Komplettsanierung mit geringem Leerstand belohnt
Der Baukörper besteht aus zwei miteinander verbundenen Häusern und fällt durch die Vielgestaltigkeit der Architektur aus dem üblichen Rahmen. Die Außenwände sind als Dreischichtenplatten mit zehn bzw. 19 cm starker Tragschale, 5 cm dicker Wärmedämmschicht und 6-cm-Wetterschale aus Beton ausgeführt. Die Ortbetonwände des Erdgeschosses besitzen wie die Bauteile des Dachgeschosses keine Dämmung. Vor allem Witterungseinflüsse haben der Funktionsfähigkeit der Außenwandkonstruktion über die Jahre zugesetzt. So bildeten beispielsweise die undichten Fugen zwischen den Elementen Wärmebrücken, die zu Wärmeverlusten führten.
Das Wohnhochhaus in der Lichtenberger Schulze-Boysen-Straße gehört zum Bestand der HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft Berlin, die insgesamt rund 62.000 Wohnungen und Gewerbeeinheiten bewirtschaftet und die Komplettsanierung der überwiegend industriell errichteten Wohnsiedlungen nahezu abgeschlossen hat. Ausgaben von bisher mehr als einer Milliarde Euro stehen auf der Habenseite bezahlbare Mieten, geringer Leerstand und weitgehende Zufriedenheit der Mieter gegenüber. Im Ergebnis zielstrebiger Umsetzung seiner energieökonomisch orientierten Modernisierungsstrategie ist es dem Wohnungsunternehmen gelungen, den Anteil von Heizungs- und Warmwasserkosten an den Betriebskosten spürbar zu senken. Angesichts der allgemeinen Kostenentwicklung, so Geschäftsführer Bernd Kirschner, orientieren sich die Mieter immer stärker an den Energiepreisen. Wer den richtigen Zeitpunkt verschlafe, müsse künftig mit Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt rechnen.
Die Experten sind sich seit langem einig, dass im Bestand die größten Reserven für höhere Energieeffizienz und geringere Umweltbelastung stecken. Dem trägt ein von der Deutschen Energieagentur (DENA) initiiertes Modellvorhaben "Niedrigenergiehaus im Bestand" Rechnung, das auf die Senkung des Primärenergieverbrauchs von Wohngebäuden bis zu 80 Prozent abzielt. Zum Kreis der im Rahmen der zweiten Projektphase ausgewählten Gebäude gehört auch das Typenhochhaus der HOWOGE, das in deren Sanierungsbilanz noch ein offener Posten war und die Vorgaben für die Teilnahme erfüllte. Unter dem Strich soll die 8,5 Millionen Euro teure Sanierung einen genau definierten Zuwachs an Wohnkomfort und eine mindestens 30-prozentige Senkung des Primärenergiebedarfs gegenüber den Anforderungen der EnEV an Neubauten ergeben. "Von den geringeren Energiekosten profitieren wir als Unternehmen genauso wie die Mieter", weiß Kirschner.
Rechnung geht auf
Nach dem Sanierungskonzept des Unternehmens geht die Verbesserung des Wärmeschutzes einher mit dem Einsatz moderner technischer Erzeugungs- und Versorgungsanlagen. So eröffnet die Errichtung einer neuartigen Hausanschlußstation mit integriertem Blockheizkraftwerk (BHKW) dem Wärmemanagement ganz neue Möglichkeiten. Einzug hält auch die kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung. Dipl.-Ing. Gudrun Höfs, Projektleiterin in der Projektentwicklungsgesellschaft der HOWOGE, betrachtete die Komplettsanierung als eine Aufgabe, deren Lösung kreative Partner brauchte. Mit dem Ingenieurbüro für Projektentwicklung und Baubetreuung GmbH Berlin (IPB B), dem die Generalplanung übertragen wurde, hat das Wohnungsunternehmen einen solchen Partner gefunden.
Dem Doppelwohnhochhaus des Typs WHH GT 18/21 begegneten die Planer und Architekten nicht das erste Mal. Sie erhielten den Auftrag zu überprüfen, ob im Falle des Lichtenberger Wohnhochhauses eine Sanierung auf Niedrigenergieniveau wirtschaftlich vertretbar sei. Die Rechnung ging auf, die Mehrkosten hielten sich in engen Grenzen. Dipl.-Ing. Christian Böhler vom Projektmanagement hob hervor, dass die Sanierung des Gebäudes keinen Bereich ausgelassen und die Kombination von bau- und anlagentechnischen Maßnahmen in diesem Fall eine neue Qualität erreicht habe.
Gebäudehülle dick eingepackt
Die wichtigsten energetischen Einspareffekte gingen nach Böhler von der Wärmedämmung, Dreischeiben-Isolierverglasung und kontrollierter Wohnungslüftung aus, wobei er der Dämmung der Gebäudehülle einen hohen Stellenwert einräumte. Aus der Vielfalt des Marktangebotes galt es angesichts des repräsentativen Gebäude-Charakters ein System auszuwählen, dass von Funktion und Erscheinungsbild hohen Ansprüchen genügte. Zur Debatte standen u.a. System, Dämmstärke und Zulassungen. Als kompetenter Ansprechpartner in diesen Fragen hatte sich bei anderen Gelegenheiten Planer- und Objektberater Paul-Michael Karst von Caparol erwiesen. Er unterbreitete Lösungsvorschläge und empfahl die Berücksichtigung des Caparol Clean Concepts, das die Verschmutzungsneigung von Fassaden reduziert.
Bei der Ausschreibung der Dämmarbeiten hatte sich die Firma Rotech durchgesetzt. In Abstimmung mit Auftraggeber und Generalplaner fiel die Entscheidung zugunsten des mineralischen Capatect Wärmedämm-Verbundsystems mit einer zwölf Zentimeter dicken Dämmplatte aus Steinwolle in rötlicher Appretur (WLZ 035), die erst seit 2006 auf dem Markt ist. Der darauf aufgetragene mineralische Putz wurde entsprechend dem Clean Concept zweimal mit der Siliconharzfarbe Thermosan beschichtet.
Der Farbgebung liegt ein Entwurf von IPB.B-Farbgestaltern zugrunde. Er lockert die ursprüngliche vertikale Betonung durch horizontale Farbtonunterschiede auf. Eine stabile Sockelschutzplatte trägt der Forderung nach Nichtbrennbarkeit und Vandalismusschutz Rechnung. Die an der Fassade verwendeten Farbtöne werden im Innenbereich wieder aufgenommen.
Enge Zusammenarbeit: Basis des Erfolgs
Von vornherein legte das Ingenieurbüro Wert auf eine enge Zusammenarbeit von Verarbeiter und Caparol-Anwendungstechnik. So konnten durch Schulung und Anwesenheit vor Ort anfängliche Schwierigkeiten überwunden und eine gute Qualität der Ausführung gesichert werden. Gebrauch gemacht wurde auch vom Angebot des Herstellers, dem Verarbeiter mit einem Dübelplan die Montage der Dämmplatten auf knapp 10.000 m² Fassadenfläche zu erleichtern.
Das Capatect Wärmedämm-Verbundsystem hat nicht nur energetisch neue Maßstäbe gesetzt, sondern auch das Erscheinungsbild des Doppelhochhauses attraktiver gemacht. Projektleiterin Gudrun Höfs betont: "Wir möchten aufgrund unserer Erfahrungen Bauherren Mut machen, den Niedrigenergiehaus-Standard auch bei großen Wohnanlagen ins Auge zu fassen, weil die Mehraufwendungen im Verhältnis zum Nutzen gering sind." In Zahlen ausgedrückt: Von den 8,5 Millionen Euro Baukosten entfällt nicht einmal ganz eine halbe Million auf die Sanierung mit Niedrigenergiehausniveau.
Wolfram Strehlau, Caparol