Holz ist das wichtigste Wirtschaftsgut des Schwarzwalds. Bei der Verarbeitung zu Möbeln und Baustoffen, aber auch beim Abbruch von Gebäuden fallen regional beachtliche Mengen an Holzabfällen an. Diese werden derzeit zum Teil kostenintensiv entsorgt und in Holzverbrennungsanlagen allenfalls energetisch genutzt.
Auf der anderen Seite gilt »grüner« Wasserstoff (H2), der mittels Elektrolyse von Wasser mit erneuerbaren Energien hergestellt wird, als Schlüsselelement der Energiewende. Der Bedarf an regenerativ erzeugtem Wasserstoff für eine klimafreundliche Wirtschaft in Industrie, Verkehr und Wärmeversorgung ist enorm. Deutschland und Europa setzen daher vor allem auf Wasserstoffimporte aus südlichen Ländern mit ganzjährig ausreichender Sonneneinstrahlung.
Seit August 2021 schlägt die Region Schwarzwald einen neuen Weg ein, der die Nutzung regionaler Holzabfälle mit der Herstellung von regenerativem Wasserstoff verbindet. »Nach dem Ansatz der Bioökonomie wollen wir mithilfe biotechnologischer Prozesse klimaneutralen Biowasserstoff sowie zusätzlich verwertbare Stoffe wie Carotinoide oder Proteine aus Altholz und Holzabfällen herstellen«, erläutert Dr. Ursula Schließmann vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, die das Verbundvorhaben »H2Wood – BlackForest« koordiniert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt zur Kreislaufwirtschaft regionaler Ressourcen in der Region Schwarzwald bis Mitte 2024 mit rund 12 Millionen Euro. Partner im Forschungsverbund sind neben dem Fraunhofer IGB auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, das Institut für industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF der Universität Stuttgart sowie das Centrum für Digitalisierung, Führung und Nachhaltigkeit Schwarzwald gGmbH (Campus Schwarzwald).
Kaskadennutzung von Holz ermöglicht Klimaneutralität
»Ziel der Initiative ist es, mithilfe eines umfassenden Konzepts für eine nachhaltige und innovative Versorgung des Schwarzwalds mit Biowasserstoff CO2-Emissionen einzusparen und die Region bei der Erreichung ihrer Klimaziele zu unterstützen«, führt Stefan Bogenrieder, Geschäftsführer von Campus Schwarzwald, aus. Kohlenstoffdioxid wird dabei auf zweierlei Wegen eingespart: Zum einen ersetzt der regenerative Biowasserstoff bisherige fossile Energieträger, zum anderen werden Rest- und Altholz nicht nur Wasserstoff liefern. Durch den neuen biotechnologischen Ansatz wird die energetische Verwertung der Holzabfälle zu Wasserstoff mit einer stofflichen Nutzung verknüpft. »Das aus dem Holz freigesetzte CO2 wird in Form von kohlenstoffbasierten Koppelprodukten gebunden und damit zurück in den natürlichen Kohlenstoffkreislauf geführt«, erläutert Umweltexpertin Schließmann.
Eine Wasserstoff-Roadmap für die Region Schwarzwald
Welche Mengen an Rest- und Altholz fallen im holzverarbeitenden Gewerbe und den Kommunen überhaupt an, wieviel Wasserstoff ließe sich daraus erzeugen und wie groß wäre das Einsparpotenzial an CO2-Emissionen? Diesen Fragen geht das Projektteam in Potenzialanalysen auf den Grund. Zugleich untersuchen die Partner, wie der erzeugte Wasserstoff am besten gespeichert, transportiert und genutzt werden kann. Denn Wasserstoff ist nicht nur flexibler Energiespeicher, sondern auch als Kraftstoff für Fahrzeuge, Brennstoff für Hochöfen und Brennstoffzellen sowie als Grundstoff für zahlreiche industrielle Prozesse und chemische Folgeprodukte einsetzbar.
»Hierzu analysieren und bewerten wir den Energieverbrauch der Industrie, der Haushalte sowie des Nah- und Fernverkehrs und leiten daraus Potenziale einer dezentralen Wasserstofferzeugung und -nutzung innerhalb der Region Schwarzwald ab«, sagt Dr. Erwin Groß vom Fraunhofer IPA. »Die Ergebnisse aller Erhebungen und Berechnungen fassen wir in einer Wasserstoff-Roadmap für die Region Schwarzwald zusammen«, so Groß.
Verfahren und Demonstrationsanlage zur Produktion von Biowasserstoff
Bislang existiert keine Anlage, die Biowasserstoff in größerem Maßstab herstellt. Am Fraunhofer IGB werden daher die dazu notwendigen Prozesse entwickelt und experimentell untersucht, bevor sie in einer integrierten Anlage am Campus Schwarzwald in Freudenstadt umgesetzt werden können. Der erste Schritt und Voraussetzung für die biotechnologische Umwandlung ist die Vorbehandlung des Alt- und Restholzes.
»Wir stehen hier vor einer ziemlichen Herausforderung, denn Holzabfälle aus Hausabbruch, Möbelbau und Baustoffproduktion, darunter Span- oder MDF-Platten, enthalten Klebstoffe wie Harze und Phenole oder auch Lacke. Diese chemischen Bestandteile müssen wir zunächst entfernen, damit die Bakterien und Mikroalgen, also die Akteure der biotechnologischen Wasserstoffproduktion, ihre Arbeit erledigen können«, erläutert Schließmann. Zudem muss das Holz noch in seine Bausteine zerlegt und die hierbei gewonnene Cellulose in einzelne Zuckermoleküle gespalten werden, welche den wasserstoffproduzierenden Mikroorganismen als Futter dienen.
Für die biotechnologische Umwandlung der Holzzucker werden am Fraunhofer IGB zwei Fermentationsverfahren etabliert und miteinander verknüpft. Das eine setzt auf wasserstoffproduzierende Bakterien, welche die Zuckerarten zu CO2, organischen Säuren und Ethanol verstoffwechseln. Die Stoffwechselprodukte der Bakterien stellen die Nahrung für die Mikroalgen dar. Diese synthetisieren daraus Carotinoide oder Proteine als Koppelprodukte und setzen dabei ebenfalls Wasserstoff frei.