absolventen von ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen im Verhältnis zu den Erwerbspersonen ist in Deutschland zu niedrig. Die hohe Zahl der Informatik-Studenten in den vergangenen Jahren ging vor allem zu Lasten der Ingenieurwissenschaften wie zum Beispiel der Elektrotechnik. Damit geht der in anderen Fächern zu beobachtende Zustrom an die Hochschulen gerade an den Zukunftstechnologien ITK vorbei. Mit anderen Worten: Gelingt es nicht, mehr junge Menschen für einschlägige Studiengänge zu begeistern, werden die Unternehmen in Zukunft verstärkt ausländische Fachkräfte einstellen oder Forschungs- und Entwicklungsabteilungen ins Ausland verlagern müssen – weil die Experten im deutschen Arbeitsmarkt fehlen.
Denn nach 2008 wird die Zahl der Schulabgänger – und damit ab 2010 auch die Zahl der Erstsemester – sinken. Bis zum Jahr 2020 wird nach der Prognose der Kultusministerkonferenz die Zahl der Studierenden im ersten Fachsemester von max. 547.000 (2008) auf 484.700 zurückgehen. Darüber darf auch die derzeitige Debatte um eine „Überfüllung“ der Hochschulen und die bis 2012 steigenden Studentenzahlen insgesamt nicht hinwegtäuschen. Denn nach diesem Zeitpunkt sinkt die Zahl der Studierenden in Folge der rückläufigen Erstsemesterzahlen unwiderruflich. Um diesen demografischen Trend aufzufangen, müssten sich die Schulabgänger vermehrt für technisch-naturwissenschaftliche Studiengänge entscheiden. Dies ist derzeit jedoch nicht erkennbar. Zudem stagniert der Anteil weiblicher Informatik-Studierenden seit Jahren bei 17 Prozent, in der Elektrotechnik und dem Maschinenbau liegt er unter 10 Prozent.
Auch die Abbrecherquote von rund 50 Prozent muss verringert werden. „Die Hochschulen müssen sich ihre Studenten gezielt aussuchen dürfen, ihre personelle Betreuung verbessern, ihre Studiengänge klarer strukturieren und den Praxisbezug erhöhen“, sagt Harms. Zudem sei es unakzeptabel, wenn die Hochschulen auf die sich abzeichnende Überlast in einzelnen Fachbereichen mit Abschottungen reagierten. Stattdessen müssten die effektiven Studienzeiten verkürzt und die Effizienz der Ausbildung erhöht werden. Dies sei mancherorts nur mit zusätzlichen Kapazitäten für die Betreuung gerade der jüngeren Semester möglich. „Wenn die Landesregierungen auch in Zeiten knapper Kassen hier klug investieren, wird der Innovationsstandort Deutschland insgesamt davon erheblich profitieren“, so der BITKOM-Vizepräsident. Auch müssten die Einnahmen aus Studiengebühren konsequent für die Verbesserung der Lehre verwendet werden, fordert Harms. Die Akzeptanz der Gebühren sei umso höher, je unmittelbarer der Mehrwert für die Studenten ist.
Ein gelungenes Beispiel für eine ebenso hochwertige wie straffe Ausbildung sind die Berufsakademien in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern. „Solche praxisnahen und kooperativen Studiengänge muss die öffentliche Hand fördern und ausbauen – und das bundesweit“, sagt Harms. Ähnliches gilt für den Bachelor-Abschluss: Diese Absolventen haben eine stringente Hochschulbildung durchlaufen und echte Berufsfertigkeiten erworben. Nicht vergleichbar seien jedoch Konstrukte wie der „Bachelor Professional“, den Kammern und andere Bildungsträger verleihen wollen: „Bundes- und Landesregierungen dürfen nicht durch eine formale Anerkennung solcher Abschlüsse die Einführung und Akzeptanz akkreditierter Bachelor- und Masterstudiengänge bei Unternehmen und Studierenden gefährden“, sagt Harms.