Eng aneinandergedrängte, farbenfroh leuchtende Häuserfassaden, überragt von den trutzigen Mauern eines genuesischen Kastells, davor das azurblaue Meer - eine Traumkulisse, die das kleine Hafenstädtchen Portovenere an der ligurischen Küste dem Auge bietet. Nicht umsonst wurde die Ortschaft 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Eine Auszeichnung, die besonders das harmonische Zusammenspiel von Mensch, Natur und Architektur hervorhob. Eine Auszeichnung aber auch, die verpflichtet und die Gemeindeverwaltung wenig später veranlasste, für Portovenere einen historisch begründeten Farbplan erstellen zu lassen. Denn das, was für die meisten Besucher den Reiz des Ortes ausmacht, die Farbigkeit der hohen, schmalen Häuserfassaden, ist heute keineswegs mehr authentisch.
Alte Ansichtskarten zeigen, dass sich die Farbgebung in den letzten 60 Jahren zunehmend veränderte. Abhilfe versprach man sich von einem verbindlichen Farbplan, der aus dem Bestand und der Geschichte heraus exakte Richtlinien für den zukünftigen Umgang mit Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen erstellen sollte. Damit, so die Intention der Ratsherren, werde Portovenere wieder zur bewunderten, harmonischen Farbgestaltung finden. Als Partner für die Farbleitplanung agierte das Farbstudio von Caparol Italiana.
Umfassende Bestandsaufnahme
Den Start der Arbeit am Farbplan markierte die groß angelegte Analyse des Baubestandes. Zunächst wurden sämtliche Gebäude der historischen Altstadt vermessen und die Straßenansichten fotografisch erfasst. Nach der Aufteilung in zwei größere Bereiche erfolgte im nächsten Schritt die Bestandsaufnahme und Zusammenfassung derjenigen Häuser, die beispielhaft für eine einheitliche Fassadenfarbgebung stehen können.
Die eigentliche Farbermittlung und -definition erfolgte nach dem Mercuri 2000 genannten System von Caparol Italiana sowie mit Hilfe des internationalen CIELAB-Farbraumes. Fensterläden, Geländer und andere nicht zum eigentlichen Mauerwerk zählende Elemente wurden per RAL-Karte ausgemustert.
In monatelanger, akribischer Untersuchung kamen so insgesamt 117 exemplarische Farbtöne zusammen: 80 Töne für die Fassaden - vorwiegend traditionelle Gelb-, Rot- und Umbratöne - und 37 Farben für die anderen Elemente.
Eine eigene Farbkarte
Die Ergebnisse der historischen Befunduntersuchungen mündeten in eine umfassende Dokumentation. Die zeigt nicht nur die 117 identifizierten Farben, sie legt auch weitere, entscheidende Eckpunkte für Sanierungsfälle fest. Beispielsweise die Vorgabe, dass der Erhalt des Originalputzes absolute Priorität hat und Neuverputz aus Naturkalk zu bestehen habe. Für Beschichtungen wiederum sollen Kalkfarben, mineralische Farben oder Dispersionssilikatfarben nach DIN 18363 eingesetzt werden. Grundsätzlich untersagt sind Dispersionsfarben und andere filmbildende Anstriche.
Die Nuancierung der Farben erfolgt künftig nach den in der opulenten Dokumentation explizit dargestellten Töne - damit Portovenere wieder in den Farben seiner Vergangenheit erstrahlt und seine einmalige Identität bewahrt.
www.portovenere.com
Geschichte
Schon in vorchristlicher Zeit galt die Spitze der westlichen Landzunge, die in den Golf von La Spezia hineinragt, als geweihter Boden, denn hier erhob sich ein Tempel der Venus. Um 140 n. Chr. findet Portovenere erstmals Erwähnung als römischer Hafen. Ab etwa 1113 wird die kleine Ansiedlung von den Genuesen auf Grund ihrer strategisch günstigen Lage zu einem wichtigen Stützpunkt ausgebaut. Die Festung entsteht und - nach genauen architektonischen Vorschriften - die schmalen, hohen "Burg-Häuser" an der Meerseite, die gleichzeitig als Wohnungen und als Schutz vor Angriffen dienen sollen. Nach einem Brand 1340, dem der obere Teil des Dorfes zum Opfer fiel, beginnt der Verfall der genuesischen Kolonie. Portovenere verliert nach und nach an militärischer Bedeutung. Heute lebt die etwa 4.000 Einwohner zählende Ortschaft vorwiegend vom Tourismus.