TOP-Fachkräfte müssen nicht noch an der Tankstelle jobben
Dem Bundesverband geht es darum, KMU-Betriebe von der mehr als erdrückenden Abgaben- und Steuerlast zu entlasten, mit dem Ziel mehr Netto vom Brutto für die Beschäftigten zu erreichen. Das würde funktionieren, wenn Überstunden bis zu 520 Euro über die bestehende Regelarbeitszeit hinaus möglich sind. So können wir unsere Leute mit ihrem Know-How in den Betrieben halten und sie hielten nicht noch nach anderen Jobs Ausschau, um mehr dazuzuverdienen. Ich erinnere mich noch an ein Zitat eines Metallunternehmers auf der Handwerksmesse. Er sagte: „Es kann doch nicht sein, dass meine TOP ausgebildeten Fachkräfte bei mir 40 Stunden ableisten und danach ihren Verdienst aufbessern, indem sie an der Tankstelle Zigaretten verkaufen“. Die aktuelle politische Diskussion geht gerade in die völlig falsche Richtung und am Mittelstand vorbei. Darum fordere ich abgabenfreie Überstunden für unsere Mitarbeitenden. Dieser Punkt ist aktuell auch im Zwölf-Punkte-Papier der FDP enthalten.
Forderung, Überstunden abgabenfrei zu machen
Derzeit ist die Ampel-Koalition dabei, bis Juni einen Plan zu erarbeiten, der Deutschland wieder ins Wachstum bringen soll. Aber bitte nicht, ohne uns zu hören. Ich möchte unseren Vorschlag zu den abgabenfreien Überstunden in Berlin gehört wissen. Jetzt hat Finanzminister Christian Lindner vorgelegt, nur Überstunden von Vollzeit-Beschäftigten steuerfrei zu machen. Die SPD und Gewerkschaften laufen dagegen Sturm mit den unterschiedlichsten Argumenten. Lindner schlägt vor, eine begrenzte Anzahl von Überstunden von der Lohnsteuer zu befreien sowie hier beschäftigten ausländischen Fachkräften in den ersten drei Jahren ihrer Erwerbstätigkeit einen Steuernachlass zu gewähren. Aber das kann nicht alles sein.
Vorschlag nur für Vollbeschäftigte greift nicht umfänglich
Paradox ist, dass trotz einer anhaltend schwachen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Jahr 2023 insgesamt 46,2 Millionen Personen erwerbstätig waren. Das ist Rekord. Allerdings war die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden so niedrig wie noch nie. Die Gründe liefert das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): sehr hoher Krankenstand, wenige Überstunden und eine Rekordzahl bei den Teilzeitbeschäftigten. Das geleistete Arbeitsvolumen war um 0,8 Prozent geringer als 2019 und wurde von 1,5 Prozent mehr Erwerbstätigen erbracht.
Wesentlicher Grund ist der Trend zur Teilzeit: Die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten (39 Prozent) Seite | 2 stieg um 1,6 Prozent und damit weit stärker als die der Vollzeitbeschäftigten mit 0,4 Prozent. Sehen muss man auch, so wie es das Handelsblatt in einer seiner jüngsten Ausgaben schreibt, dass sich die tariflich vereinbarten Arbeitszeiten in den vergangenen zwei Dekaden trotz kräftig gestiegener Löhne kaum geändert haben. Im Jahr 2022 arbeiteten Vollzeiterwerbstätige effektiv 40,4 Stunden und damit eine Stunde weniger als vor 30 Jahren. Gleichzeitig verdoppelte sich der Anteil der in Teilzeit Beschäftigten, was die durchschnittliche Wochenarbeitszeit spürbar sinken ließ.
Leute und Know-How im Betrieb halten
Den individuellen Wünschen nach mehr Freizeit könnte die Regierung begegnen, indem sie Anreize setzt, um Arbeit im Vergleich zur Freizeit attraktiver zu machen. Ein Ansatz wäre, wie wir es bereits formuliert haben, die Differenz zwischen Brutto- und Nettoeinkommen zu reduzieren. Weitere Schritte könnten Steueranreize für ausländische Fachkräfte, eine steuerliche Förderung für Unternehmen, die ältere Menschen beschäftigen oder eine an die Inflation angepasste Einkommensteuer sein. So aber wird sich der Arbeits- und Fachkräftemangel noch verschärfen. Die Standardparole „Leistung muss sich wieder lohnen“ lässt sich da angesichts komplexer demografischer und gesellschaftlicher Unwuchten, steuerlicher und sozialversicherungstechnischer Belastungen nicht so einfach so umsetzen. Auch hier möchte ich wieder das Handelsblatt heranziehen, das schreibt: „Was der deutschen Volkswirtschaft wirklich helfen würde, wären Reformen mit dem Ziel, den Rückgang des Arbeitsangebots zumindest zu stoppen oder besser diesen Trend gar umzukehren. Für solch mutige Reformen braucht es Konsens zwischen den Regierungspartnern – anstatt Provokationen, Misstrauen und Dauerstreit.