Christian Brensing spricht mit Herrn Vicente Leoz Argüelles, Leiter der Unit I-5 Europäische Kommission DG Enterprise & Industry, in Brüssel.
1. In verschiedenen Fachzeitschriften sind Artikel von einem führenden und international tätigen Hersteller von Dachbegrünungssystemen veröffentlicht worden, in denen behauptet wird, dass die Europäische Kommission gegen die CE-Kennzeichnung von Dränelementen für Dachbegrünungen ist. Ist die Europäische Kommission gegen CE-Kennzeichnung?
VL: Die Europäische Kommission ist der größte Befürworter der CE- Kennzeichnung. Diejenigen, die etwas anderes sagen, haben unsere Botschaft nicht richtig verstanden.
Die CE-Kennzeichnung ist ein Symbol unter der sogenannten "New Approach Directives", welche aussagt, dass das Produkt sicher ist. Nehmen Sie zum Beispiel ein Spielzeug: es kann nicht auf den europäischen Markt gebracht werden ohne die CE-Kennzeichnung. Die Kennzeichnung ist stellvertretend für die Sicherheit des Produkts, mit anderen Worten, Kinder können das Spielzeug ohne gesundheitliche Risiken nutzen.
Die CE-Kennzeichnung im Rahmenwerk der Europäischen Bauprodukten Richtlinie (CPD) ist anders zu bewerten, da Bauprodukte keine Konsumgüter sondern Zwischenprodukte sind. Was wirklich sicher sein muss, ist das Gebäude, die Brücke, nicht aber das Bauprodukt als solches.
Somit hat die CE-Kennzeichnung keine übergreifende allgemeingültige Bedeutung. Die CE-Kennzeichnung von Bauprodukten bezieht sich nicht auf die Sicherheit, sondern auf deren jeweilige Eigenschaften. Deshalb müssen Hersteller in der EU die Eigenschaften der Bauprodukte deklarieren, die sich auf die europäischen, harmonisierten Normen beziehen, d.h. sie alle benutzen die gleichen (harmonisierten) Prüfungen und Prüfverfahren. Alle folgen dem gleichen Ablauf wie in der CPD aufgeführt.
Bauprodukte werden in ein Gebäude mit einbezogen. Gebäude müssen wie gesagt sicher sein. Da die nationalen Behörden mehr auf die örtlichen Vorgehensweisen und Techniken achten und somit näher am eigentlichen Bauwerk sind, ist die Sicherheit eines Bauwerks die Aufgabe der nationalen Behörden.
Allerdings, wenn die nationalen Behörden die Eigenschaften von Bauprodukten festlegen, dann sollten sie auf den gleichen Bedingungen beruhen, wie die in der harmonisierten Norm erwähnten. Dies ermöglicht zum Beispiel einem spanischen Fensterhersteller, seine Fenster auf dem deutschen Markt anzubieten.
2. Fallen komplette Systeme oder so genannte Kits unter die CPD?
VL: Ja, Systeme, oder die Kits, fallen in die Definition von Bauprodukten. Falls es eine harmonisierte Norm gibt, die diese Kits mit einbezieht, dann können sie mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden. Es gibt allerdings einige Kits, wie Sie unter Bezug auf Dachbegrünungen erwähnt haben, die noch nicht unter eine harmonisierte Norm fallen. In diesem Fall kann sich der Hersteller mit einem solchen Kit um eine Europäische Technische Zulassung (ETZ) bewerben. Die CE-Kennzeichnung kann dann auf der Grundlage der ETZ erfolgen.
3. Wenn für eine Komponente eines Kits eine harmonisierte Norm vorliegt, müssen diese Komponenten dann separat über eine CE-Kennzeichnung verfügen oder ist es ausreichend, wenn ein solches Kit eine CE-Kennzeichnung trägt?
VL: Das hängt davon ab, wie diese Komponenten in den Verkehr gebracht werden. Wenn sie als Teil eines Kits in Verkehr gebracht werden, zum Beispiel ein Fensterprofil, dann muss dieses Profil keine CE-Kennzeichnung tragen. Aber wenn Sie ein Hersteller von Profilen sind und Sie diese Profile separat auf den Markt bringen, dann müssen die Profile die CE- Kennzeichnung tragen.
4. Noch einmal ganz genau, wenn das Kit auf den Markt gebracht wird und es gibt eine harmonisierte Norm für das Kit, dann muss eine CE- Kennzeichnung vorliegen?
VL: Ja, das ist korrekt!
5. Wenn die Komponenten eines Kits jedoch einzeln auf den Markt gebracht werden, müssen sie auch einzeln mit der CE Kennzeichnung versehen werden, aber nur, wenn eine harmonisierte Norm vorliegt?
VL: Das ist absolut richtig!
6. Die schon erwähnten Presseartikel über Dachbegrünungssysteme sagen aus, dass Dränagesysteme als Komponenten eines Dachbegrünungssystems keine CE- Kennzeichnung bekommen können, da es keine harmonisierte Norm für Dachbegrünungen gibt, obwohl es eine harmonisierte Norm für Dränagesysteme gibt!
VL: Dachbegrünungssysteme sind, wie Sie gesagt haben, nicht durch eine harmonisierte Norm gedeckt und somit können sie keine CE-Kennzeichnung erhalten. Allerdings kann der Hersteller eine ETZ beantragen.
In diesem besonderen Fall geht die Diskussion um Komponenten (z.B. Geotextilien und Geospacer), die in Dränagesystemen von Dachbegrünungen verwendet werden. Wir glauben, dass die besagten Komponenten zu der Kategorie von Dränelementen gehören, die in der harmonisierten Norm hEN 13252 "Geotextilien und geotextilverwandte Produkte - Geforderte Eigenschaften für die Anwendung in Dränanlagen" erwähnt werden. Daher sind wir der Ansicht, dass diese Komponenten dieser Norm unterliegen und somit CE-gekennzeichnet werden können.
7. In den Artikeln wird auch erwähnt, dass bestimmte Werkstoffe nicht auf Dauerhaftigkeit geprüft werden konnten, weil in der Norm hEN 13252 kein Prüfverfahren für diese Werkstoffe genannt werden. In dem Mandat jedoch las ich, dass Anforderungen an die Dauerhaftigkeit in dem Rahmenwerk gemäß dem aktuellen Stand der Technik (state-of-the-art) beurteilt werden müssen. Was ist damit gemeint?
VL: Zunächst muss ich Ihnen sagen, dass ich kein technischer Experte bin. Wie Sie wissen, werden die technischen Normen von den technischen Experten des Europäischen Komitees für Normung (CEN) auf Grund eines Mandats, welches sie von der Europäischen Kommission erhalten haben, ausgearbeitet.
Jedoch, was Sie sagen ist absolut wahr. Die Normen stellen für einige Werkstoffe harmonisierte Verfahren für die Bewertung der Dauerhaftigkeit zu Verfügung. Allerdings, für andere Werkstoffe haben die Experten kein harmonisiertes Verfahren gefunden, weil es sie anscheinend nicht gibt.
Für solche Werkstoffe kann der Hersteller ein Verfahren nach dem aktuellen Stand der Technik (state-of-the-art) nutzen. Diese Vorgehensweise wird Herstellern in der Norm selbst für solche Situationen empfohlen. Der Hersteller muss den Anwender jedoch ausdrücklich über das angewendete Verfahren für die Bewertung der Dauerhaftigkeit informieren.
Wir sind der Meinung, dass die Komponenten, die aus diesen anderen Materialien gefertigt sind, CE gekennzeichnet werden können und die Dauerhaftigkeit in den Begleitdokumenten ausgewiesen werden kann.
8. Der Anwendungsbereich der hEN 13252 wird nicht begrenzt auf die Werkstoffe die in der Norm genannt werden?
VL: Nach einer gründlichen Analyse der Norm und nach Diskussionen mit den technischen Experten vom CEN, die sich mit der Norm befasst haben, ist dies auch unsere Meinung. Wir gaben irrtümlicherweise zuvor eine leicht andere Interpretation.
9. Wann gaben Sie diese missverständliche Interpretation?
VL: Ungefähr vor einem Jahr, ich weiß es aber nicht mehr ganz genau. Aber, wie ich schon vorab gesagt habe, wir sind keine technischen Experten, und so glaubten wir den Experten von einer der betroffenen Parteien. Was wir von ihnen erfuhren, wurde wiederum von anderen Experten widerlegt, einschließlich des zuständigen CEN Technischen Komitee, das feststellte, dass diese Interpretation nicht genau der Norm folgt. Später schaute ich mir selbst die Norm an und merkte, dass die vorher abgegebene Interpretation nicht korrekt war.
10. In Deutschland hat ein führender Hersteller von Dachbegrünungssystemen im Februar 2010 eine Pressemitteilung veröffentlicht (die Sie jetzt vorliegen haben) und darin die Gültigkeit der DIN EN 13252 in Frage gestellt. Was halten Sie davon?
VL: Unserer Meinung nach ist die Mitteilung dieser Firma nicht korrekt. Sie ist nicht in Übereinstimmung mit der Norm. Zu Anfang waren wir gleicher Meinung, weil uns diese Firma einige Argumente lieferte, denen wir folgen konnten. Jedoch nachdem wir das genauer untersucht haben und nach Beratung der CEN Experten, sind wir nicht mehr dieser Meinung.
11. Der Nachfolger der CPD wird die so genannte Bauprodukte Verordnung (CPR) sein. Warum wurde diese neue Regelung vorgestellt?
VL: Das ist natürlich eine Frage, die wir uns auch stellen mussten, als wir den Antrag für die CPR stellten. Wir hatten drei Gründe dafür: Erstens, das Prinzip der CE- Kennzeichnung noch klarer darzustellen, da es unserem Empfinden nach nicht eindeutig war, z.B. der Unterschied in der Kennzeichnung von Bauprodukten im Vergleich zu Spielzeug.
So war unsere erste Intention, Klarheit zu schaffen. Der zweite Grund war, die Abläufe zu vereinfachen, um das Verhalten eines Produktes zu erklären. Der dritte Grund war die Glaubwürdigkeit des Systems zu verbessern. Wenn man Bauprodukte kauft ist es wahrscheinlich, dass man auf die CE- Kennzeichnung und ein nationales Qualitätssiegel, zum Beispiel KOMO in den Niederlanden, stößt. Die Menschen vertrauen der CE- Kennzeichnung offensichtlich nicht ganz und glauben, das nationale Siegel sei besser.
12. In der neuen CPR wird in die Erklärung der Produkteigenschaften eingeführt. Warum geschieht dies und was ist der Zweck?
VL: In Wahrheit ist dies schon das eigentliche Schlüsselkonzept, welches schon in der CPD enthalten war, aber dies ist in der Vergangenheit nicht richtig verstanden worden. Dies könnte der erste Punkt sein, den die neue CPR im Vergleich zur alten CPD richtig stellt. Das bedeutet, dass die CPR oder die CPD, zuallererst ein Informationssystem ist. Der Hersteller muss - oder nach unserem Verständnis könnte er, wenn er denn wollte oder es notwendig ist - die Anwender darüber informieren, wie die Produkteigenschaften sind. Dann ist die CE-Kennzeichnung nur ein Symbol, welches zum Ausdruck bringt, dass diese Erklärung der Produkteigenschaften durch die Anwendung der harmonisierten Norm und durch die Verfolgung der Abläufe, wie sie die CPR vorsieht, gewonnen wurde.
13. Am 25. May 2010 wurde eine politische Einigung über die vorläufige Regulierung der harmonisierten Bedingungen für Bauprodukte erreicht. Bedeutet dies das Ende Ihrer Arbeit?
VL: Nein, leider nicht (lacht), zumindest bedeutet es, dass die Arbeit aus der Sicht des Ablaufs gut vorangeschritten ist.
14. Wann erwarten Sie, dass die CPR in Kraft tritt und welche Hürden müssen noch genommen werden?
VL: Mitte bis Ende Januar 2011 wird die zweite Lesung erfolgen, zwei Monate später werden wir hoffentlich die Vorlage angenommen haben. So wird das Ganze zwei Jahre später rechtskräftig. Bis Mitte 2013 wird die CPR voraussichtlich in Kraft getreten sein. Wir erwarten dabei keine größeren Schwierigkeiten, aber es bedeutet immer noch ein gehöriges Maß an Arbeit.