Wie Städte künftig nachhaltig mit Strom und Wärme versorgt werden können, will die Stadtwerke Jena Gruppe gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft, Wohnungswirtschaft und Industrie in einem Reallabor der Energiewende demonstrieren. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert die Umsetzung des Projektes JenErgieReal in Jena über einen Zeitraum von fünf Jahren mit rund 20,4 Millionen Euro. Ziel ist es, Lösungen für eine bedarfsgerechte und kostengünstige Energiewende in Städten zu entwickeln und in der Praxis zu erproben.
Dafür sollen bis 2027 über das Stadtgebiet von Jena verteilt elektrische Großspeichersysteme sowie Photovoltaik- und Solarthermieanlagen errichtet werden. Diese neuen, sowie bereits vorhandene Erzeuger, Speicher und Verbraucher von Energie sollen über eine digitale Infrastruktur vernetzt und so zu einem virtuellen Kraftwerk verbunden werden. So können sie abhängig von der jeweiligen Lastverteilung im Netz hochflexibel gesteuert werden.
„Mit JenErgieReal fördern wir ein Reallabor in Ostdeutschland, das darstellen soll, wie die Transformation urbaner Energiesysteme und die nachhaltige Versorgung von Städten mit Strom und Wärme gelingen kann“, sagte Christian Maaß, Abteilungsleiter Energiepolitik im Bundeswirtschaftsministerium, zur Übergabe des Förderbescheides an die Stadtwerke Jena.
Für Jenas Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche unterstreicht JenErgieReal einmal mehr, dass in Jena interdisziplinäre Forschung und innovative Entwicklungen auf Weltniveau zu Hause sind. „Im besten Falle können wir mit unserem Projekt als Vorbild dienen, wie eine fossilfreie Zukunft möglich ist.“ Die Stadt Jena hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu werden.
„Mit JenErgieReal wollen wir alle Bereiche, in denen Energie erzeugt und verbraucht wird, übergreifend betrachten und intelligent miteinander vernetzen“, sagte Gunar Schmidt, Geschäftsführer der Stadtwerke Energie Jena-Pößneck. Das geplante virtuelle Kraftwerk in Jena führe erneuerbare Energiequellen und -speicher sowie die Haupttreiber des Energieverbrauchs in Städten – Verkehr, Industrie, Gewerbe und Wohnen – zusammen. Auf einer übergreifenden Plattform werden sie mittels künstlicher Intelligenz steuerbar. „So können wir vorhandene Energiepotenziale effizienter nutzen und unseren Energiebedarf klimaschonend decken. Diese Sektorenkopplung ist aus unserer Sicht der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende.“
Fehlende Infrastruktur zur Übertragung und Speicherung erneuerbarer Energien sei bisher der größte Hemmschuh für eine schnelle Energiewende, ergänzte Kristin Weiß, Geschäftsführerin der Stadtwerke Jena Netze. „Überdies stellen die notwendigen Investitionen uns Netzbetreiber vor große finanzielle, bauliche und betriebliche Herausforderungen.“ Im Rahmen von JenErgieReal wolle man nun zeigen, dass mittels konsequenter Sektorenkopplung eine kostengünstige Energiewende in Städten gelingen kann. „Dabei stehen für uns stabile Versorgungsnetze ohne zusätzlichen Netzausbau im Vordergrund.“
JenErgieReal war 2019 eines von bundesweit 20 Gewinner-Projekten im „Ideenwettbewerb Reallabore der Energiewende“ des damaligen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Insgesamt waren damals mehr als 90 Ideen eingereicht worden. JenErgieReal schaffte es als einziger Thüringer Beitrag in die Auswahl der förderfähigen Projekte.
JenErgieReal ist interdisziplinär ausgelegt. Im Reallabor arbeiten Versorger und Netzbetreiber, Kommunen, Industrie, Wohnungswirtschaft, Wissenschaft und ein Sozialverband zusammen. Als Projektpartner sind neben den Stadtwerken Energie Jena-Pößneck und den Stadtwerken Jena Netze auch die Stadt Jena, das Stadtwerke-Unternehmen jenawohnen als Thüringens größter Vermieter, die Westsächsische Hochschule Zwickau, die Ernst-Abbe-Hochschule Jena, die Arbeiterwohlfahrt Mittelthüringen und der Messdienstleister BRUNATA METRONA an JenErgieReal beteiligt.
Der Beitrag von BRUNATA-METRONA besteht darin, die Gebäude mit erweiterter digitaler Infrastruktur zur Erfassung und Regelung von Strom und Wärme auszustatten. So erreichen die Informationen von und für Sensoren alle Wohnungen bzw. Nutzeinheiten. Realisiert wird gleichzeitig der Anschluss an das übergeordnete Energiemanagement des virtuellen Kraftwerks. So können kurzfristige Bedarfs- bzw. Erzeugungsspitzen in Echtzeit bis auf Raumebene intelligent geregelt werden. Diese intelligente Infrastruktur wird auch in der Lage sein, weitergehende digitale Dienstleistungen zu ermöglichen.
Durch diesen ganzheitlichen Ansatz und den hohen Praxisbezug soll JenErgieReal als Blaupause für einen nachhaltigen Umbau von urbanen Räumen dienen und damit auch Relevanz über die thüringische Großstadt hinaus entfalten. Insbesondere die übergreifende Betrachtung aller Teile des urbanen Energiesystems - vom Erzeuger bis zum Endverbraucher - könnte Jena zu einem Pilotstandort für die Transformation der Energieversorgung in Städten machen.
Über JenErgieReal
Im Rahmen des Reallabors der Energiewende JenErgieReal sollen bis 2027 über das Stadtgebiet von Jena verteilt elektrische Großspeichersysteme sowie Photovoltaik- und Solarthermieanlagen errichtet und betrieben werden. Die gewählten Standorte bilden verschiedene Sektoren des städtischen Energiesystems ab. Dabei werden Quartiersspeicher oder netzdienliche Energiespeicher etwa an Ladesäulen errichtet oder mit Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung kombiniert. Auch Elektrofahrzeuge sollen als kurzzeitige Energiespeicher integriert werden. Ein zusätzlicher Gewerbespeicher soll darüber hinaus die Schnellladung von E-Fahrzeugen ermöglichen.
Ein besonderes Augenmerk legt das Projekt auf die Nutzung der thermischen Energie. So soll Wärme aus verschiedenen regenerativen Quellen dezentral erzeugt und Verlustwärme stärker nachgenutzt werden. Geplant ist beispielsweise, die beim Schnellladeprozess entstehenden Wärmeverluste in einem dezentralen Wärmesystem zur Verfügung zu stellen und so nutzbar zu machen.
Um die verschiedenen Erzeuger, Speicher und Verbraucher zu vernetzen, werden sie über eine digitale Infrastruktur verbunden. Der Vorteil des so entstehenden virtuellen Kraftwerks: Neben der optimierten Leistungsfähigkeit zeichnet es sich durch eine flexible Skalierbarkeit in Echtzeit aus. Abhängig von der jeweiligen Situation kann die Lastverteilung des Netzes mit den verschiedenen Akteuren – von Erzeugern über elektrische Großspeicher und Elektromobilität bis hin zum Endverbraucher – hochflexibel gesteuert werden. Photovoltaik-Anlagen können beispielsweise eingesetzt werden, um Energieverluste des Stromnetzes und der -speicher auszugleichen.
Berücksichtigt werden zudem Vernetzungsstrategien im Sinne einer Smart City. Hierzu setzt JenErgieReal auf künstliche Intelligenz und baut eine entsprechende Plattform mit einer hierfür optimierten Hardware- und Software-Architektur auf. Für den neuen Virtualisierungsansatz entwickeln die Forschenden ein mit dem Eichrecht konformes Messsystem und binden dieses in die digitale Infrastruktur ein. So kann Gleichstrom unterschiedlicher Stärke in Echtzeit abgerechnet und automatisierte und individuelle Mikro-Kontrakte realisiert werden.
Eine wichtige Rolle nimmt auch regulatorisches Lernen ein, das Identifizieren von Verbesserungspotenzialen im Energiewirtschaftsrecht. Und nicht zuletzt sollen auch gesellschaftliche und soziale Aspekte sowie die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Menschen untersucht und Rahmenbedingungen für eine zukunftsgerechte, integrierte Stadtentwicklung geschaffen werden.