Du hast mein Förmchen geklaut!
Ach, was wäre das Leben im Projektmanagement doch schön, wenn alles so laufen würde, wie man es sich ausmalt – oder auf dem Whiteboard aufmalt. Das gilt vor allem für agile Methoden wie Scrum: Kein Projektleiter, keine starren Prozesse, keine Meetings (sondern Events), kein Stress. Stattdessen ein agiles Team, das in hoher Eigenverantwortlichkeit handelt, in der Gruppe vorhandenes Wissen teilt und dieses ganz für den Nutzen der Stakeholder einsetzt.
Eine wilde Meute, die sich selbst reguliert und der ein 15-minütiger Daily Scrum genügt, um eingefangen zu werden und zum nächsten Sprint zu starten. Nun ja, du weißt ja selbst am besten, wie es dann in der Realität aussieht.
Uneinsichtige Stakeholder, mimosenhafte Entwickler, stolpernde Sprints und chaotische Events sind zwar zum Glück nicht die Regel – aber immer wieder ein passender Anlass für einen Kindergarten-Vergleich.
In diesem Sinne: Lass uns einfach mal spaßeshalber versuchen, Parallelen zwischen dem "Software Scrum-Team" und der "Regenbogen-Gruppe" zu finden!
Daily Scrum – der Morgenkreis
"Sooo, dann beruhigen wir uns mal und setzen uns zum Morgenkreis hin!" Kinder brauchen Strukturen und Rituale, die den Tag für sie einteilen und bei denen sie Halt finden, wenn es einmal zu hektisch und fordernd wird. Wer Parallelen zu so manchem Entwickler sieht, darf wissend vor sich hin nicken.
Daily Scrum und Morgenkreis sind inhaltlich gar nicht so unterschiedlich: Entweder, es wird darüber gesprochen, was heute für ein Wochentag ist und wie er sich in den Jahresablauf einfügt – oder darüber, was heute für ein Projekttag ist und wo wir im Projekt- oder Sprintverlauf stehen.
Und wer daran teilnimmt, erzählt, wie es ihm gerade so geht und was er heute noch vorhat. Das Geburtstagskind als König oder Königin des Tages darf im Morgenkreis natürlich nicht vergessen werden. (Notiz an dich: charmante Idee, Krönchen besorgen!)
Der Morgenkreis im Kindergarten ist ein wiederkehrendes Ritual, das:
- wegen der kurzen Aufmerksamkeitsspanne der Teilnehmer knapp gehalten wird.
- dazu dient, das Gruppengefühl zu stärken.
- den Einzelnen Gelegenheit gibt, über ihre nächsten Schritte zu sprechen.
- siehe oben :-)
Sprint – der Bauklötzchenturm
Ein ungeordneter Bauklötzchenhaufen, der vor dem Mittagessen zu einem prächtigen Turm werden soll: Was für ein tolles Bild für ein wirklich anspruchsvolles Projekt! Wären die Kinder, die das bunte Chaos zu ihrem architektonischen Manifest machen wollen, keine Kinder, sondern Mitglieder deines Scrum-Teams, so würden sie gemeinsam:
- festlegen, was eigentlich gebaut werden soll.
- ausmachen, wie das geschehen soll.
- nach dem Turmbau in einem Review prüfen, ob der Turm so wie erwartet aussieht.
- in einer Retrospektive besprechen, wie ein Turm in gleicher Höhe beim nächsten Mal vor dem Mittagessen fertig werden kann.
Weil aber Kinder und keine Scrum-Teammitglieder den Klötzchenbautrupp bilden, werden sie … äh, nun ja, wohl etwas ganz Ähnliches tun. Nur ohne Fachbegriffe.
Impliziertes Wissen – das größere Kind
Zur Idee von Scrum gehört auch, dass in einem interdisziplinären Scrum-Team Mitarbeiter aufeinandertreffen, die über eine hohe Qualifikation verfügen. Weil sie nicht von starren Arbeitsanweisungen ausgebremst werden, entwickeln sie selbstständig Strategien zur Zielerfüllung.
Dabei wird (durch Interaktion sowie regen Gedanken- und Erfahrungsaustausch) auch impliziertes Wissen weitergetragen. Das ist, wenn wir es wieder sprichwörtlich auf unser Kindergarten-Niveau herunterbrechen, kaum etwas anderes, als wenn kleinere Kinder von den Größeren lernen – ganz intuitiv. Weil ihnen geholfen wird, weil sie adaptieren oder auch einfach nur nachahmen.
Scrum Master – der Erzieher
"Hilf mir, es selbst zu tun": Der Grundgedanke der Montessori-Pädagogik beschreibt eigentlich ganz gut die Fähigkeiten, die ein Scrum Master mitbringen sollte. Er gibt den Rahmen und die Regeln vor, beseitigt Störungen und ist mehr Coach als Chef. Den Rest überlässt er im großen und ganzen der Gruppendynamik und greift möglichst selten lenkend ein.
Nun wäre es zwar ganz falsch, die Aufgaben eines Erziehers oder einer Erzieherin im Kindergarten so stark zu vereinfachen. Nicht ganz falsch ist aber sicher die Behauptung, dass ein guter Scrum Master weniger ein Vorgesetzter als vielmehr ein Vorbild sein sollte und dass man für das Fordern und Fördern eines agilen Gedränges (engl. "Scrum") durchaus erzieherische Fähigkeiten mitbringen sollte.
Stakeholder – Eltern, Erzieher und …?
Wie das Scrum-Team, haben es auch die Kinder aus unserer Regenbogen-Gruppe mit mehreren Interessensträgern zu tun: Die Eltern als Stakeholder erwarten zum Beispiel, dass das gesunde Pausenbrot nicht mit einem Schokoriegel getauscht wurde und die Jacke nicht schon wieder ein Loch bekommt.
Die Erzieher und Erzieherinnen erwarten unter anderem, dass der Daily Scrum (aka "Morgenkreis") einigermaßen zivilisiert abläuft. Damit unterscheiden sich die Erwartungen zwar von jenen der für dich typischen Stakeholder wie Kunden, Anwender oder Management. Aber hüben wie drüben ist mit Sanktionen zu rechnen.
Aber, und jetzt kommen wir dann doch zu einem Unterschied im Vergleich zu deinem Team: Im Kindergarten sind die Kinder ihre eigenen Stakeholder. Deren Erwartungshaltung definiert das oberste Ziel ihres Projekts, und sie ist so eindeutig wie absolut unverhandelbar: jede Menge Spaß haben!
Kein Fazit? Keine Link-Liste?
Nö. Diesmal nicht. Der Autor hat sich von der Scrum-typischen Unbedarftheit unserer Vergleichsgruppe anstecken lassen und einfach mal einen PM-Artikel aus Spaß an der Freud' geschrieben. Wer's aber genau wissen will: Als Quelle für alle Scrum-Inhalte diente der entsprechende Wikipedia-Artikel.