„Gerade die deutsche IT-Wirtschaft wird durch die wirtschaftlichen Entwicklungen in eine Zange genommen“, meint darauf bezugnehmend Dr. Oliver Grün, Vorstand des VDEB Verband IT-Mittelstand e.V.. Dabei habe sich die IT-Wirtschaft in den vergangenen Jahren konsolidiert. Die Geschäftsmodelle seien nach den Börsenumwälzungen der Jahrtausendwende solider geworden. Etliche Anwendungen im Internet wurden profitabel. Laut IFO-Konjunkturtest berichteten die EDV-Unternehmen von einer zufriedenstellenden Geschäftslage der vergangenen sechs Monate.
Jetzt aber drohen die erreichten Erfolge im Strudel der verschlechterten Wirtschaftsentwicklung und der Finanzkrise unterzugehen. Die verschärfte Bonitätsprüfung trifft auf eine im internationalen Vergleich nach wie vor beunruhigend schmale Eigenkapitalausstattung kleiner und mittlerer Unternehmen gerade im IT-Sektor. Während die großen Globalplayer der IT-Industrie über genügend finanzielle Ressourcen verfügen, müssen die kleineren IT-Firmen fürchten, dass ihnen die Kredite für dringend benötigte Investitionen zu bisherigen Konditionen versagt werden.
„Die Kredite werden sich zwangsläufig verteuern“, erwartet auch Doris Dreyer, die in ihrem Tagesgeschäft mit dem Problem konfrontiert wird. Sie ist Geschäftsführerin des 1993 gegründeten, mittelständischen Software-Hauses FibuNet aus Quickborn, das Systeme für die Finanzbuchhaltung und das Controlling entwickelt. Die höheren Zinsen können für manches Projekt und sogar Unternehmen bei ohnehin scharfer Kostenkalkulation das Ende bedeuten. „Die Konzentration in der deutschen IT-Wirtschaft wird sich dann weiter fortsetzen, kleinere Unternehmen werden sterben, wie schon vorher zum Beispiel in der Foto- und Nahrungsmittelindustrie.“ Dadurch wiederum würde sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland vor dem Hintergrund einer verschärften globalen Konkurrenz in Zukunft verschlechtern.
„Es kann aber nicht sein, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) der IT-Wirtschaft jetzt für Fehler bezahlen müssen, die an anderer Stelle geschehen sind“, so Dr. Oliver Grün. Dies sieht auch Wirtschaftsminister Michael Glos ähnlich, der zur Wachsamkeit aufruft, um eine Kreditklemme für KMUs zu verhindern. Dies alleine aber sei nicht ausreichend, bemerkt Dr. Oliver Grün. Vielmehr gelte es jetzt endlich, die Rahmenbedingungen für die IT-Wirtschaft so zu justieren, dass ihre Krisenanfälligkeit reduziert werde. „Wir brauchen endlich eine an langfristigen Zielen orientierte Politik, die den Bedürfnissen des IT-Mittelstands gerecht wird“, erklärt er.
Dazu gehörten beispielsweise der Einsatz für offene Schnittstellen, Beseitigung von Bildungsbarrieren, die Bilanzierung immateriellen Vermögens und die Förderung von regionalen Netzwerken und mittelständischen Forschungsinnovationsclustern. „Die Bevorzugung großer Unternehmen durch die Politik gegenüber dem Mittelstand muss aufhören“, so Doris Dreyer. „Unternehmen wie Nokia gehen weg, wir bleiben vor Ort und schaffen Arbeitsplätze.“
Rolf Chung (4243 Zeichen inklusive Leerzeichen)