Seit 2006 beschreibt eine revidierte Version der IEC 60270 ein zerstörungsfreies Verfahren zur Beurteilung der Güte des Isoliersystems mittels Teilentladungs- (TE-) Messung (IEC 60885 für Stromkabel; IEEE 436; ANSI 436:1991 Richtlinie für die Durchführung von Teilentladungsmessungen an elektronischen Transformatoren, VDE 0434).
Teilentladungen, was ist das?
Teilentladungen sind lokale elektrische Entladungen, die an Inhomogenitäten, Verschmutzungen und Fehlstellen in der Isolation entstehen. Da die elektrische Entladung nicht die komplette Isolationsstrecke durchschlägt, redet man von einer Teilentladung.
Permanent entstehende Teilentladungen führen je nach örtlicher Gegebenheit innerhalb eines absehbaren Zeitraums zur Zerstörung der allermeisten polymeren Isoliermaterialien. Dabei wird das Isolationsmaterial durch die eingebrachte Energie (UV, Ionisation) zunehmen abgebaut. Es bildet sich - insbesondere bei Anwesenheit von Feuchtigkeit und Verschmutzung - ein leitfähiger Pfad. Zuletzt erfolgt ein voller Durchschlag durch die geschwächte Isolation hindurch, was üblicherweise zum Totalausfall führt.
TE- oder Teilentladungsfestigkeit beschreibt also prinzipiell die Beständigkeit des Isolationsstoffes gegenüber der Dauerstressbelastung durch hohe (Wechsel-) Spannungen.
Äußerer und Innere Teilentladung
Bekanntestes Beispiel für die Äußere Teilentladung ist das Knistern und ggf. die bläuliche Koronaentladung an Hochspannungsleitungen. Sie entsteht auch in Hochspannungsschalt-anlagen oder in Form von Gleitentladungen auf Hochspannungsgarnituren. Insbesondere scharfe Kanten oder Spitzen führen zu einer drastischen Erhöhung der Feldstärke und damit zur Überlastung der Isolation. Feldsteuernde Maßnahmen wie abgerundete Leitungsführung, feldsteuernde Ringe oder hochohmige Feldsteuerlacke und -Bänder können zur Homogeni-sierung des elektrischen Feldes eingesetzt werden.
Insbesondere Gleitentladungen auf Isolationsoberflächen längs des elektrischen Feldes füh-ren zur Kriechweg-Entstehungen mit anschließendem Volldurchschlag.
Innere Teilentladungen entstehen in Flüssigkeiten (Trafoöl), Festkörpern oder in Gasen meist an Übergängen von Isolierstoffen unterschiedlicher Dielektrizitätszahl auf. Dies können z.B. in Trafoöl eingelagerte Wasser- oder Gaströpfchen sein, die eine deutlich geringere Spannungsfestigkeit haben. Auch in z.B. vergossenen Transformatoren können an Luftein-schlüssen Teilentladungen entstehen. Eine sorgsame Vermeidung (Trocknung von Trafoöl, Gasabscheidung, Verguß unter Vakuum) von solchen Dielektrikum-Sprüngen erhöht die Bauteil-Lebensdauer erheblich.
TE in festen Isolatoren
Teilentladungen entstehen wie bereits beschrieben an Inhomogenitäten. Anders wie in Ga-sen und Isolierflüssigkeiten haben Feststoffisolationen nicht die Möglichkeit der Selbsthei-lung. Das heißt, die Schädigung durch die Coronaentladungen schreitet immer weiter voran (in gas- oder ölisolierten Systemen wird durch die TE das Isoliermittel ebenfalls langfristig abgebaut. Diese Abbauprodukte reduzieren die TE-Beständigkeit. Die TE-Messung ist daher in solchen Systemen eine gute Möglichkeit der Zustandsüberwachung des Isolationsmittels).
Inhomogenitäten sind neben feldkonzentrierenden Spitzen und Kanten auch sprunghafte Unterschiede in der relativen Dielektrizitätszahl des Isolators. Typisches Beispiel aus der Transformatoranwendung: Lackisolation auf Wickeldraht, Luft und Isolationsklebeband. Der Sprung in der Dielektrizitätskonstante führt zu einer Ladungsträgeranhäufung in der Luft und bei ausreichend hoher Spannung zu einem Teildurchschlag der Luftstrecke. Die entstehende UV-Strahlung zerstört dabei langfristig die Lackisolation genauso wie das Isolierklebeband. Eine Maßnahme ist die Vermeidung von Lufteinschlüssen (Vakuumtränkung). Eine weitere ist die Verwendung von Isoliermaterialen mit geringen ?r (keine sprunghafte Änderung; z.B. PTFE ?r=1,8...2,0; CTI=0).
Qualitätssicherung mittels TE-Messung
Ganz allgemein kann man sagen, dass das Maß an messbaren Entladungsvorgängen Aus-kunft über die Güte der Isolationsanordnung gibt. Mit der entsprechenden Erfahrung kann zudem abgeschätzt werden, wann ein Bauteil (durch zu starke Teilentladungen) ausfallen wird. Viele auf dem Markt erhältliche Messsysteme helfen bei der Interpretation der Messergebnisse durch entsprechende Filterung und Aufarbeitung des Signals.
Es gibt mehrere Meßmethoden zur Erfassung einer Teilentladungserscheinung. Häufig ein-gesetzt wird ein Messkreis, der aus eine Hochspannungstransformator, dem dazu parallel geschalteten Prüfling (Kapazität) und einer Stützkapazität besteht sowie dem Messgerät, das den Spannungsabfall misst.
Im Fall einer Teilentladung wird die Prüfkapazität (Prüfling) durch die Stützkapazität nachgeladen. Der dabei fließende Strom wird als Spannungsabfall gemessen. Die Maßeinheit für die Teilentladung ist Coloumb (C) und wird auch in As angegeben. Eine Faustregel besagt, dass Teilentladungen unter 10pC keine schädlichen Auswirkungen auf das Isolationsystem haben.
Anhand der Form, der Phasenlage und der Höhe bei der positiven oder negativen Halbwelle können Art der Teilentladung und z.B. bei Kabeln die Lage der Störung (Wanderwellen) fest-gestellt werden.
Im Fall von größeren Geräten und Komponenten misst man mit einem Weitbereichsempfänger (VHF, UHF) die durch die Teilentladung ausgesandte elektromagnetische Störstrahlung. Diese Meßmethode eignet sich vor allem für den mobilen Einsatz. Allerdings hat man mit wechselnden Rahmenbedingungen wie z.B. Rundfunksender oder industriellen Funkquellen zu tun, so dass die Interpretation der Messergebnisse sehr sorgfältig durchgeführt werden muß.
Alternativ ist auch eine akustische (Knistern) oder optische (UV-Strahlung) Messung stellenweise möglich.
Zuletzt sei noch die "Baker" Impuls-Methode erwähnt. Dabei wir in das zu prüfende Gerät ein energiereicher aber sehr kurzer Impuls eingespeist. Die Sprungantwort auf diesen Impuls gibt einem ebenfalls sehr viele Informationen über den Zustand des Isoliersystems innerhalb des Gerätes oder der Spule.
Allgemein muß man anmerken, dass TE-Messungen in komplexeren Systemen meist eine Aufsummierung mehrerer paralleler Teilentladungsphänomene ist. Und in manchen Aufbauten (Statorwicklung großer Hochspannungsmotoren) ist eine geringe Menge Teilentladung auch kaum zu vermeiden. Zudem werden Messungen durch die Rahmenbedingungen bei der Messung stark beeinflusst. So kann z.B. eine hohe Luftfeuchtigkeit bei der Messung von nicht getränkten Spulen zur scheinbaren Verschlechterung der Isolationsgüte führen.
Bei der Wechselspannungmessung erfolgt die Anregung der Teilentladungen bei dem 1,8fachen der Prüfspannung. Gemessen wird dann bei dem 1,3fachen der Prüfspannung. Die Zündung der TE erfolgt beim Spannungsanstieg und führt zum kurzfristigen Spannungseinbruch bei Zündung. Dieser Punkt wird als TE-Einsetzspannung bezeichnet.Sinkt die Spannung in Richtung Nulldurchgang, setzt irgendwann die Teilentladung durch Spannungsunterschreitung wieder aus. Diese als TE-Aussetzspannung bezeichnete Spannung muß immer über der maximalen Arbeitsspannung des Gerätes bzw. der Komponente liegen. Dadurch stellt man sicher, dass Teilentladungen, die durch eine vorübergehende Überspannung gezündet wurden, bei Betriebsspannung wieder sicher verlöschen.
Zuverlässigkeit durch zuverlässige Isolationsmaterialien von CMC
Aus Erfahrungen bei Kunden und Messreihen haben sich Fluor-Polymerfolien als besonders geeignet herausgestellt. Sie haben eine nur geringe Abhängigkeit des ?r von der Temperatur und eine sehr hohe chemische und elektrische Beständigkeit gegenüber Coronaentladungen. Auch haben sie ein gutes Verlustfaktorverhalten bei hohen Frequenzen, wie sie in Schaltnetzteilen vorkommen können.
Daneben gibt es im Lieferprogramm von CMC eine Variante der gut bekannten Kapton® HN Folie, die sich durch eine besonders gute Coronabeständigkeit (Glimmentladung, Teilentladung) auszeichnet: Kapton® CR. Dabei nutzt man den Umstand aus, dass anorganische Substanzen bei weitem nicht so anfällig auf Coronaentladungen reagieren wie Polymere uä. (typisches Beispiel: Die keramischen Ständerisolatoren an Hochspannungs-Leitungsmasten).
Der Polyimid-Matrix des Kapton® CR ist daher ein anorganischer Füllstoff beigemischt. Das Kaptonmaterial behält dabei weitgehend seine hervorragenden physikalischen und chemischen Werte, die Spannungsfestigkeit geht allerdings etwas zurück.
Für Anwendungen, bei denen es auf eine besonders hohe Zuverlässigkeit und Lebensdauer ankommt (zum Beispiel Frequenzumrichter in Windkraft- und Solaranlagen), kann es also sein, dass günstige Isolierstoffe wie Polyester oder PEN nicht ausreichend sind. Insbesondere bei der Anwesenheit von Feuchtigkeit und Wärme (z.B. in einem Schaltschrank/-kasten im Außenbereich) kann es zu zusätzlichen Abbauprozessen im Isolationsstoff kommen (Hydro-lyse). Schmutz, Betauung und aus fehlerhafter Montage stammende Verschmutzungen auf der Isolatoroberfläche verkürzen die Isolationsstrecke. Teilentladungen können so leichter entstehen und schneller zur Zerstörung des Isolators beitragen (Verkohlung, erhöhte Schmutzanfälligkeit durch raue Oberfläche).
Insgesamt erreichen Klebeband-Produkte wie CMC 75730 (FEP-Folie), CMC 75738 (PTFE-Folie) oder CMC 77700 (ETFE-Folie) hervorragende Lebensdauerbewertungen, da diese Art der Polymere von sich aus eine sehr große Alterungsbeständigkeit besitzen sowie eine gute TE-Leistung (hohe TE-Aussetzspannung) mitbringen. Alle Varianten sind leicht dehnfähig, so dass sie bei sorgfältiger Auslegung der Wicklungen und des Spulenkerns eine sichere Trennung von Primär- zu Sekundärwicklung ermöglichen (alternativ zum Fiedern von z.B. Polyes-terfolie).
Die Kapton® CR Folie von CMC wird seit langem im Hochspannungsmotoren- oder -generatorenbau eingesetzt. Ausgedehnte Versuche bei ABB und Siemens haben nachgewiesen, dass die Glimmentladungsbeständigkeit gegenüber "normalem" Kapton® HN oder Polyimid-Folie anderer Hersteller deutlich viel höher ist.
Kapton® Folie hat anders wie die Fluorpolymerfolie nicht die Neigung, unter Druck nachzugeben. Dafür ist die Folie aber auch steifer, was in den Randbereichen "Wicklung zu Spulenträger" zu Problemen führen kann (Umschlagen).
Wenn also mehrere Belastungsarten zusammen kommen - hohe Spannung und Umwelteinflüsse - sowie eine große Lebensdauer gefordert wird, kann der Einsatz dieser relativ teuren Isolierfolien Sinn machen. Insbesondere, wenn man auch bedenkt, dass Isolationsmaterialien bei steigender Taktfrequenz deutlich an Spannungsfestigkeit verlieren.
Bei anderen, günstigeren Isolationsmaterialien, die bereits seit vielen Jahren mit guten Erfahrungen eingesetzt werden, ist meist die Einsatzdauer des Gerätes, in denen der Transformator oder die Spule eingebaut wurde, geringer als die Lebensdauer der Isolation.
Bei heutigen Langzeitanforderungen (15-25 Jahre) kann es notwendig sein, seinen Isolationsaufbau kritisch auf seine Dauerhaftigkeit zu überprüfen - eine Möglichkeit ist die Teilentladungsmessung.