Was hat sich im Projektmanagement verändert? Und wie geht’s weiter?
Wie die meisten anderen Bereiche in der Arbeitswelt, hat sich auch das Projektmanagement in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Dabei konnte es, vielleicht sogar noch mehr als andere Bereiche, von Digitalisierung und Automatisierung profitieren – sofern PMOs, Teams und Projektleitende gewillt waren und sind, die IT-geprägte Zukunft des Projektmanagements mitzugestalten.
Was hat die Digitalisierung dem Projektmanagement eigentlich gebracht? Und in welche Zukunft führt uns die neue Projekt-Welt? Heinrich Drügemöller, Senior Projektmanager und Geschäftsführer der iatrocon GmbH, wirft einen Blick zurück und wagt einen Ausblick. In seinem Gastbeitrag gibt Drügemöller, der über mehr als 35 Jahre Projekterfahrung verfügt, einen Überblick über den Status Quo und zeigt auf, wo der PM-Weg hinführen kann.
Die gute alte Zeit?
“Früher war alles besser!” – wirklich? Ich würde sagen: Früher war alles anders, und manches davon war vielleicht wirklich besser. Oder, man hatte zumindest den mit damaligen Mitteln bestmöglichen Zustand erreicht. Zumindest war das immer mein Bestreben in der Zeit von 1985 bis 2020, als ich für diverse Unternehmen Projekte durchführte. Und das in unterschiedlichsten Konstellationen: angestellt, als Dienstleister mit eigenem Team oder als Programm-Manager / Projektmanager. Die Projekte haben mich durch zahlreiche Branchen mit unterschiedlichen Themen geführt – Schwerpunkt waren aber IT-Themen in einem technischen Umfeld. Während dieser dreieinhalb Jahrzehnte änderten sich die besagten Mittel, also sowohl die Methoden bzw. Vorgehensweisen als auch die Tools, frappierend.
So wurden zu Beginn meiner Laufbahn Projekte noch ohne PC, Handy, E-Mail und Videokonferenzen durchgeführt. Selbst heute alltägliche Office-Anwendungen waren zunächst kaum verfügbar. Die vorherrschenden Arbeitsmittel waren Papier, Tischrechner, Festnetztelefon, Rechenschieber, Zeichenbrett – und Faxgeräte natürlich, für die moderne und schnelle Kommunikation. Doch so archaisch und umständlich die früheren Werkzeuge aus heutiger Sicht auch anmuten: Schon damals entwickelten sich Organisationen, Regelwerke und Standards, um Projektmanagement-Methoden nachhaltig zu harmonisieren und einheitlich abzubilden.
Exkurs: Beispiele für Projektmanagement-Organisationen und -Methoden
Die Standardisierung ist eine – aus meiner Sicht – bedeutende Errungenschaft für das Projektmanagement: Sie schafft einheitliche Abläufe sowie Strukturen und optimiert damit auch international kooperierende Teams. Projekte und ihre Effizienz werden dadurch vergleichbar. Schließlich ermöglichen es Zertifizierungen, die Qualifikation von Projektmanager:innen sowie ihren Teams objektiv nachzuweisen – und sie bestmöglich einzusetzen.
Eine der ältesten PM-Organisationen ist IPMA (International Project Management Association), die als Dachverband derzeit etwa 70 Mitgliedsgesellschaften vereint. Sie wurde 1965 gegründet. Das zentrale Sekretariat befindet sich in den Niederlanden.
Die heute führenden Projektmanagement-Methoden waren lange Zeit nicht verbreitet oder veröffentlicht. Erst 1987 wurde vom PMI (Project Management Institute) ein erster PMBOK® Guide veröffentlicht, der inzwischen in seiner 7. Edition 2021 vorliegt.
Im April 1989 wurde PRINCE® (Projects In Controlled Environments) vorgestellt. PRINCE® wurde regelmäßig auch außerhalb von reinen IT-Umgebungen angewendet. Aus der Erkenntnis heraus, dass PRINCE® für alle Arten von Projekten verwendet werden kann, wurden einige Vereinfachungen vorgenommen und die Methode im Oktober 1996 als PRINCE2® veröffentlicht.
Weitere Standards im agilen Bereich, die heute in aller Munde sind, waren zu Beginn meiner Arbeit für Projekte noch nicht definiert oder beschrieben. Dazu gehören z.B. Scrum, das Scaled Agile Framework® (SAFe®) oder das Hybride Projektmanagement.
Zurück in die Achtziger
Maßgeblich für den Erfolg von Projekten in 80er Jahren waren die Seniorität und Erfahrung des Projektleiters, die Kompetenzen seiner Mitarbeitenden sowie das Vertrauen des Managements in das Projektteam. Aufgaben waren zudem, zumindest gilt das für den IT-Bereich, nicht so umfangreich und komplex wie heute. Für komplizierte und komplexe Großprojekte gab es in den 1980ern die ersten Netzplan-Programme auf Großrechnern, die z.B. beim Bau von großen Chemieanlagen, Kernkraftwerken oder Produktionsanlagen im Automobilsektor zum Einsatz kamen. Ganze Bürowände wurden mit Projektplänen „tapeziert“, und nur wenige Experten waren in der Lage, diese Pläne zu erstellen und nachfolgend zu interpretieren. Die Daten für diese Netzpläne wurden von zahlreichen Projektmitarbeitenden erarbeitet und auf Papier zusammengetragen. Dafür wurden entsprechend große Teams benötigt. Die Projektmitarbeitenden saßen meist gemeinsam in den damals modernen Großraumbüros – von Remote Work war natürlich noch nichts zu sehen.
Wenn ich persönlich in diese Anfangszeit des Projektmanagements zurückblicke, habe ich den Eindruck, dass man sich damals mit weniger Funktionalität zufrieden gab. Die vorhandenen Funktionen reichten aus, den Betrieb zum Beispiel in der Lohnabrechnung und Buchhaltung sicher zu stellen. Sogar komplexe Berechnungen in der Mechanik, Thermodynamik oder Physik ließen sich mit der verfügbaren Technik durchführen und lieferten qualifizierte Ergebnisse. „Gefühlt“ waren die Projekte erfolgreich.
Heute ist vieles besser!
Machen wir einen Sprung in die heute Zeit: Wir finden uns in einem völlig veränderten Projektumfeld wieder. Technisch hat sich die Welt im Projektmanagement extrem verändert. Mitarbeitende können von allen Orten der Welt aus im Projekt zusammenarbeiten. Videokonferenzen, Mail und Projektmanagement-Tools machen dies möglich.
Auch methodisch gibt es heute keine Mängel oder Defizite mehr. Ganz gleich nach welcher Methode ein Unternehmen arbeitet, jede der Methoden eignet sich. Unterschiede in der Arbeitsweise (und damit in der Wahl der Methodik) ergeben sich durch die Projektart, die Unternehmensbranche oder auch durch Präferenzen in den Projekt-Teams. Persönlich habe ich in diversen Unternehmen Projekte zum Beispiel nach:
PMBOK® Guide
PRINCE2®
IPMA
Scrum
durchgeführt. Zu den hier genannten Methoden gibt es umfangreiche Zertifizierungsprogramme und entsprechende Literatur. Die Methoden helfen den Projektmitarbeitenden, strukturiert an die jeweilige Aufgabe im Projekt heran zu gehen. Ich selbst habe die Zertifizierung nach PMI® und Prince2® erfolgreich durchlaufen.
Doch obwohl standardisierte Methoden, hochqualifizierte Mitarbeitende und weitestgehende Digitalisierung heutzutage ideale Rahmenbedingungen schaffen, sind noch längst nicht alle Projekte erfolgreich. Zwei Beispiele aus meiner Arbeit in jüngster Vergangenheit zeigen die Hintergründe.
Beispiel 1: Viel hilft nicht immer viel
Ein Internationales Unternehmen arbeitet nach PMI® und hat für die Prozesse und Schritte entsprechende Templates auf MS Office-Basis erstellt. Die erste Herausforderung für den Projektleiter bestand darin, sich in den vielen Templates zurecht zu finden, da es bei kritischen Templates (zum Beispiel bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit) mehrere Varianten gab. Es war in der Menge der Templates nicht möglich, sich einen Überblick zu verschaffen und das jeweils passende zu finden. Diese Landschaft aus Templates, die PMI® unterstützten, hat dazu geführt, dass ein Projekt formal richtig dokumentiert war – inhaltlich jedoch totale Schieflage aufwies. Man hatte im Datenvolumen einfach den Überblick verloren. Viele Daten in den Templates mussten zudem von Hand in ein weiteres benötigtes Template übertragen werden. Das PMO hatte nur das Vorhandensein der Templates, nicht aber deren Inhalt geprüft. Die inhaltliche Prüfung oblag Lenkungskreis / Steering Board, die aber nicht die Zeit aufbrachten, sie im Detail durchzuführen. Auch mit dem erstellten Projektplan hatte sich niemand auseinandergesetzt, und Ressourcen wurden separat in Excel verwaltet. Eine Steuerung der Aktivitäten war somit nicht möglich. Und weil auch das Reporting nicht korrekt funktionierte, wurde die Schieflage des Projekts viel zu spät erkannt.
Learnings:
Weniger ist mehr. Die unüberschaubare Zahl von Templates ist abzulösen. Optimal wäre auch der Einsatz eines dedizierten Projektmanagement-Tools, welches Ressourcen und Risiken transparenter macht und dabei den Projektfortschritt nachvollziehbar dokumentiert. So, wie es zum Beispiel Can Do mit seiner KI-Engine und einem eigenen Algorithmus für Projekt- und Risikomanagement kann.
Beispiel 2: Störungen, Risiken, Prioritäten und andere Probleme
Ich hatte die Aufgabenstellung, ein MES-Projekt (MES, Manufacture Execution System), welches zeitlich in Verzug geraten war, zu übernehmen. Das Projekt lief zu dem Zeitpunkt der Übernahme bereits seit mehr als 1 ½ Jahren. Bei Projektübernahme hatte die erste Realisierungsphase 2 Monate Verzug. Die gesamte Projektsteuerung wurde mit Excel durchgeführt. Nach Abschluss der Projektübernahme war meine erste Tätigkeit, Ursachenforschung zum Projektverzug zu betreiben. Es stellt sich folgendes heraus:
Das Topmanagement hatte 3 Monate nach Start in den Realisierungsplan eingegriffen und die Prioritäten grundsätzlich verändert. Dieser Eingriff hatte massiven Einfluss auf Ressourcen und Teilziele.
Die Realisierungsplanung war dennoch nicht angepasst worden. Das Unternehmen verfügte nicht über Projektmanagement-Prozesse, und es wurde keine Methode verfolgt. Standards für die Realisierung von großen IT-Projekten waren ebenfalls nicht vorhanden.
Auch standen intern keine ausreichenden Ressourcen zur Verfügung, und die IT-Ressourcen waren zudem in vielen anderen Aufgaben eingebunden. Es gab eine größere Zahl von Projekten mit der Priorität 1, die ebenfalls bereits über zu wenig Ressourcen klagten.
Das Projekt anzuhalten und einige der genannten Defizite abzustellen, wurde als Option nicht in Betracht gezogen. Das zur Verfügung stehende Budget wurde genutzt, um durch externe Ressourcen die größten Mängel zu beheben. Es wurde ein Projektplan erstellt und vollständig manuell gepflegt. Ein weiter fehlender Abgleich der Ressourcen mit dem Portfoliomanagement hat die Ressourcensituation insgesamt nicht verbessert. Hinzu kam, dass vom Top-Management wiederholt Priorisierungen geändert wurden, die direkten Einfluss auf die Projektarbeit hatten. Für das Projekt wurde ein Risikomanagement eingeführt. Aufgrund der identifizierten Risiken und deren Auswirkungen wurde im Lenkungskreis / Steering Board berichtet. Im Portfolio selbst wurde Risikomanagement nicht aktiv betrieben.
Learnings:
Als wesentliche Quelle von Fehlern oder Fehlentscheidungen wurde das Portfoliomanagement identifiziert, da keine klaren Prioritäten und Risiken zu den einzelnen Projekten verwaltet wurde. Da darüber hinaus kein transparentes Ressourcenmanagement betrieben wurde, sind die Projekte sehr oft unter falschen Rahmenbedingungen gestartet. Als erste Maßnahme wäre das Portfoliomanagement durch ein geeignetes Tool zu unterstützen sowie Prioritäten, Risiken und Ressourcen auf Portfolioebene zu managen. Ist dies stabilisiert, können weitere Schritte erfolgen.
Eine weitere Maßnahme, welche die Einführung eines Tools begleitet, sollte die Schulung und das Training der Mitarbeitenden zum Projektmanagement sein. Sind die Auswirkungen auf das laufende Projekt sehr groß, ist auch der Projektabbruch ein Alternative. Ein neues Projekt, besser auf die strategischen Ziele ausgerichtet, führt oft besser zum Erfolg. Bevor es soweit kommen muss, kann auch hier eine Software wie Can Do das Projektmanagement deutlich stabilisieren und verbessern: Can Do ist bis hin zu größten Portfolios fast beliebig skalierbar und ermöglicht die Ressourcenverteilung in Echtzeit sowie ein portfolioweites Controlling.
Wohin geht die Reise?
Digitalisierung schafft Daten – und wer diese am besten nutzt, kann sein Projektmanagement entscheidend verbessern. Nachdem wir in den letzten Jahren erlebt haben, wie das Projektmanagement zunehmend technologisiert wurde, haben es nun die Verantwortlichen und Mitarbeitenden in der Hand, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und alte Zöpfe abzuschneiden. Die Tools dafür sind bereits da, und ich denke, sie werden sich in den nächsten Jahren eher evolutionär weiterentwickeln. Es ist also noch nicht zu spät!
Der Zug des Projektmanagements rollt weiter in die Zukunft, und zu seinen nächsten Haltestellen gehören Entwicklungen wie Hybrides Projektmanagement oder die Nutzung Künstlicher Intelligenz. Jetzt liegt es an jedem PMO und an jede:r Projektmanager:in, ob man auf diesen Zug aufspringt …
Fazit
Sieht man sich die Arbeit des Projektmanagements zu Beginn meiner Laufbahn an und betrachtet sie mit dem heutigen Ist-Zustand, lässt sich festhalten: Die Arbeitsmittel haben sich verändert und die Möglichkeiten, Projekte zu optimieren, haben sich verbessert – aber damals wie heute liegt der Projekterfolg darin, dass die Mitarbeitenden in den Teams, die Stakeholder und die Projektleitenden die Tools, die sie zur Verfügung haben, projektdienlich einsetzen. Und leider hat sich bei so manchen Verantwortlichen der Hang zur irreleitenden Spontaneität ebenso erhalten wie bei manchen Mitarbeitenden die Meinung, dass sich jedes Projekt mit einem Tabellen-Sheet planen ließe …
“Haben wir schon immer so gemacht”: Dieser Satz ist seit jeher eine beliebte, aber auch demaskierende Ausrede, um sich Neuerungen zu verweigern. Wo er auftaucht, sollte er ergänzt werden durch “Und wenn es erfolgreich weitergehen soll, machen wir es ab sofort besser!”. Das gilt vor allem im sich stetig wandelnden Projektmanagement.
Über den Autor
Heinrich Drügemöller ist Senior Projektmanager und Geschäftsführer des Projektdienstleisters iatrocon GmbH. Er besitzt mehr als 35 Jahre Expertise in Projekten und über 20 Jahre Erfahrung in der Geschäftsführung von Unternehmen. Seine Branchenkenntnisse umfassen Versicherungen und Banken, Versorgungs- und Energiewirtschaft, Chemie, Pharmazie, Petrochemie und Verkehrslogistik. Er verfügt über die Zertifizierungen PRINCE2 (Projects in Controlled Environment), PRINCE2 Practitioner sowie PMI (Project Management Institute), PMP (Project Management Professional). Heinrich Drügemöller ist Gastautor für Can Do.