Umso höher die Spannung, desto weiter reichen die Auswirkungen der Feldstärke, die von dieser Spannung aufgebaut wird. Ein Daumenwert besagt, dass ab etwa 450 V die Feldstärke ausreicht, um Überschläge in die Luft hinein zu erzeugen. Diese sind zwar noch keine Durchschläge durch die gesamte Isolationsstrecke hindurch, aber auch sogenannte Teilentladungen haben Auswirkungen auf ihre Umgebung.
In der Grundnorm IEC 60664 (Isolationskoordination) werden für unterschiedliche Spannungsniveaus sogenannte Luft- und Kriechstrecken definiert, die mindestens eingehalten werden müssen. Diese Strecken stellen die elektrische Gerätesicherheit her. Kriechstrecke beschreiben dabei den kürzesten Weg zwischen zwei Spannungspotentialen über die Oberfläche eines Isolators hinweg.
Warum ist der Kriechweg so wichtig?
Die Luft ist im Vergleich zu nahezu allen Polymeren Isolationswerkstoffen ein schlechter Isolator. Die Durchschlagspannung von z.B. Polyesterfolie ist um bis zu 1000x höher als von Luft. Doch auch die Oberflächen von Isolierwerkstoffen selbst sind gefährdet. Lagert sich Schmutz und Staub auf ihnen ab und kommt hohe Luftfeuchtigkeit hinzu, kann sich ein leitfähiger Belag ausbilden. Es beginnt ein Strom zu fließen, Elektrochemie und Teilentladungen beginnen ihr zerstörerisches Werk und bauen den Isolationswerkstoff langsam ab.
Ein Maß für die Neigung, diesem chemischen Abbau zu widerstehen, ist der CTI-Wert. Dieser messtechnisch ermittelte Wert gibt an, wie lange die Oberfläche eines Isolationsmaterial unter standardisierten Bedingungen einer Spannungsbelastung standhält. Dabei wird die Verschmutzung und Kondensation von Wasser auf der Oberfläche durch eine leitfähige Salzlösung simuliert.
Bildet sich ein Kriechweg aus, verkürzt sich dadurch auch die Isolationsstrecke durch die Luft. Grundsätzlich darf die aus der Norm IEC 60664 heraus berechnete Kriechstrecke nicht kürzer sein wie die ermittelte Luftstrecke.
Miniaturisierung und höhere Betriebsspannungen
Umso empfindlicher ein Material auf die Kriechwegbildung reagiert, desto größer sind die Mindeststrecken, die eingehalten werden müssen. Besonders Polymere mit einem hohen Kohlenstoffgehalt in ihrem Molekülgerüst sind potentiell gefährdet. Denn der Abbau des Isolationswerkstoffs unter Teilentladungsbelastungen und Kriechströmen endet beim reinen Kohlenstoff – und der ist elektrisch leitfähig.
Will man trotz gestiegener Betriebsspannungen kurze Luft- und Kriechstrecken erhalten, muss man Produkte einsetzen, die bei dem standardisierten CTI-Test gute Werte erzielen. Die Materialgruppe CMC 27xxx besteht aus Polypropylen und hat den bestmöglichen CTI-Wert (nach derzeitigem Stand der IEC 60112, Ermittlung der Prüfzahlen der Kriechwegbildung) von > 600 V. Das Material neigt also auch bei Spannungen über 600 V nicht oder nur wenig zur Ausbildung eines Kriechweges. Es sind damit die minimal möglichen Kriechstrecken aus Tabelle F.4 (Kriechstrecken zur Vermeidung des Versagens durch Kriechwegbildung) anwendbar.
Bei höheren Spannungen werden die Unterschiede zwischen dem geringst möglichen Abstand (Kriechweg) und dem vorgeschriebenen Abstand für andere Werkstoffe immer bedeutender. Zwischen Produkten aus der Produktreihe CMC 27xxx (z.B. die 127µm starke Isolationsfolie CMC 27805) und Kapton®-Folien verdoppelt sich die vorgeschriebene Weglänge – bei 800 V also von 4,0 mm auf 8,0 mm. Will man elektrische Geräte in dieser Spannungsklasse verkleinern, muss man also zu Werkstoffen greifen, die einen kurzen Kriechweg zulassen.
Der (fast) ideale Werkstoff Formex™ GK
Die Polypropylenfolie Formex bietet eine Eigenschaftskombination an, die besonders für Hochvoltanwendungen interessant ist:
- Flammhemmend nach UL 94 – V0
- CTI-Wert >600V (Materialklasse I, PLC 0)
- UL gelistet (E121855)
- RoHS und REACH konform
- Sehr gute HAI und HWI Werte
- Kann gut gestanzt und gefaltet werden
- Dauereinsatz bis 115°C
Der einzige limitierende Faktor kann die maximal zulässige Einsatztemperatur sein. Dieser Limitierung kann in vielen Fällen konstruktiv begegnet werden. Es existieren auch nur wenige Werkstoffe, die diesen Nachteil umgehen. Die meisten Hochleistungswerkstoffe wie PPPS, PEEK, PI oder PEI haben eine vergleichsweise schlechte Kennzahl der Kriechwegbildung. Sie erfordern daher nach IEC 69664 sehr lange Mindest-Kriechwege.
Kapton® FN, Silikonwerkstoffe und Fluorpolymere haben eine hohe Wärmebeständigkeit (meist 200°C oder mehr) und gleichzeitig eine gute Widerstandsfähigkeit gegen die Ausbildung von Kriechwegen. Das liegt u.a. daran, dass bei ihrem Abbau unter Teilentladungen kein Kohlenstoff freigesetzt wird, da in den Polymerketten der Kohlenstoff durch Fluor- oder Siliziumatome ersetzt ist. Bei Kapton® FN schützt eine außen aufgebrachte Fluorpolymerschicht, den inneren Kern aus Polyimid, einem hervorragenden Isolator.
Fazit
Das eine Material, das für alle Anforderungen in der Hochvolt-Technik geeignet ist, gibt es nicht. Denn vor allem bei der Serienproduktion kommt es zusätzlich noch auf einen weiteren Faktor an: dem Preis der Isolationsfolie!
Formex™ bietet ein ausgewogenes Verhältnis aus sehr vielen positiven Eigenschaften und einem serientauglichen Preis. Einzig Mylar®-Folien (Polyesterfolien) haben einen nur geringfügig schlechteren CTI-Wert bei sehr guten anderen Eigenschaften.
Wenn es um kompakte Bauweise von Hochvoltbatterien, Hochspannungs-Busbars und Gehäuseisolationen unter Einhaltung elektrotechnischer Normen geht, sind Formex™ CMC 27xxx und Mylar® CMC 29xxx die serientauglichsten Produkte aus dem Hause CMC Klebetechnik.