Und das ist gelungen, obwohl man sich in der ursprünglichen Baustellenphase nur schwer die fertigen Räume vorstellen konnte. Der optische Eindruck sollte überzeugend sein, soviel war klar. Denn eine gute Gestaltung und eine subtile Farbgebung vermitteln dem Patienten Feingefühl und Kompetenz. Da die Räume nicht nur für ärztliche Untersuchungen, sondern auch für kosmetische Behandlungen genutzt werden, sollte das Ambiente einfach passen. Der Wunsch lautete daher, eine Praxis mit hohem Designanspruch zu schaffen. Favorisiert wurde deshalb zunächst eine sehr klare, farbneutrale Schwarz-Weiß-Gestaltung.
Farbe als Wohlfühlfaktor
Nach einem Gespräch mit Innenarchitektin Andrea Girgzdies vom Caparol FarbDesignStudio verwarf Dr. Werner jedoch das ursprüngliche Konzept. Bei einem Vororttermin verschaffte sich die auf Innenraumkonzepte spezialisierte Fachfrau einen Eindruck von der Raumstruktur und erörterte mit dem Praxisteam die unterschiedlichen Nutzungen der einzelnen Funktionsbereiche. Hierbei wurden auch verschiedene Gestaltungsansätze mittels der Health & Care Mappen diskutiert. Die Farbvarianten aus den Mappen "Angstfrei" und "Regenerativ" fanden Zuspruch, weil sie den eigenen gestalterischen Intentionen am ehesten entsprachen. Die gezeigten Farbstimmungen in sehr hellen und zarten Nuancen dienten somit als Anregung für die individuelle Ausarbeitung des Farbkonzepts. Sie bewirkten gleichzeitig eine Abkehr der ursprünglichen Gestaltungsidee und führten zu der Erkenntnis, daß auch mit Farbe ein hoher Designanspruch erreicht werden kann.
In der Detailplanung von Andrea Girgzdies und Architektin Sybille Abel sind die unterschiedlichen Funktionsbereiche farblich differenziert gestaltet worden. Trotzdem zieht sich ein gestalterisch "roter Faden" durch die Praxis, denn Deckenflächen sind konsequent weiß und alle Hauptwände einheitlich in einem Cremeton (3D Ginster 25) gehalten. Eine Ausnahme bildet lediglich der Empfangsbereich. Weil hier der erste Eindruck zählt und der Empfang eine besondere Funktion zu erfüllen hat, ist eine hochwertige Spachteltechnik (ArteTwin) in cremeweißen Nuancen zum Einsatz gekommen.
Haute Couture für Oberflächen
Diese sogenannte ArteTwin-Technik zeichnet sich im Gegensatz zur klassischen Spachteltechnik durch eine stumpfere, matte Oberfläche aus. Unterschiedliche Farbtöne, hier Arte Twin Basic Weiß und ArteTwin 3D Ginster 55, werden zusammen auf eine Spezialkelle aufgebracht und aufgespachtelt. Mit einem Überzug in Silber erhält die Wandoberfläche einen eleganten Schimmer und zusätzlich auch einen widerstandsfähigen Schutz, der in einem stark frequentierten Eingangsbereich Sinn macht. Im Empfang und den übrigen Räumen wurde der cremige Grundton mit verschiedenen Akzentfarben- und oberflächen kombiniert worden, wodurch jeder Raum seine eigene individuelle Ausstrahlung erhält. Ein heller frischer Grünton (3D Mai 85, mit transparenter Arte-Lasur und der Zugabe von Perlatec Silber) bildet die Akzentoberfläche im Empfang.
Neben der hellgrünen Akzentfläche im Eingangsbereich kommen auch grüne, blaugrüne und rosa Akzentwände zur Ausführung. Im Behandlungszimmer ist der geschwungene Paravent, hinter dem sich Patienten aus- oder ankleiden können, besonders betont. Er ist formal auffällig und bietet sich für eine spezielle Akzentuierung an. Ein senkrecht gebürsteter Putzgrund mit einer metallisch glänzenden grünen Beschichtung (Metallocryl) setzt den Raumteiler in Szene. Das gleiche Material, in Blaugrün (3D Verona 80) gespachtelt aufgetragen, zeigt ein völlig anderes Oberflächenbild auf der Stirnwand im Büro des Arztes. Ein dezentes Rosa dominiert den Bereich Kosmetik/Allergie. Der Farbton 3D Rose 55 erhält durch eine glänzende DecoLasur mit etwas Perlatec Silber einen feinen, glänzenden Schimmer. Alle verwendeten Caparol-Wandoberfächen in den diversen Farben, Texturen, Glanz- und Schimmereffekten spiegeln dabei ein genauso vielschichtiges Bild wider, wie das der unterschiedlichen Hauttypen. Die Wände als Teil der Raumhülle umgeben uns wie die Haut den Körper.
Umgesetzt hat die dekorativen Innenwandoberflächen der Malerbetrieb Klaus Jürgen Pilzweger, Niedernberg.
Natürlich spielt auch der Boden eine gestalterisch wichtige Rolle. PVC-Beläge der Firma Tarkett wurden in allen Räumen verlegt. Ein dunkelgrauer Boden im Empfang vermittelt Sicherheit, weil er als eine optisch tragfeste Basis wahrgenommen wird. Der in Teilbereichen eingesetzte helle Boden in Kombination mit den rosa Wänden unterstützt das Zarte, Weiche, Verletzliche. Im Büro und Behandlungszimmer wirkt der blaue Boden klar, konzentriert und sachlich. So steht nicht nur die Wahl der Wand-, sondern auch die Bodenfarbigkeit in Verbindung mit den verschiedenen Funktionsbereichen und ergänzt die Farbgestaltung zusammen mit der Möblierung zu einem Gesamtkonzept.
Die formal klaren und stilvollen Einrichtungsgegenstände setzen sich hell oder dunkel von Wänden und Bodenflächen ab. Die raumprägenden Flächen plus die Einrichtung ergeben ein harmonisches Gesamtbild, das Leichtigkeit und Transparenz vermittelt. Das Ergebnis ist eine ungewöhnlich feine, zarte, weiche Farbstimmung, die durch zum Teil starke Kontraste aber auch fest, entschieden und bestimmt wirkt. Das Praxiskonzept beweist gleichzeitig, daß eine anspruchsvolle Raumgestaltung auch mit technischen Vorgaben und Hygienevorschriften in Einklang zu bringen ist, denn sogar der OP-Bereich wurde mit einbezogen. Das ganzheitliche Gestaltungskonzept spiegelt die Philosophie des Arztes wider und prägt maßgeblich die Praxisidentität - hier fühlen sich Praxisteam und Patienten gleichermaßen gut aufgehoben.
Martina Lehmann