Ein langer Tisch, viele Stühle mit gravitätischen Polstern, ein einsames Flip-Chart, vielleicht noch ein Beamer – der klassische Meetingraum war vor allem statisch und ein Ort der neue Ideen hervorbringen sollte, aber diese tendenziell eher erstickte. Die Zeiten solcher hierarchisch choreographierten Sitzbesprechungen sind glücklicherweise vorbei, spätestens seit dynamisches Agieren das unternehmerische Credo bestimmt, Ideen viel zählen und Konzepte schnell auf die Spur gebracht werden sollen. Dafür braucht es neue Meetingräume. Wie die aussehen, hat die DAW jüngst an ihrem Stammsitz in Ober-Ramstadt gezeigt. Im Verwaltungs-Altbau aus den 1970er Jahren wurde eine ganze Etage in eine zentrale Besprechungsebene verwandelt, mit flexiblen Strukturen und belebenden Farbstimmungen.
Aktivierend, inspirierend und flexibel
Nun ergänzt DAW die neue Meeting-Kultur mit der „KreativWerkstatt“ – im lichten Erdgeschoss des gleichen Gebäudes verortet ist dieser 175 Quadratmeter große, offene, multipel nutzbare Raum. Gedacht primär für interne Schulungen, für Workshops, für Teams, die sich hier temporär zusammenfinden, um gemeinsam Projekte anzuschieben. Also das, was gemeinhin als agiles Arbeiten gilt – oder noch klangvoller unter dem Label „Activity Based Working“ läuft. Letztlich braucht beides Räumlichkeiten, die universell strukturiert sind, um situationsbezogen anpassbar zu sein.
Genau diese Prämisse lag der Konzeption der „KreativWerkstatt“ zugrunde – aber nicht nur. Denn mindestens ebenso prominent war die Idee, so wenig neue Ressourcen wie möglich einzusetzen. Statt sich des großen Angebotes agilitätsfördernder Möblierungssysteme zu bedienen, die der Mark bietet, griffen die Planer*innen auf vorhandenes Material zurück, will heißen, auf ausgemustertes Mobiliar aus dem DAW-Fundus. Das Konzept, vom Darmstädter Büro POINT.Architektur in Zusammenarbeit mit dem Caparol FarbDesignStudio entwickelt, basiert auf der Wiederverwertung gebrauchter Elemente. „Im Vordergrund stand das Thema Ressourcenschonung“, so Sandra Düsterhus von POINT.
Sofort ins Auge fallen die ausgedienten Blechspinde aus der Fertigung des Unternehmens, sie dienen als „Ankerpunkte“ im Raum, wie die Planer*innen sagen. Im traditionellen Resedagrün mit Gebrauchsspuren belassen, dienen sie als Stauraum für all jene Utensilien, ohne die aktuelle Workshops nicht auskommen. Doch die Spinde sind nicht einfach so in den Raum gestellt, sondern verfeinert. „Reframe“ nennt sich das von POINT erdachte Prinzip, das im Jahr 2020 bereits zum Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert war. Konkret bedeutet das: Altes Mobiliar wird mit einem Rahmen versehen, somit visuell homogenisiert, aufgewertet. Im konkreten Fall wurden die Spinde, aber auch Zeichenschränke sowie ein massiver Tresor aus den 1960er Jahren mit rötlichen MDF-Siebdruckplatten umbaut. Auch die Tischplatten und die neue Teeküche, selbst die Einhausung des obligaten Feuerlöschers bestehen aus dem identischen Plattenmaterial. Wichtig: Alle Möbel sind mobil und damit je nach anstehender Nutzung passend im Raum platzierbar. „Die alten Elemente sind übrigens auch Identifikationsmomente für unsere Kollegen und Kolleginnen“, sagt Margit Vollmert.
Die Farbe als Klammer
Verleiht das Reframe-Prinzip der heterogenen Struktur bereits ein erkennbares Rückgrat, so unterstützt die Farbe genau diese Klammerfunktion. „Die Decken sind dunkel gefasst, damit die vielen technischen Elemente dort in den Hintergrund treten“, erläutert Margit Vollmert, Leiterin des Caparol FarbDesignStudios. Auch die Wände sind dunkel, treten zurück, der Boden zeigt sich in einem hellen, kühlen Grauton. „Wir erwogen lange, Unterzüge und Stützen gleich dunkel zu halten wie die Decke“, so Vollmert im Rückbklick. „Aber wir haben festgestellt, dass der Raum an produktiver Frische gewinnt, wenn man hier einen helleren und gesättigteren Farbton einsetzt.“ Gesagt, getan: Das Ergebnis ist ein kühles Grün, das eine interessante Verbindung zu den Spinden aufnimmt. Deutliche Farbakzente bringt wiederum eine Gruppe von Polstermodulen ein, die – neben der Küche – die einzigen neuen Elemente im Raum sind.
Ausgezeichnetes Konzept
Dass das Konzept aufgeht, zeigten die ersten Workshops mit durchgängig positivem Feedback der unterschiedlichen Nutzergruppen des Unternehmens. Und Sandra Düsterhus resümiert: „Das Konzept sollte prägnant und leicht verständlich sein, damit es als eine Art Prototyp einen großen Wirkungskreis erzielt.“
In dieser Hinsicht ist das Konzept bereits auf bestem Wege, erhielt es doch gerade den Iconic Award 2022 in der Kategorie Interior. Die Jury des vom Rat für Formgebung ausgelobten internationalen Preises betonte dabei die beispielhafte Umsetzung von Ressourcenschonung und Flexibilität.
Armin Scharf
Objektlegende
Bauherr: DAW SE, Ober-Ramstadt
Konzeption: Point.Architektur, Darmstadt; Caparol FarbDesignStudio, Ober-Ramstadt
Ausführung: Schneider Innen.Raum.Design, Miltenberg;