Der Kongress der European Polymer Federation (EPF) fand in diesem Jahr nach längerer Zeit erstmals wieder in Deutschland statt. Der Einladung zum größten europäischen Treffen auf dem Gebiet der Polymerforschung folgten über 1.100 Wissenschaftler von Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus aller Welt. Dr. Christina Scheffler (Leibnitz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V. und Arbeitsgruppenleiterin "Faser-Matrix-Haftung") und Prof. Dr. Michael Heine (Universität Augsburg und Arbeitsgruppenleiter "Matrices") hatten bewusst diesen internationalen Rahmen für ihr erstes gemeinsames Arbeitsgruppentreffen am 25. Juni 2015 gewählt. Im Rahmen einer Parallelsession zum Kongress diskutierten sie mit über 40 Vertretern aus Wissenschaft und Industrie aktuelle Trends und Entwicklungen. Dabei ging es zum einen um neue Ansätze zur Faser-Matrix-Anbindung und um Methoden, die aussagekräftige Werte für die Messung und Charakterisierung dieser Anbindung liefern. Zum anderen wurden aktuelle Forschungs- und Entwicklungsergebnisse im Bereich der Matrices vorgestellt.
Prof. Dr. Heine fasste stellvertretend für beide Arbeitsgruppen die Beiträge in einem Positionspapier zum Thema "Zukünftige polymere Matrixsysteme für Carbonfaserverbund-Anwendungen" zusammen. Darin unterstrich er, dass einer breiten, industriellen Herstellung faserverstärkter Kunststoffbauteile noch technologische und wirtschaftliche Herausforderungen gegenüberstehen. So erfordert die Übertragung der Fasereigenschaften in den Verbundwerkstoff ein tiefgreifendes Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen der Faseroberfläche und dem Matrixsystem. Die Anpassung und Optimierung dieser Schnittstelle sowie die Sicherung einer reproduzierbaren Qualität des Verbundwerkstoffes sind derzeit große Herausforderungen. Darüber hinaus ist im Moment die Fertigung von carbonfaserverstärkten Bauteilen mit polymeren Matrices im Vergleich zur Verwendung von herkömmlichen Werkstoffen noch zu zeit- und kostenaufwendig. Ein Großteil der Kosten entsteht beim Konsolidierungsprozess, wenn das flüssige Matrixsystem mit der Faserarchitektur zusammentrifft. Um diese Kosten zu senken und die Fertigungsprozesse zu optimieren werden neue Werkstoffsysteme benötigt, die eine kürzere Prozesszeit ermöglichen und schneller aushärten. Derartige Matrixsysteme könnten somit direkten Einfluss auf die gesamte Wertschöpfungskette nehmen und bieten ein großes Potential für Prozessinnovationen.
Das große Interesse der Industrie, die Imprägnierungseigenschaften polymerer Matrixsysteme zu verbessern, bestätigt auch Dr. Scheffler. "Die heutige Diskussion hat gezeigt, dass die Ansätze im Bereich der in-situ Polymerisation vielversprechend sind und auch teilweise schon umgesetzt werden. Die Anforderungen an Matrixsysteme für die Serienproduktion von faserverstärkten Bauteilen, etwa für den Automobil- oder Luftfahrtbereich, sind jedoch sehr hoch und erfordern kontinuierliche intensive Forschungsarbeiten."