„Es ist wirklich toll, wie viel Aufmerksamkeit unser Projekt durch den Deutschen Normteile Award erhalten hat. Wir hoffen, dass der Verein EAGLE (European Association of Global Lecturing ENT e.V.), der die Gelder für die OP Mikroskope sammelt, dadurch noch mehr Unterstützung erhält“, so Jakob Prechtl, Geschäftsführer der Engineering Prechtl GmbH. In diesem Sinne unterstützt der Augsburger Softwarehersteller CADENAS den Verein und beteiligt sich, über das Preisgeld des Deutschen Normteile Awards hinaus, zusätzlich mit einer Spende von 2.000 Euro. Darüber hinaus stellen zahlreiche CADENAS Kunden, wie igus und MISUMI, Komponenten nicht nur digital via www.partcommunity.com zur Verfügung, sondern spenden diese Teile auch real.
Ein echtes Leichtgewicht, das überall zum Einsatz kommen kann
Das weltweit einzigartige, transportable OP Mikroskop zeichnet sich im Gegenzug zu herkömmlichen Geräten durch sein geringes Gesamtgewicht von nur 12 kg aus. Es kann somit unkompliziert von Ärzten zu ihren so genannten „Outreach“ Einsätzen in abgelegene Gebiete transportiert werden. Das OP Mikroskop ist ganz ohne Werkzeug in nur 5 Minuten einsatzbereit und kann dank einer patentrechtlich geschützten Klemmvorrichtung sowohl an die Seitenschienen von OP Tischen als auch an jede gewöhnliche Tischplatte montiert werden. Darüber hinaus funktioniert es unabhängig vom Stromnetz.
Von einer exotischen Idee hin zur Wirklichkeit
Die Idee für die Entwicklung des Mikroskops erhielt Jakob Prechtl im Jahr 2010 durch den befreundeten HNO Arzt Dr. Biesinger: „Er erzählte mir von seinen Erfahrungen bei einem Arbeitsaufenthalt im Rahmen eines Charity-Einsatzes im südostasiatischen Myanmar. Für einen Routineeingriff benötigte er dort ein Vielfaches der üblichen Zeit und musste die Patienten hohen Risiken aussetzen, weil ihm das erforderliche medizinische Gerät nicht zur Verfügung stand. Am allermeisten fehlte ihm aber ein sicher funktionierendes OP Mikroskop für die filigranen Eingriffe im Mittel- und Innenohr. Er träumte daher von einem „Reisemikroskop“, das er künftig selbst mitbringen könne.“
Das Ingenieurbüro Prechtl Engineering war zuvor vor allem auf die Konstruktion und Entwicklung von größeren Maschinen sowie Werkzeugmaschinen spezialisiert. Die Idee mit dem OP Mikroskop beschreibt Prechtl als eher exotisch: „Zu diesem Zeitpunkt waren wir im Bereich Medizintechnik noch gar nicht aktiv. Als erstes haben wir ein gebrauchtes OP Mikroskop ersteigert, dieses komplett zerlegt und dessen Funktionen genauestens studiert. Anschließend haben wir uns überlegt, wie wir diese Funktionen auch in einer Miniaturausgabe realisieren können.“ Bereits 2011 begleitete er mit dem ersten Prototyp des „Reisemikroskops“ im Gepäck ein Ärzteteam auf ihrem Workshop nach Myanmar und konnte die ersten Einsätze des Geräts live überwachen und mitverfolgen.
Seither kommt das transportable OP Mikroskop im HNO-Bereich bei Eingriffen im Mittel- und Innenohr sowie bei Kehlkopf-Operationen zum Einsatz. „Das allererste Cochlea-Implant Myanmars wurde mit unserem Mikroskop eingesetzt. Dabei wurde einem gehörlosen Menschen wieder zum Hören verholfen“, berichtet Jakob Prechtl stolz. Darüber hinaus verwenden Augenärzte das Gerät vorwiegend für Katarakt-OPs, dem sogenannten „Grauen Star“. Bisher wird das OP Mikroskop in den Regionen Afrikas (Ghana, Togo, Nigeria, Uganda, Tansania, Ruanda, Sambia) und Asiens (Georgien, Bangladesch, Bhutan, Myanmar) sowie Ozeaniens (Papua-Neuguinea) eingesetzt.
Auch Dr. Biesinger ist begeistert von dem transportablen OP Mikroskop: „Es ist mir bei jeder Operation eine Freude, mit diesem Mikroskop zu arbeiten und auszubilden. Nicht nur wegen der einzigartigen Praktikabilität, sondern weil diese herausragende Innovation bereits für so viele Menschen in armen Ländern Gehör und Augenlicht wiederbrachte oder gar lebensrettend war. Ich danke den Menschen hier in Europa, die diese Entwicklung und unseren damit verknüpften Verein European Association of Global Lecturing ENT e.V. (www.eagle-ent.org) unterstützen. Und so wünsche ich mir, dass unsere nachhaltige Tätigkeit weiterhin durch ausreichende finanzielle Unterstützung Fortsetzung findet.“
Meist arme Patienten profitieren von Preisvorteilen durch Einsatz von Normteilen
Ärzte und Organisationen, die das transportable OP Mikroskop oftmals in entlegenen Regionen der Erde einsetzen, um dringende Ohr- oder Augen-OPs durchzuführen besitzen meist nicht die nötigen Mittel, um das Gerät zu beschaffen. „Von Anfang an war klar, dass das Mikroskop ein Nischenprodukt ist und nicht in größerer Serie produziert wird. Damit fiel der Einsatz von meist teuren Fertigungsteilen weg. Wir mussten die Bauteile möglichst einfach und preiswert gestalten und die benötigte Anzahl geringhalten. Es war eine Gratwanderung, so viele Funktionen wie möglich mit Katalogteilen und Normteile zu realisieren, ohne Zugeständnisse an Gebrauchstauglichkeit und Design zu machen“, beschreibt Prechtl den Entwicklungsprozess. Katalogteile spielen beim OP Mikroskop daher eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus können Verschleiß- bzw. Ersatzteile durch den Einsatz von Normteilen weltweit kurzfristig beschafft werden.
Weitere OP Mikroskope werden dringend benötigt
Mit einem transportablen Operationsmikroskop wird hoffentlich auch in Kürze der Augenarzt Dr. Waimbe Wahamu seine Patienten in den abgelegenen Orten der Highlands von Papua-Neuguinea besser versorgen können. „Als einziger Augenarzt in diesem weitläufigen Gebiet ist er für mehr als eine Millionen Menschen zuständig. Da sein Hospital das Geld für das OP Mikroskop nicht aufbringen kann, sammelt der Verein EAGLE derzeit Spenden für das ca. 10.000 Euro teure Gerät“, so Jakob Prechtl.
Weitere medizinische Hilfsmittel bereits in Planung
Jakob Prechtl steht mit vielen Ärzten und Organisationen, die das OP Mikroskop einsetzen, auch nach der Auslieferung des Gerätes in Kontakt: „So habe ich die Möglichkeit, bei technischen Schwierigkeiten möglichst schnell zu helfen. Des Weiteren bekomme ich stets wichtige Rückmeldungen und Feedback über mögliche Verbesserungen und Optimierungen.“ Auf diese Weise kam Prechtl auch die Idee, einen portablen Ständer „Floor Stand“ für das OP Mikroskop zu entwickeln. Da die Befestigung an einem Tisch nicht immer hundertprozentig gelingt, soll es für das Mikroskop in Kürze als Zusatz noch den Floor Stand geben, der in zwei Ausführungen zur Verfügung stehen wird: eine Basis Version für den permanenten Einsatz in einer Klinik sowie eine leichtere Version, die auf Außeneinsätze mitgenommen werden kann.
Mit diesem Projekt zeigt sich, dass der bewusste Einsatz von Normteilen nicht nur für die Industrie zahlreiche Vorteile mit sich bringt, sondern auch, dass diese im Bereich der humanitären Hilfe zusammen mit cleveren Ideen und viel Engagement einen entscheidenden Beitrag leisten können. „Der Deutsche Normteile Award hat genau dieses Ziel: Der Wettbewerb soll aufzeigen, dass Normteile einen wichtigen Beitrag leisten können, innovative Engineering Ideen effizient in der Praxis umzusetzen. Darüber hinaus freuen wir uns, dass der diesjährige erste Platz an ein herausragendes humanitäres Projekt ging“, so Jürgen Heimbach, Geschäftsführer der CADENAS GmbH.
Jakob Prechtl wird in einem Vortrag auf dem 19. CADENAS Industry Forum am 7. & 8. März 2018 in der WWK Arena Augsburg sein spannendes Projekt näher vorstellen und über dessen neuesten Stand sowie die große Bedeutung von Normteilen im Engineering informieren.
Informationen zum Deutschen Normteile Award, über die weiteren Gewinner sowie alle eingesandten Projekte unter: www.deutscher-normteileaward.de.