Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler: "Die gute Nachricht ist, dass sich die deutsche Wirtschaft trotz aller weltwirtschaftlichen Turbulenzen behauptet und auf Wachstumskurs bleibt. Das erste Halbjahr 2012 verlief besser als noch im Frühjahr gedacht. Doch Deutschland durchquert stürmische Gewässer angesichts der europäischen Staatsschuldenkrise und der konjunkturellen Abschwächung von Schwellenländern in Asien und Lateinamerika. Die Unternehmen halten sich seit einiger Zeit bei Investitionen zurück. Die Stimmungsindikatoren signalisieren mehrheitlich eine schwächere Entwicklung. Wir rechnen daher mit einer geringeren konjunkturellen Dynamik im Winterhalbjahr. Trotz der sich abzeichnenden Abschwächung kann von einem Wachstumseinbruch keine Rede sein. Vielmehr ist die deutsche Volkswirtschaft in robuster Verfassung und steht weiterhin strukturell auf einem festen Fundament. Vieles spricht dafür, dass die Weltwirtschaft 2013 wieder an Schwung gewinnen kann. Dann dürfte auch in Deutschland die konjunkturelle Dynamik wieder anziehen.
Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt ist und bleibt zentral für unseren wirtschaftlichen Erfolg. Anders als in den Jahren zuvor, sind die Reallöhne seit Beginn dieser Legislaturperiode in 2009 jedes Jahr gestiegen. Auch in diesem und im kommenden Jahr wird die Kaufkraft merklich zunehmen. Ohne den Anstieg bei der Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien im kommenden Jahr könnten Realeinkommen und Realkonsum der Menschen sogar noch einmal um 0,2 Prozentpunkte höher liegen. Das zeigt: Auch bei der Mammutaufgabe Energiewende müssen die vor uns liegenden Aufgaben dringend so marktnah wie möglich gelöst werden. Planwirtschaft kommt uns hier teuer zu stehen.
Was ist also jetzt zu tun, um Aufschwung und Beschäftigung sicherzustellen? Nicht nur unsere europäischen Nachbarn müssen für stabile Rahmenbedingungen, eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und Maßnahmen zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sorgen. Auch wir müssen unsere Hausaufgaben machen und Wachstumshemmnisse beseitigen. So müssen Steuermehrbelastungen infolge der kalten Progression endlich abgebaut werden. Höhere Lohnzusatzkosten oder neue Regulierungen würden die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt aufs Spiel setzen. Insbesondere müssen die Rentenbeiträge ab dem 1. Januar 2013, wie gesetzlich vorgesehen, gesenkt werden. Die deutsche Wirtschaft ist auch in stürmischen Zeiten manövrierfähig, wenn wir unsere solide Basis nicht leichtfertig durch neue Belastungen auf Pump aufs Spiel setzen. Nur so können wir Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen."
Nachstehend einige Eckpunkte der Herbstprojektion:
- Auf dem Arbeitsmarkt bleiben die Aussichten sehr günstig - wenngleich die Dynamik nachlässt. Die Beschäftigung hat bereits Rekordniveau erreicht, dennoch wird sie im Durchschnitt des kommenden Jahres weiter auf 41,6 Mio. Personen steigen. Die jahresdurchschnittliche Zahl an Arbeitslosen sinkt in diesem Jahr auf 2,9 Mio. Personen und wird im kommenden Jahr in etwa auf diesem Niveau bleiben.
- Die Kaufkraft der Menschen steigt. Die Effektiventlohnung je Arbeitnehmer (Bruttolöhne und -gehälter) legt mit +2,8 bzw. +2,6 Prozent in beiden Jahren spürbar stärker zu als die Inflation. Die Verbraucherpreise entwickeln sich 2012 mit einem Anstieg von +2,0 Prozent und 2013 mit +1,9 Prozent in ruhigen Bahnen. Damit ist in beiden Jahren ein Plus bei den Reallöhnen zu verzeichnen.
- Angesichts der weiterhin sehr guten Verfassung des deutschen Arbeitsmarktes und der positiven Entwicklung der Kaufkraft wird der private Konsum weiterhin die primäre Wachstumsstütze bleiben.
- Die Ausrüstungsinvestitionen, die in diesem Jahr aufgrund der Unsicherheit deutlich zurückgehen (-3,6 Prozent), dürften sich im kommenden Jahr bei der erwarteten Belebung der Weltwirtschaft wieder merklich beschleunigen (+1,7 Prozent). Die privaten Wohnungsbauinvestitionen sind in beiden Jahren deutlich aufwärtsgerichtet.
- Die Exporttätigkeit hat sich angesichts des schwierigen außenwirtschaftlichen Umfelds im bisherigen Jahresverlauf als robust erwiesen. Aber auch hier ist mit einer leichten Abkühlung im Winterhalbjahr zu rechnen. Die Exporte werden aber in beiden Jahren mit +4,1 bzw. 4,4 Prozent spürbar expandieren. Die Importe entwickeln sich angesichts schwacher Ausrüstungsinvestitionen mit +3,2 Prozent moderat. Nächstes Jahr werden sie beschleunigt zunehmen (+5,1 Prozent).
Die Herbstprojektion der Bundesregierung wurde am 17. Oktober 2012 im interministeriellen Arbeitskreis "Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzungen" unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie abschließend beraten. Das Statistische Bundesamt und die Deutsche Bundesbank waren beteiligt.
Die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Herbstprojektion bilden die Grundlage für die Steuerschätzung vom 29. bis 31. Oktober 2012 in Frankfurt (Main). Als gemeinsamer Orientierungsrahmen dienen sie der Aufstellung der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen.