Doch im oberbayerischen Wallfahrtsort Altötting, wo sonst eher konservativ gebaut wird, betrat im Jahr 2006 das Planungsteam von RADIO-LOG mit dem Passauer Architekten Albert Koeberl Neuland, und baute erstmalig eine Strahlentherapiepraxis, in der Tageslicht auch in den Bestrahlungsräumen möglich wurde. Diese sind in den beiden metallisch beschichteten Zylindern untergebracht. Das Tageslicht fällt hier über einen teilweise begrünten Innenhof ein und wird über künstlerisch gestaltete Reflektorflächen in die Therapieräume gelenkt. Für die Patienten, die dort liegend mit hochmoderner Technik behandelt werden, wirkt dieser Kontakt zur Natur sehr wohltuend und beruhigend in der oft angst machenden, beklemmenden Bestrahlungssituation. Auf dieses Novum in der medizinischen Bauwelt hat der Betreiber, die Radiologie Passau Radio-Log einen Gebrauchsmusterschutz angemeldet. In den Bestrahlungsräumen sorgt außerdem Farblicht, das durch Farbwechsellampen in den Spanndecken erzeugt wird, für ausgleichende, beruhigende, ermutigende Stimmungen. Auch wird Musik eingesetzt, um Ängste und Beklemmungen zu reduzieren, die die wuchtigen Bestrahlungsgeräte auslösen können.
Schneckenförmige Umkleidebereiche als Loungen
Nicht nur die Bestrahlungsräume sind überaus innovativ, auch das Hauptgebäude in der Glashülle ist hochmodern in ein ausgeklügeltes Raumkonzept unterteilt, mit Eingangs-, Umkleide- und Aufenthaltsbereichen sowie Büros. Ausgeführt in einer einzigartigen Trockenbauweise mit wellenförmig geschwungenen, in sich gekippten, schräg gestellten Wänden in weichen Formen. Die zum Teil 3fach verwundenen Flächen verlangten den Trockenbauern alles ab - doch dafür gab es eine Auszeichnung für diese Sonderanfertigungen. Die schrägen Stützen, gekippten und geschwungenen Wände wirken sehr modern, unkonventionell dynamisch. Die Architekten beschreiben das gesamte Bauwerk als "bionischen" Baukörper, mit von der Natur abgeleiteten Bauformen. Alles ist licht und hell, abgerundete Ecken, weiche Kanten und Flächen prägen das Erscheinungsbild. Raumhohe Beleuchtungskörper aus weißem Textil wachsen wie Blütenkelche aus dem Boden und setzen zusammen mit den integrierten Halogenstrahlern in der Decke die gelben Wand- und Bodenflächen in Szene. Boden und Wände sind mit demselben Material Caparol Disbon 447 beschichtet, so dass fließende Übergänge entstehen: Der ganze Raum erscheint Gelb und wirkt wie eine wärmende, schützende Hülle. Die zweikomponentige Epoxidharzbeschichtung ist eigentlich für den Boden gedacht und wurde hier auch experimentell erfolgreich an den Wänden eingesetzt.
Die Farbgestaltung war ein Hauptbestandteil des neuartigen Konzepts
Für den Bauherrn, Dr. Stefan Braitinger, geschäftsführender Arzt bei RADIO-LOG, gehörte die Farbgestaltung ganz wesentlich zu seinem Konzept, eine einzigartige auf das Wohl der Patienten abgestimmte Praxis zu planen und zu bauen. Er wollte viel Helligkeit und Sonne in die Praxisräume holen, auch mittels Farbe. Die Farbe sollte Wärme ausstrahlen und optimistisch stimmen und so kam für ihn von Anfang an nur ein Gelbton in Frage - es sollte gleichzeitig ein warmes und auch frisches, zitroniges Gelb sein. Mit diesem Anliegen wandte sich der Mediziner an den Caparol-Außendienst-Mitarbeiter Günther Bruckmeier. Der erinnert sich: "Wir legten dann Musterflächen in Zusammenarbeit mit den Passauer Architekten Albert Koeberl und Andreas Gerlinger an. Es waren jede Menge verschiedener Gelbtöne, die wir ausprobierten, bis der exakte Farbton gefunden war. Je nach Lichtquelle erscheint das ausgesuchte Gelb eher kühl mit mehr grünlichen Anteilen, wie unter Leuchtstoffröhren, bis hin zu warmen Bereichen im Tageslicht oder unter Halogenleuchten." Auch nach zweieinhalb Jahren hat die Farbe noch eine enorme Strahlkraft. Die silbrig glänzenden Stützen, die mit Metallocryl Interior beschichtet wurden, bilden einen ausgleichenden Kontrast zur gelben Farbgestaltung. In demselben Silbergrau, jedoch in Metallocryl Exterior, wurden auch die Fassadenflächen der Zylinderbauten beschichtet. Alle Malerarbeiten führte der Fachverarbeiter Berthold Hagel, Malermeister & Energieberater im Malerhandwerk, Waldkirchen, aus.
Die Praxisgestaltung soll die Patienten ablenken und ermuntern
Die Umkleidebereiche sind als "Loungen" konzipiert und mit moderner Möblierung ausgestattet, und zwar nach bestimmten Themen. In der Lounge mit dem Thema "Sinne" laden Fühltafeln in verschiedenen Materialien wie Holz, Gewebe oder Metall, die an der Wand angebracht sind, zum Spüren und Tasten ein. Außerdem bekommt jeder Patient seine Lieblingsmusik in die Lounge eingespielt. Ziel ist, dass sich die Patienten wohlfühlen und abgelenkt werden, das heißt, sich mit etwas anderem, als Ihrer schweren Krankheit beschäftigen. Dies soll auch durch die außergewöhnliche architektonische Gestaltung des Gebäudes erreicht werden, so das Konzept von Dr. Stefan Braitinger und dem Architektenteam. Der Architekt Albert Koeberl erläutert dieses Konzept näher: "Architektur ist ein Dialogforum, sie soll die Heilung fördern. Die Räume müssen verblüffen, ablenken, ermuntern. Sie sollen die Patienten von ihrem Gedankenkarussel, das um ihre Krankheit kreist, abbringen. Wenn sie die gekippten Wände und Lichtstimmungen wahrnehmen, sind sie überrascht. Bei unseren Planungen steht der Mensch im Mittelpunkt, die Architektur dient als Dialog, kompetente und verlässliche Beziehungen sind die Basis". Immer neue, spannende Einblicke, Details und das gelungene Zusammenspiel von Form, Farbe und Licht machen das Gebäude zu einem Gesamtkunstwerk, bei dem es viel zu entdecken gibt.