In seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vom 19. Januar 2007 (http://www.bvdw.org/...) hatte der BVDW noch einmal eindringlich auf die Missstände der vorgelegten gesetzlichen Regelungen sowie deren Unvereinbarkeit mit dem deutschen und europäischen Recht hingewiesen. So verstößt die vorgesehene verdachtsunabhängige Erhebung und Speicherung sensibler Verbindungs- und Standortdaten bei der elektronischen Kommunikation gegen das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG ) und gegen das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG). Das hat unweigerlich zur Folge, dass der Bürger faktisch unter einen Generalverdacht gestellt und zugleich die europarechtlich und grundgesetzlich verbürgte Unschuldsvermutung zwangsläufig ad absurdum geführt wird. Mit dieser Zäsur einher geht auch eine offensichtliche Verletzung des verfassungsmäßig garantierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwischen hoheitlichem Eingriff und Grundrechtsgarantie.
Verfahren vor dem EuGH könnte Vorratsdatenspeicherung schon 2008 kippen
Die praktische Umsetzung des Gesetzes wird mit enormen Kosten für Unternehmen und Staat verbunden sein. Ersten Schätzungen zufolge wird die Wirtschaft durch die angestrebte staatliche Datensammelwut mit Kosten in zweistelliger Millionenhöhe sowohl für die Einrichtung der technischen Infrastruktur als auch den jährlichen Betriebskostenaufwand belastet. Angesichts des derzeitig noch anhängigen Normennichtigkeitsverfahren gegen die EG Richtlinie 2006/24/EG vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), durch das das vom Bundestag verabschiedete Gesetz schon im Jahr 2008 aller Voraussicht nach wieder gekippt werden könnte, kann die erwartete Entscheidung des Bundestags rational nicht mehr nachvollzogen werden.
"Ein Abwarten der Entscheidung des EuGH durch den Gesetzgeber wäre sowohl hinsichtlich der offensichtlichen Verfassungswidrigkeit des Gesetzesentwurfs als auch der Verletzung der Bürgerrechte sowie der damit einhergehenden enormen finanziellen Belastung der Wirtschaft sinnvoll und notwendig gewesen", urteilt Gerd M. Fuchs, Referent Medienpolitik im BVDW.
Verbrechensbekämpfer sehen kaum Nutzen
Zudem sind die Effekte der geplanten Vorratsdatenspeicherung für die Reduzierung der Kriminalitätsrate sowie den Schutz der Bürger vor Rechtsverletzungen im Internet äußerst zweifelhaft. Das hat ausgerechnet eine Studie des Bundeskriminalamts (BKA) nachgewiesen. Demnach kann die Vorratsdatenspeicherung die durchschnittliche Aufklärungsquote "von derzeit 55 Prozent im besten Fall auf 55,006 Prozent" erhöhen. "Das verdeutlicht die Unverhältnismäßigkeit, mit der hier zu Werke gegangen werden soll. Die Diskrepanz zwischen der Schwere des geplanten staatlichen Eingriffs und dem zweifelhaften Nutzen einerseits sowie den damit verbundenen lassen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung zu einem willkürlichen Akt staatlicher Regulierung bar jeder Vernunft", so BVDW-Präsident Arndt Groth.
Heute in Deutschland morgen in der ganzen Welt
Ein Akt mit weitreichenden Folgen allerdings. Denn wenn die Bundesregierung wie geplant der Cybercrime-Convention ("Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität") beitritt, würden die in Deutschland erhobenen Daten grundsätzlich auch weiteren 52 Staaten in Europa und weltweit zur Verfügung stehen, da Deutschland dazu verpflichtet wäre, unverzüglich jeder Anforderung von Kommunikationsdaten durch ausländische Ermittlungsbehörden Folge zu leisten. Damit wäre zugleich jedwede rechtsstaatliche Sicherung der Datenhoheit ausgehebelt. "Es ist nicht verwunderlich, dass Verbände, Initiativen und auch die breite Öffentlichkeit gegen diesen hoheitlichen und nicht nachzuvollziehenden Schnellschuss zu Felde ziehen", konstatiert Arndt Groth. "Angesichts der enormen Tragweite des geplanten Gesetzes wäre eine Verabschiedung grob fahrlässig."