Bereits im Jahre 1998 hatte die Städtische Wohnungsgesellschaft (STÄWOG) begonnen, eine Strategie für den Stadtumbau in Bremerhaven-Wulsdorf zu entwickeln. Ziel war es, das Gebiet als sozialen Brennpunkt zu entschärfen und stadträumlich besser an die umgebenden Einfamilienhaussiedlungen anzubinden. Im Rahmen dessen wurde zunächst zwölf der ursprünglich 25 Blöcke abgerissen. Parallel dazu entwickelte man für die verbliebenen Gebäude ein umfassendes Sanierungskonzept. So wurden an den bestehenden Mehrfamilienhäusern umfangreiche Verbesserungen vorgenommen, jedoch stets im Rahmen mittlerer Ausstattungsstandards, so dass die Mietsteigerungen für die Bewohner moderat blieben. Vor allem die neuen Dächer aus Eternit-Wellplatten führten bei sehr günstigen Kosten zu einer nachhaltigen optischen Aufwertung des Gebäudebestands. Ein weiterer, technisch wie gestalterisch wesentlicher Baustein des Projektes war die Fassadengestaltung.
Innovative Sanierung der Klinkerfassaden
Bei den in den 1970er Jahren entstandenen, geklinkerten Wohngebäuden entschied sich der Architekt Hans-Joachim Ewert zur teilweisen Erneuerung der bestehenden Fassaden mit einem WDVS-System von Caparol in Verbindung mit dem innovativen Stellfuchs-System der Firma Hilti. Die fünfgeschossigen Mehrfamilienhäuser wurden dabei nicht nur energetisch auf einen Niedrigenergiehausstandard hin ertüchtigt, sondern auch in ihrer gesamten Optik verändert. Insbesondere wurden die im Lauf der Jahre unansehnlich und brüchig gewordene Klinkerverblendungen in Teilen durch ein Wärmedämm-Verbundsystem ersetzt und anschließend verputzt. Zum Einsatz kam dabei ein modernes Wärmedämm-Verbundsystem von Caparol in Form der "Capatect Dalmatiner-Fassadendämmplatten mit Clean Concept". Dazu das bereits erwähnte "Stellfuchs-System" von Hilti. Letzteres besteht aus einer Kombination aus Rahmendübel und spezieller Dämmstoff-Wendel und ermöglicht die Befestigung auf nicht tragfähigen Wandoberflächen sowie auf problematischen, unebenen Wandflächen. Jedoch blieb aus gestalterischen Gründen das verklinkerte Mauerwerk im Bereich der Loggien, Treppentürme und in der Sockelzone erhalten - was zu einer reizvollen vertikalen Gliederung der Baukörper und einer interessanten Mischung aus flächigen Putzanteilen und kleinteilig gegliederten Klinkerflächen führt.
Farbgestaltung, Dächer und Putz als verbindendes Element
Ein weiteres zentrales gestalterisches Element bildete die Farbgebung der Gebäude. Die einheitliche Gestalt der Fassaden dient für Ewert nicht zuletzt als städtebaulich verbindendes Element, das die Zugehörigkeit der verschiedenen Haustypen zu einem Gesamtensemble unterstreicht. "Man hat heute nur ganz selten die Möglichkeit, solche Sanierungsaufgaben in städtebaulicher Dimension zu gestalten", sagt Ewert. Die Farbgestaltung wurde in Zusammenarbeit mit der Fa. Caparol und der Farbdesignerin Carmen Rubinacci mit dem Ziel entwickelt, eine bauliche und ästhetische Einheit in der Vielgestaltigkeit zu erzeugen. Ein heller, natürlich anmutender Fassadenton, der auf den vom Kunden vorgegebenen Hauptton abgestimmt wurde, steht kontrastreich zu den Klinkerflächen. Lichte Laubengänge komplettieren das zurückhaltend-feine Erscheinungsbild.
Die neue Fassade wird durch den großen Dachüberstand des neuen, flach geneigten Walmdachs wirksam geschützt. Vorher schlossen diese Häuser lediglich mit einer schmucklosen grauen Attikablende nach oben ab. Die Binder wurden so dimensioniert, dass ihr Untergurt rund einen Meter über die Dachkante hinausragt. In die Zwischenräume der im Meterabstand auf das Dach gesetzten Binder fügte man quadratische Kassetten aus hellem Holz ein. Sie machen die Untersicht des Daches zum Blickfang. Der Dachüberstand mit seinen dunklen Balken und den in ihre Zwischenräume eingefügten hellen Holzfurnierplatten gibt den Häusern, verglichen mit ihrer vormals reduzierten Form der "Flachdachklötzchen" eine individuelle und ungleich filigranere Wirkung. Die Unverwechselbarkeit, die das Gebäude auf diese Weise erhält, trägt aus Sicht der STÄWOG auch zur besseren Vermietbarkeit bei.
Mit dem "Stellfuchs" möglich: Mieterfreundliche Sanierung im bewohnten Zustand
Bevor man sich für die Fassadenlösung mit dem Stellfuchs entschied, hatte Hans-Joachim Ewert die Kosten seiner Planung mit denen einer für die konventionelle Fassadensanierung in zwei Arbeitsgängen - zuerst Vernadelung der kompletten vorhandenen Klinkerschale, dann Aufbringen eines konventionellen Wärmedämmverbundsystems mit nochmaliger Verdübelung gegen gerechnet. Dabei stellte sich heraus, dass im vorliegenden Fall das Stellfuchssystem günstiger war, da hier beide Arbeitsgänge in einem abgearbeitet werden und eine Reduzierung der sonst notwendigen 80.000 Bohrungen um rund die Hälfte erfolgte. Die gewählte Lösung erlaubte daher eine Sanierung im bewohnten Zustand. "Die Störung der Mieter hielt sich in Grenzen und dauerte nur kurze Zeit", sagt Ewert. Kosten und Aufwand für die Umsetzung der Mieter wären sehr groß gewesen und hätten große Unannehmlichkeiten für die Mieter bedeutet."
"Man muss den Einsatz des Stellfuchses gut detaillieren und an der richtigen Stelle einsetzen", sagt Architekt Ewert. Beim Stellfuchs-WDV-System werden bewährte PS-Hartschaumplatten mit Nut- und Federausbildung mittels mechanischer Befestigungstechnik vorgehängt. Der geniale "Dreh" ist die exakte Justierbarkeit der Fassadenplatten mit dem speziellen Montagelement. Dabei ist ein Ausgleich von unebenen Untergründen bis zu 50 mm Distanz möglich. Die Entkoppelung der Dämmschicht vom Untergrund hat entscheidende arbeitstechnische und wirtschaftliche Vorteile. Aufwändige Vorarbeiten wie Abschlagen oder Ausbessern der schadhaften Klinkervorsatzschale entfallen. Da das System ohne Kleber auskommt entfallen auch alle Probleme mit nicht klebegeeigneten Untergründen entfallen, selbst wechselnde Untergründe sind kein Problem mehr und können sicher überarbeitet werden. Durch die Trennung vom Untergrund und hohe Elastizität werden zudem mögliche Rissbildungen vermieden. Das System-Stellfuchs ist durch die Reduzierung von Lärm, Staub und Entsorgungsleistungen sehr sauber und trocken montierbar und daher auch sehr witterungsunabhängig. Alles in allem erwies es sich somit für diese spezielle Fassadensanierungsaufgabe "als ein umweltfreundliches und mieterverträgliches Instrument", so Ewert.
Qualitative Weiterentwicklung des Quartiers
Das Beispiel Bremerhaven-Wulsdorf zeigt, dass sich optimale Ergebnisse immer dann einstellen, wenn hinter einer Sanierungsmaßnahme eine klare Konzeption steht. Im vorliegenden Fall bestand diese aus der Kombination von Abriss, Modernisierung und Neubau. Die konstruktive Erneuerung ging hier also mit Maßnahmen zur architektonischen Aufwertung der Gebäude einher. So entstand ein optimales Zusammenspiel harter und "weicher" Kriterien - mit der Folge einer nachhaltigen Stabilisierung sowie einer qualitativen Weiterentwicklung des Wohnquartiers. Kein Wunder, dass sich auch STÄWOG-Chef Christian Bruns mit den Ergebnissen der Sanierung in Wulsdorf mehr als zufrieden zeigte: "Das Image des Quartiers hat sich erheblich verbessert, und die Bewohner sind stolz auf ihre neuen Häuser. In der gesamten Siedlung gibt es nur noch einzelne leere Wohnungen. Angesichts von vielen leeren Wohnungen in Bremerhaven ist das ein großer Erfolg", so sein Fazit.
Bautafel
Bauherr:
Städtische Wohnungsgesellschaft Bremerhaven, Geschäftsführer Dipl.-Ökon. Christian Bruns
Planung:
Dipl.-Ing. Architekt Hans-Joachim Ewert mit der Planungsabteilung STÄWOG
Tragwerksplanung:
Ing.-Büro Born + Gollücke; Dipl.-Ing. Rolf Gollücke
Stellfuchssystem:
Fa. Hilti, Dipl.-Ing. Alois Holzinger
Fassadensystemhersteller:
Fa. Caparol, Dipl.-Ing. Miklas Szöllösi
Fotos:
Bernd Perlbach Fotodesign
Fotostudio Penz