Die Softwareunternehmen Eola und I4i hatten gegen den Softwarekonzern aus Redmond wegen Patentverletzungen durch ActiveX im Webbrowser des Internet Explorers und XML-Kodierung bei Microsoft Word mit nicht unberechtigter Hoffnung auf Erfolg geklagt. Offensichtlich wird es für IT-Großunternehmen, die sich von der Legalisierung von Softwarepatenten eine Vergrößerung ihrer Marktmacht erwarten, trotz ihrer riesigen Rechtsabteilungen zusehends schwieriger das Haifischbecken zu kontrollieren, das sie selber mitgeschaffen haben. Aufgrund seiner Rechtsposition konnte i4i-Chairman Loudon Owe nicht ohne Süffisanz auf die Frage antworten, ob eine Einigung mit Microsoft angestrebt würde: "Microsoft ist im Moment zu groß für uns, um es zu kaufen." Im gleichen Geist wurde auch die Feststellung von Mike McKool, Anwalt der Firma Eolas Technologies, getroffen: „Einzelne Blogger haben von meinem Mandanten nichts zu fürchten. Es wäre wirtschaftlich nicht sinnvoll, gegen sie vorzugehen.“
Damit wird zum einen klargestellt, worum es bei Softwarepatenten geht; eben nicht um die Sicherung des technischen Fortschritts wie manche naiv behaupten, sondern gemäß dem Motto „Money makes the world go round“ um Geld, welches weniger durch Innovationsstärke als durch clevere Patentierungsstrategien verdient wird. Zum anderen wird die Gefahr für jeden Entwickler und jedes mittelständische Softwarehaus offenbart, denn diese werden in Zukunft von Gnaden der Patentinhaber abhängig sein, auch wenn es sich dabei um Patent-Trolle handelt. Diese kaufen Patente um Lizenzansprüche zu erwerben, ohne eine eigene Innovation entwickelt zu haben. Es schwebt ein Damoklesschwert über ihren Köpfen, das jederzeit herunterfallen kann, denn anders als der Konzern Microsoft, welchem vor 30 Jahren zweifelsohne mit dem Betriebssystem MS-DOS eine bahnbrechende Innovation gelang, aufgrund derer seitdem beständig neue Kapitalrücklagen entstehen, sind kleine und mittlere IT-Unternehmen (KMUs) nicht in der Lage sich mittels Scheckbuchdiplomatie freizukaufen. Da dieser Ausweg versperrt ist, wird die Innovationsfähigkeit der mittelständischen IT-Wirtschaft auf das Schärfste gefährdet.
Nun ließe sich einwenden, dass diese spektakulären Fälle sich auf den nordamerikanischen Rechtsraum beziehen. Seit im Juli 2005 das Parlament der Europäischen Union (EU) mit großer Mehrheit gegen die Richtlinie zur Patentierbarkeit „computerimplementierter Erfindungen“ stimmte, können die Gegner von Softwarepatenten den Schlaf der Gerechten schlafen. Das dies allerdings ein fataler Irrtum ist, wird an verschiedenen Stellen deutlich.
Zunächst kann es nicht gleichgültig sein, wenn sich bei einem politischen Schwergewicht wie den U.S.A. eine positive Haltung zu Softwarepatenten durchsetzt. Schon über das TRIPS-Abkommen (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) wurde im Zeitalter der Globalisierung versucht, deren Zulässigkeit auch in Europa durchzusetzen. Dies ist nicht der einzige Ansatz und wird nicht der letzte Versuch sein, der in diese Richtung unternommen wird. Wie “The Pan European ICT & eBusiness Network for SMEs” (PIN-SME) mit Hauptsitz in Brüssel dem Verband IT-Mittelstand auf einer Strategiebesprechung mitteilte, laufen derzeit in der EU-Kapitale weitgehende Lobbyaktivitäten, um unbemerkt von der Öffentlichkeit doch noch das Rad zurückzudrehen und eine verklausulierte Richtlinie pro Softwarepatente durchzusetzen.
Einhergehend mit dieser Aktivitäten lassen Meldungen aufhorchen, in denen Behörden sich politische Entscheidungskompetenzen anmaßen. „Das britische Patentamt passt seine Vergaberegeln rund um "computerimplementierte Erfindungen" weiter der umstrittenen Praxis des Europäischen Patentamtes (EPA) an“, berichtete beispielsweise Stefan Krempl für die C’t. Damit reiht sich das britische Patentamt in die Gesellschaft des Münchener Patentamts und seiner unrühmlichen Vergabepraxis ein. Die ungerechtfertig Einflussnahme von Behörden beschränkt sich allerdings keineswegs nur auf diesen Bereich. Dem Verband IT-Mittelstand wurden Fälle mitgeteilt, in denen IT-Unternehmen von Behörden aufgefordert worden, zur Begutachtung ihrer Anträge zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben eine Softwarepatentrecherche durchzuführen. Mit dieser Vorgehensweise sollen offensichtlich Tatsachen geschaffen und die Normalität von Softwarepatenten im öffentlichen Bewusstsein durchgedrückt werden. Ob dies aus Unkenntnis der Sachlage geschieht oder ob hier eine versteckte Strategie auf Administrationsebene besteht, ist derzeit unklar.
Der Verband IT-Mittelstand sagt hier jedenfalls deutlich „Nein“. Wir brauchen zur Sicherung des Wirtschaftsstandort Deutschland, zur Förderung des technischen Fortschritts und der Innovationsdynamik nicht mehr Patentanwälte und Patentenbeamte, auch wenn dies ehrenwerte Berufsstände sind, sondern Softwareentwickler und kreative Unternehmer. Dr. Oliver Grün, Vorsitzender des Verband IT-Mittelstand und als Vorstand der GRÜN Software AG mittelständischer Unternehmer, hat diese Auffassung anlässlich eines Expertenhearings zur Globalisierung beim Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) in Berlin deutlich artikuliert. Die Stellungnahmen der ebenfalls anwesenden Verbandsvertreter des Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) zu dieser brennenden Frage bestand in Stillschweigen. Wie denn auch, seit der Veröffentlichung ihres „Leitfaden zur Patentierung computerimplementierter Erfindungen“ 2007, eines Ratgebers, in dem Punkte wie „Aktive Lizenzierungsstrategien“ und „Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Patentverletzern“ behandelt werden, wird das Thema vom größten deutschen IT-Verband gemieden. Wieso wohl? Befürchtet dieser etwa, dass sich seine mittelständischen Mitglieder fragen, weshalb sie mit ihren Mitgliedsbeiträgen ein Politik finanzieren, mit der ihnen die Geschäftsgrundlage entzogen werden soll und sie sich also ihr eigenes Grab schaufeln.
Dagegen setzt der Verband IT-Mittelstand auf aktives Engagement gegen Softwarepatente.
Der Verband IT-Mittelstand fordert daher alle kleineren und mittleren IT-Unternehmen in Deutschland, die die Notwendigkeit erkennen, sich gegen Softwarepatente einzusetzen, sich an der Fachgruppe „(Keine) Softwarepatente“ des Verband IT-Mittelstands zu beteiligen.
Des Weiteren spricht der Verband IT-Mittelstand eine Einladung an alle kleineren und mittleren IT-Unternehmen aus, sich an einer Befragung zu beteiligen, mit der das Meinungsbild unter diesen eingeholt werden soll, um die Ergebnisse der Politik zu präsentieren. Aufgrund der Brisanz des Themas ist eine vorhergehende Anmeldung zur Umfrage erforderlich. Diese kann über die E-Mail keinesoftwarepatente@vdeb.de durchgeführt werden.