Daher sind verstärkte Rationalisierungsanstrengungen notwendig. Falsche Belegungspläne,unnötige Doppeluntersuchungen und eine mangelhafte Datenbasis für Diagnosen sind nicht länger tolerierbar. Ein wichtiges Instrument der Rationalisierung ist auch im Gesundheitswesen die Informations- und Kommunikationstechnologie (ITK). So erwartet das Markforschungsunternehmen IDC, dass die IKT-Ausgaben in Westeuropa 2009 um durchschnittlich 2,6 Prozent steigen werden. Damit entwickelt sich der Healthcare-Bereich gegen den makroökonomischen Trend. Diese könnte auch positive Effekte auf den IKT-Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen zeigen. Sind derzeit dort 135.000 IKT-Mitarbeiter beschäftigt, könnte die Zahl auch in diesem Jahr noch steigen. Eine erfolgreiche Optimierung der Gesundheitsprozesse greift letztendlich weit über das Ziel der Kosteneinsparung hinaus. Die Integration der Gesundheitswirtschaft über IT ermöglicht es dem medizinischen Personal nicht nur, mehr Informationen für Diagnosen zu gewinnen, sondern auch die Konzentration auf die Kernkompetenzen, die Pflege und Heilung von Menschen, so dass der Anteil der Zeit, den der Arzt bürokratischen Aktivitäten zu widmen gezwungen ist, hoffentlich sinken wird.
So begrüßenswert die Ziele sind, so kritikwürdig ist die bisherige Umsetzung der elektronischen Gesundheitskarte. Zentralistisch geplante IT-Projekte sind Lösungen von vorgestern und dienen nur den beteiligten Großunternehmen als Gelddruckmaschine. Rationalisierung darf nicht länger wie in der Vergangenheit als Einführung eines hierarchischen Systems verstanden werden, dass die Handlungsfreiheit der Anwender einschränkt und an den Bedürfnissen der Ärzte vorbeigeht. Offensichtlich muss an dieser Stelle eine Selbstverständlichkeit in das Gedächtnis zurückgerufen werden. Die Ärzte sind die Anwender. Sie sind in diesem Sinne zum Wohle der Patienten Kunden und können Kundenorientierung einfordern, denn sie sollen in Zukunft mit dem IT-System produktiv arbeiten. Deswegen darf es nicht an ihren Bedürfnissen vorbei entwickelt.
Dabei ist das technische Know-How zur Realisierung solcher Projekte gegeben. Agile Softwaremethoden bieten das Potenzial technische und soziale Probleme während des Entwicklungsprozesses im Blick zu behalten. Über Vernetzung und die Definition gemeinsamer Schnittstellen können die Beteiligten des Gesundheitssektors und die bestehenden verschiedenen IT-Systeme integriert werden und ein Prozessfluss über das gesamte Netzwerk initiiert werden. Dies ist gegenüber überdimensionierten Gesamtlösungen flexibler, zukunftsoffener und effizienter. Mit der Programmiersprache JAVA und der Java Virtual Machine sind leistungsfähige, plattformunabhängige Werkzeuge gegeben, die in der Lage sind, ungleiche Betriebssysteme und Server zu verknüpfen. Die Lösung wird so im Informationstransfer statt in der Datenzentralisierung gefunden. Siegfried Jedamzik vom Ärztenetzwerk Go In, ein Befürworter der medizinischen Telematik, hat im Interview mit Heise Online die richtigen Fragen aufgeworfen: "Wollen wir diese technische Infrastruktur? Wollen wir nicht eine regionale Medizin und eine regionale Datenhaltung haben?"
Dagegen ist es kritisch, eine Zwangsverpflichtung zur Online-Anbindung von Ärzten und Apothekern zu fordern, wie Sie der Vorstandsvorsitzende des Kassenverbandes VdEK, Thomas Ballast, fordert. Jetzt quasi mit der Brechstange eine offensichtlich gescheiterte Implementierung doch noch durchsetzen zu wollen, würde im Desaster enden. Es besteht die reale Gefahr einer doppelten Informationsstruktur bei dem die Anwender inoffiziell eine informale Organisation schaffen, weil die offizielle, formale Organisation ihren Anforderungen nicht gerecht wird und sie in der Alltagsarbeit belastet. Was im Bereich der Unternehmenssoftware ein erhebliches ökonomisches Risiko darstellt, kann im medizinischen Sektor die Gesundheit von Menschen gefährden.
Der Verband IT-Mittelstand versteht daher den Protest des Deutschen Ärztetags und der Freien Ärzteschaft. Möglicherweise ist nun die Zeit gekommen, sich neue Partner für das Projekt im IT-Mittelstand zu suchen, so dass die erschreckende Meinung von Prof. Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom, sich doch nicht bewahrheitet: "Die Karte wird jetzt primär aus politischen Gründen an den Start gehen, ökonomisch wird sie ein Minus-Geschäft sein, weil die freiwilligen Anwendungen, die das Ganze erst zu einem Gewinn machen würden, erst mal gar nicht mit dabei sind. Und zahlen müssen dieses Minus-Geschäft letztlich die Versicherten.