Ausgangspunkt der Gesetzentwürfe ist der mangelnde Organisationsgrad in vielen Bereichen der Wirtschaft, der nun dazu dienen soll, in der Politik zu punkten. Dabei verstärken staatliche Lohnfestsetzungen mit Sicherheit die Tendenz zu noch schlechteren Organisationsgraden, treiben ehemalige Angestellte in die (Schein)Selbständigkeit und behindern die Einstellungen von Geringqualifizierten und Jugendlichen. Staatliche Lohnfestsetzungen schaffen keine Abhilfe und schaufeln nicht mehr Geld in die Taschen der Arbeitenden, über das sie nicht auch jetzt schon verfügen.
Ein positiver Ansatz wäre, den Organisationsgrad der klein- und mittelständischen Branche zu stärken durch entsprechende Kompetenzzuteilungen bei den Branchenvertretungen und deren Beteiligung bei Entscheidungen über Mindestarbeitsentgelte.
Es muss weiterhin der Grundsatz gelten: Mindestentgelte oder allgemeinverbindliche Tarifverträge dürfen andere Tarifverträge nicht verdrängen, da nur so der Organisationsgrad und damit die soziale Marktwirtschaft gestärkt werden kann.
An der Postbranche ist die Problematik der Referentenentwürfe ablesbar. Der staatlich verordnete Postmindestlohn zu Beginn des Jahres von 9,00 Euro (Ost) bzw. 9,80 Euro (West) hat zu Arbeitsplatzverlusten geführt, hier insbesondere bei den Postunternehmen der Pin Group. Der Grund: Dieser Lohn konnte nach der Zeit des Insolvenzgeldes nicht weitergezahlt werden.
Dagegen haben die von den Arbeitgeberverbänden der Postdienste abgeschlossenen Tarifverträge über 6,50 Euro (Ost) und 7,50 Euro (West) alle Arbeitsplätze in den tarifgebundenen Betriebe erhalten können. Gleichzeitig wird deutlich, dass die politische Forderung nach einem gesellschaftlich allgemein gültigen Mindestlohnstandard von z.B. 7,50 Euro sich aufgrund der großen regionalen Unterschiede als sachfremd erweist.
Der staatlich verordnete Postmindestlohn spaltet darüber hinaus die Branche, denn er gilt nicht für Betriebe, die überwiegend Zeitungen zustellen. Obwohl diese Betriebe im gleichen Segment tätig sind, nämlich der Briefzustellung, können sie ihre Löhne frei aushandeln. Im Postbereich führt die staatliche Lohnfestsetzung zu Wettbewerbsverzerrungen statt zur Wettbewerbsangleichungen, wie vollmundig verkündet. Man kann auch die Geschichte bemühen: Direkte staatliche Eingriffe in Wirtschaft und Tarifautonomie sind in der Geschichte noch nie positiv verlaufen.
„Mindestlöhne und allgemeinverbindliche Löhne sind möglich, wenn sie von den betroffenen Tarifparteien, die die Verhältnisse und Auswirkungen abschätzen können, vereinbart werden“, so das klare Bekenntnis des BdKEP-Vorsitzenden Rudolf Pfeiffer.
Sollte das Arbeitnehmerentsendegesetz in der vorliegenden Fassung verabschiedet werden, stirbt letztendlich doch noch ein weiterer Teil der Postbranche. Tarifautonomie war durch das bisherige Arbeitnehmerentsendegesetz garantiert. Um diese Garantie, von der Rechtsverordnung willkürlich außer Kraft gesetzt, wird derzeit vor den Verwaltungsgerichten gestritten. Das neue Arbeitnehmergesetz fackelt nicht lang und wirft den marktwirtschaftlichen Grundsatz der Tarifautonomie über Bord. Verletzungen des Grundrechts auf Tariffreiheit aber sind als verfassungsrechtlich bedenklich anzusehen. Deshalb muss es bei der bisherigen Grundverfassung der Bundesrepublik bleiben, dass bestehende und zukünftige Tarifverträge niemals durch staatliche Eingriffe verdrängt werden.
Darüber hinaus:
Die geforderten Mindestentgelte von 7,50 Euro die Stunde würden lediglich zu einem Minimumeinkommen für eine alleinstehende Person führen. In der sechzigjährigen Geschichte der Bundesrepublik musste bisher niemand am Hungertuche nagen, denn die sozialen Sicherungsnetze haben ausgezeichnet funktioniert – auch ohne Mindestlohn. Die sog. Aufstocker, jene die zusätzlich Arbeitslosengeld II bemühen müssen, sind denn auch nicht die Alleinstehenden, sondern sind zu 70 Prozent Familien, in denen nur eine Person verdient, trotz eines Stundenlohnes von 10 Euro und mehr. Hier bewegt ein Mindestlohn gar nichts. Es fehlt an Familienpolitik, aber nicht an Mindestlöhnen oder Ähnlichem.