Derzeit werden Kapitalgesellschaften (AG und GmbH) in keinem anderen EU-Mitgliedstaat so hoch besteuert wie in Deutschland. Gerade in den neuen EU-Staaten sind die Steuerlasten kaum halb so hoch. Zudem bieten sie eine intelligentere Steuerstruktur: So besteuert etwa Estland nur den ausgeschütteten Teil des Firmengewinns und Ungarn unterstützt Investitionen in Forschung und Entwicklung durch günstige Abschreibungsbedingungen. Niedrigere Steuern sind ein Element einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, weil sie das Wirtschaftswachstum fördern, für mehr Beschäftigung, Investitionen, Konsum und damit letztlich auch für ein höheres Steueraufkommen sorgen.
Der Standort Deutschland verliert dagegen durch das konfuse Steuerrecht mit nicht mehr konkurrenzfähigen Tarifen zunehmend an Attraktivität. In einem neu erarbeiteten Reform-Programm fordert der BITKOM deshalb den Gesetzgeber auf,
* die Gewerbesteuer komplett abzuschaffen und durch einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu ersetzen, um den Steuertarif auf unter 30 Prozent zu senken und zugleich den Verwaltungsaufwand radikal zu reduzieren,
* die jüngsten Fehlentwicklungen in der Steuergesetzgebung zu korrigieren, insbesondere die "Strafsteuern" für Gesellschafter aufzuheben, die für Bankkredite ihrer Unternehmen Kreditsicherheiten gewähren,
* eine moderne Konzernbesteuerung einzuführen, die eine einfache, auch grenzüberschreitende Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zwischen den Konzerngesellschaften zulässt
* und das Außensteuerrecht zu überarbeiten, das Steuern auf stille Reserven vorsieht, sobald ein Unternehmen seinen Sitz in einen anderen EU-Staat verlegt. Dieses ist europarechtswidrig.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Barbara Hendricks, wies die Kritik des BITKOM am Steuersystem zurück: "Seit 2001 haben wir ein europataugliches, vereinfachtes und international wettbewerbsfähiges Unternehmenssteuerrecht. Die Körperschaftsteuer haben wir auf einheitlich 25 Prozent für thesaurierte und ausgeschüttete Gewinne reduziert." Die Bundesregierung sei für eine grundlegende Reform offen, diese müsse jedoch die Steuereinnahmen in der heutigen Höhe sichern, sozial ausgewogen sein und Chancen besitzen, sie gemeinsam mit Opposition und Länderkammer durchzusetzen. Radikalentwürfe wie des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof seien ungeeignet.
"Angesichts leerer Haushaltskassen erwarten wir nicht eine sofortige, radikale Senkung der Steuersätze. Wohl aber erwarten wir Zeichen des Aufbruchs", sagte Berchtold. Alt-EU-Staaten wie Österreich oder Dänemark haben bereits vorgemacht, wie ein Standort seine Attraktivität für Firmen steigern und im Steuerwettbewerb bestehen kann. Demgegenüber erscheint die Forderung deutscher Politiker, die neuen EU-Mitglieder sollten ihre Steuern drastisch erhöhen, eher einfallslos.
Die Bundesregierung spielt mit der Zukunft des Standortes Deutschland, falls sie den Steuerwettbewerb in Europa nicht ernst nimmt, urteilt Berchtold. Das Beispiel Irland zeigt, wie erfolgreich eine Politik klarer und niedriger Steuern sein kann: Das einstige Armenhaus Europas hat Deutschland beim Wohlstandsniveau längst überflügelt.