Der Montagabend startete mit einem Thema, welches derzeit nicht nur den Mittelstand im Schwarzwald, sondern ganz Deutschland bewegt. Denn wie China – die Supermacht, wie sie Frank Sieren in seinem Vortrag nennt – unser Leben, unsere Politik und unsere Wirtschaft verändert betrifft jeden einzelnen von uns. So kamen über 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft am Campus Schwarzwald zusammengetroffen, um den Vortrag und die Podiumsdiskussion zu hören und sich anschließend bei einem Get-together mit den anderen Interessierten auszutauschen und zu vernetzen.
Innovation sei längst nicht mehr planbar, von dieser Utopie hätten sich die chinesischen Kommunisten bereits vor langer Zeit verabschiedet. Dafür haben Sie angefangen Cluster zu schaffen und mit Geld, Personal und Infrastruktur auszustatten, welche nun im freien Wettbewerb zueinanderstehen und versuchen, die beste Innovation zu entwickeln. „Das ist eine dramatische Veränderung und der Beginn eines Innovationsschubes, welcher zukünftig noch größeres Ausmaß annehmen wird“, warnt Sieren. Dieser Innovationsschub führe nämlich dazu, dass es für den Westen zunehmend schwieriger wird, die Spielregeln für die Mehrheit zu bestimmen. „Denn nicht nur China, sondern auch Asien, Südamerika und Afrika lassen sich nicht länger vom Westen in die eine oder andere Richtung zwingen“ so der geborene Saarbrückener, der seit 1994 in Peking lebt und arbeitet.
Den Chinesen werden eigene Innovationen immer wichtiger. So sind sie schon heute dem Westen in vielen Themen einen Schritt voraus. „Insbesondere das autonome Fahren wird das Auto und die Mobilität auf so dramatische Weise verändern, wie der Übergang vom Pferdefuhrwerk zum Fahrzeug mit Verbrennungsmotor“ prophezeit Frank Sieren in seinem 45-minütigen Vortrag.
Aber was bedeuten diese Veränderungen für Europa? „Europa ist nicht mehr wie einst in der Position, China Sanktionen aufzuerlegen. Denn diese funktionieren nicht mehr, da wir keine Mehrheit dafür finden. Wir müssen zukünftig mit unseren Werten überzeugen“, meint Sieren. „Früher hat uns der Tisch gehört, an dem die Werte der Weltordnung besprochen wurden und wir haben bestimmt, wer an diesem Tisch sitzen darf. Heute müssen vor allem die Europäer froh sein, wenn sie noch einen Platz an diesem Tisch bekommen. Und an diesem Tisch bekommen wir nur einen Platz, wenn wir wirtschaftlich stark sind“, motiviert der China-Experte.
Die Europäische Wirtschaft und Politik müsse einen Perspektivwechsel üben, um weiterhin wirtschaftlich stark bleiben zu können. Sie müssten zukünftig mit anderen Ländern zusammenarbeiten, gemeinsam neue Produkte entwickeln und sich auf die neuen Märkte sowie die globale Situation einstellen. Sieren warnt: “wir dürfen, wenn es um Innovationen geht, nicht mehr nur in das Silicon Valley schauen, sondern müssen mit der gleichen Intensität und Akribie auch nach Asien und China blicken.“
Damit meint der studierte Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Wirtschaft auch, dass China in jüngster Vergangenheit nicht nur einen wirtschaftlichen Wandel durchlaufen hat. Auch das Konsumverhalten der Chinesen habe sich verändert, was Ralf Dieter in der Podiumsdiskussion durch seine Erfahrungen bestätigt. Für Sieren ist der direkte Dialog mit China der Schlüssel für die deutsche Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Die anschließende Podiumsdiskussion hat den Zuschauerinnen und Zuschauern einen Einblick in den Berufsalltag mit China aus wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und politischer Sichtweise gegeben. Wie werden Beziehungen zu China aus- und aufgebaut, wie abhängig ist der Westen von internationalen Lieferketten, wie kann die Reziprozität erreicht werden, wie müsste eine Zeitenwende aussehen? Diese und viele weitere interessante Themen wurden in den 60 Minuten thematisiert. Ralf Dieter, Michael Lickefett und Frank Sieren haben aus dem Nähkästchen geplaudert und spannende Fragen, auch aus dem Publikum, beantwortet.
In seiner ehemaligen Rolle als Vorstandsvorsitzender der Dürr AG war Ralf Dieter regelmäßig in China und kann aufgrund der gemachten Erfahrungen sagen, dass, wenn man bereits eine Tochterfirma in China hat oder aufbauen möchte, diese möglichst autark sein sollte. Denn je selbständiger eine deutsche Firma in China ist, desto besser sei diese auf dem dortigen Markt aufgestellt und wird als solche wahrgenommen.
Michael Lickefett erlebt die Innovationsentwicklung in China als erfahrener Wissenschaftler, der für den Aufbau des Smart Manufacturing in Shanghai zuständig ist, als sehr vielfältig. Er kann nur jedem empfehlen der die chinesische Kultur in Ihrer Denkweise nachvollziehen möchte, einmal selbst nach China zu reisen, um zu verstehen, warum die Chinesen das, was wir Deutschen machen, ganz anders machen.
Das nächste Schwarzwandel Event findet im Frühjahr 2023 statt.