Die Chancen für faserverstärkte Werkstoffe in der Medizintechnik sind riesig. Noch grösser wiegen allerdings die Herausforderungen, was vor allem für den Einsatz von Composite-Implantaten gilt. Dies machte gleich zu Anfang der Veranstaltung Roger Stadler, CEO icotec ag, in seiner Keynote-Rede deutlich. Andererseits: das Potenzial ist gewaltig. Alleine der weltweite Orthopädiemarkt dürfte im laufenden Jahr die Umsatzmarke von 40 Mrd. US-Dollar überschreiten. Zudem handelt es sich um ein stabiles Geschäft, das hohe Margen verspricht und Arbeitsplätze schafft.
Doch so schön die Aussichten auch sein mögen, Composite-Implantate-Hersteller haben es trotzdem schwer. Der Markt ist konservativ und herkömmliche Werkstoffe – allen voran Titan – haben sich bereits seit längerem durchgesetzt. Gleichzeitig sind die Eintrittsbarrieren sehr hoch und vielseitig, der Markt komplex und die Entwicklung enorm kostenintensiv. Last but not least fehlt es der immer noch jungen Composites-Implantate-Technologie oftmals noch an entsprechenden Erfahrungswerten.
Composites-Anwendungen erleichtern Arbeit und Alltag
Ebenfalls mit einem grossem Potenzial ausgestattet, aber bereits einen grossen Schritt weiter, sind Anwendungen von Composites in den Bereichen der Orthopädietechnik und Patientenversorgung. Zum Beispiel wenn es darum geht, Patienten während einer Operation möglichst elegant und fein justiert zu positionieren und abzustützen. Was bei einer so genannten Patientenlagerung heutzutage alles möglich ist und welche Rolle dabei hochwertige Verbundwerkstoffe spielen, erörterte Markus Weber von Schaerer Medical. In den letzten Jahren enorm entwickelt hat sich auch die Orthopädietechnik. Elektronische High-End-Prothesen, Orthesen und Neurostimuliergeräte werden heute aus carbonfaserverstärktem Kunststoff gefertigt. Hans-Willem van Vliet, Geschäftsführer F&E der Otto Bock Healthcare Products GmbH aus Wien, schilderte hier auf eindrückliche Weise, wie Sportler mit Bein-Prothesen Spitzenleistungen erbringen oder Jogger über Geröll springen und durch Bachbette waten. Vielleicht nicht ganz so spektakulär, aber dafür in einem noch breiteren Anwendungsgebiet finden sich Faserverbundwerkstoffe in der Neuro-Orthopädie und in der Orthetik, wo es beispielsweise darum geht, einen Fuss zu stützen oder den Fortbewegungsablauf mittels eines Fusshebers zu erleichtern. Ein deutlich wachsendes Segment sei die Orthopädie-Schuhtechnik, so Philipp Gerrits, Leiter Orthopädietechnik der Schweizer Firma Orthotec AG. Gerade für Menschen, die im Alter aktiv bleiben möchten, Sport treiben und Wandern gehen, sei der Einsatz von Orthopädie-Schuhtechnik äusserst hilfreich.
Vorteile bei der Behandlung von Wirbelsäulentumoren
Wie sich herausfinden lässt, welches Material sich für die Herstellung von Bauteile am besten eignet, erörterte Vincent Revol, in seinem Referat. Revol beschäftigt sich bei der CSEM SA mit der Technologie zur Röntgenbildgebung. Das so genannte Phasenkontrast-Röntgen wird in der Entwicklung sowie unter anderem in der Qualitätskontrolle eingesetzt. Die Möglichkeit, regelmässige Überprüfungen vorzunehmen, ist insbesondere auch im Anschluss einer Tumorbehandlung wichtig. Experten und Wissenschaftlerinnen, die am CC-Schweiz-Symposium teilnahmen, waren sich zum Abschluss der Veranstaltung weitgehend einig, dass bei der Behandlung von Wirbelsäulentumoren CF/PEEK gegenüber anderen Materialien klare Vorteile aufweise. «Artefakte von Metallimplantaten erzeugen Unsicherheiten bei Planung, Durchführung und Nachkontrolle von Bestrahlungstherapien», unterstrich etwa Kurt Zoller, CEO Sitona AG, in seinem Referat. Als weiteren Vorteil nannte Ralf Klabunde, CTO icotec ag, in seiner Präsentation neben einer «ungestörten» Bildgebung, dass es bei der Verwendung von Carbon/PEEK kaum zu Weichteiladhäsion (Verwachsungen) komme, was etwa auch bei einer späteren Nachbehandlung eindeutig von Vorteil sei. Genau gleich argumentierte Robert Lange, CEO coLigne AG, der bereits seit über 20 Jahren Composite-Produkten zur Behandlung von degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen entwickelt und einsetzt. „Es gibt viele Hürden, die es auf dem Weg zum Composite-Implantat zu überwinden gibt. Doch dafür sind wir als Unternehmer da, um diese Hürden zu nehmen“, so Lange. Gute Erfahrungen gemacht mit der neuen Technologie hat Markus Rühli, Facharzt für orthopädische Chirurgie an der Klinik Hirslanden in Zürich. Seine Patienten haben auf Implantate mit Carbon-Schrauben klar positiv reagiert. Zudem vereinfache die Verwendung von Carbon die postoperative Beurteilung klar.
Veranstaltungspartner: MED engineering, Swiss Medtech Expo, Medical Cluster, SPECTARIS und Health Tech Cluster Switzerland.
Über CC Schweiz: Carbon Composites Schweiz (CC Schweiz) ist die Schweizer Regionalabteilung des Carbon Composites e.V. (CCeV) und wurde von der schweizerischen Kommission für Technologie und Innovation (KIT) als nationales thematisches Netzwerk gewählt. Der Fokus von CC Schweiz liegt auf der Förderung der Anwendung von Hochleistungs-Faserverbundtechnologien in der Schweiz und vernetzt dabei Forschung und Wirtschaft.