Die Region „Bayerisches Schwabenland“ gilt seit langer Zeit als Land der Tüftler und Erfinder. Viele der Ideen finden Eingang in die industrielle Praxis und werden in Produkte umgesetzt. Das hat sehr positive Folgen: Der „Chancenindex Bayern“, der von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft in Auftrag gegeben wird, zeigt auf, dass der Regierungsbezirk Schwaben, mit seiner Hauptstadt Augsburg, die größte Wirtschafts-Dynamik innerhalb Bayerns aufweist. Neben großen bekannten Firmen wie MAN oder Kuka sind es viele kleine und mittelständische Firmen, welche diese Dynamik erzeugen.
Eine davon ist die Gerus Apparatebau GmbH & Co. KG in Friedberg bei Augsburg, die 1970 von Dipl.-Ing. Rudolf Schroll gegründet wurde. Das Besondere dabei war, dass Schroll dies neben seiner Ingenieurstätigkeit bei einem großen Unternehmen vollzog: „Ich war ein junger Mann mit viel Tatkraft und wollte mehr als dort möglich war. Also habe ich ein eigenes Unternehmen sozusagen nebenbei gegründet“, wie er erzählt.
Schroll baute zunächst elektrische Krankenfahrzeuge für Patienten, die mit Standardfahrzeugen nicht zu recht kamen. Bald kamen die ersten Hochdruck-Hydraulikpumpen bis 1200 bar hinzu, heute können die Schwaben solche Pumpen bis 6000 bar bauen.
Daneben traten, als weitere Produktgruppe, Prüfstände für die Automobilindustrie und Honmaschinen für das Honen von Zylinderbuchsen bei Großmotoren. Um noch einen Punkt zu nennen, Gerus hat 18000 aktive Teile für den Einsatz an Großmotoren. Sie werden je nach Bedarf gefertigt. Auch Handwerkszeuge, wie Kolbenringzangen und ganze Werkzeugschränke sind im Angebot, um nur das Wichtigste zu nennen. „Zu unseren Kunden zählen Motorenhersteller, Unternehmen der Automobilindustrie und deren Anwender weltweit“, wie R. Schroll berichtet.
Meilensteine der Unternehmensentwicklung waren der immer weitere Ausbau. Was in einem Kellerraum begann, erweiterte sich in eine Doppelgarage, weiter über verschiedene, immer größere gemietete Räume, bis schließlich ein eigenes Firmengebäude 2008 in Friedberg bezogen wurde. In all dieser Zeit war Rudolf Schroll weiter angestellter Ingenieur bei seinem alten Unternehmen, dem er bis zu seinem 59sten Lebensjahr treu blieb. Erst dann stieg er dort aus und voll in sein eigenes Unternehmen ein.
Damit zusammen fielen dann auch der Neubau und ein weiterer Ausbau der Firma selbst. Heute nutzt Gerus eine Fläche von 2400 qm und hat 28 Mitarbeiter.
Qualität an vorderster Stelle
Die Philosophie von Rudolf Schroll ist so, dass er sagt: „Wir machen entweder etwas bestmöglich oder gar nicht.“ Qualität steht für ihn an vorderster Stelle und ist auch weiter das A + O. Dann erst kommen der Preis und andere Kriterien.
Um die Qualitäten weitestgehend selbst in der Hand zu haben, sind umfangreiche Fertigungskapazitäten und eine hohe Fertigungstiefe aufgebaut worden. Bearbeitungsarten sind Fräsen, Drehen, Bohren, Sägen, Schweißen, Strahlen, Montieren und natürlich sind auch entsprechende Messmöglichkeiten (eigener Messraum) installiert. Die CAD/CAM-Prozesskette umfasst Autocad Inventor als Konstruktionssystem, CAMWorks als NC-Programmiersystem, Postprozessoren für verschiedene Fräsmaschinen und letztlich die Fräsmaschinen bzw. Bearbeitungszentren selbst. Zwei davon sind 5 Achs-Zentren von Hermle und DMG.
Bezüglich CAM wird Gerus von der Geovision GmbH aus Wagenhofen betreut (siehe Kasten). Die Spezialisten dort liefern die Software, installieren sie, bilden die Anwender aus, bauen die nötigen Postprozessoren und betreuen die Anwender im laufenden Betrieb. Die Basis dafür bietet das CAM-System CAMWorks von Geometric.
Direkte und gradlinige Programmierung
CAMWorks ist ein integriertes modulares CAD/CAM-System. Durch die automatische Feature-Erkennung und die Anwendung einer Technologie-Datenbank kann die Programmierung sehr weit automatisiert werden. Trotzdem kann an jeder Stelle noch manuell eingegriffen und beliebige Änderungen vorgenommen werden.
CAMWorks war die erste komplett in Solidworks integrierte CAM-Software, kann aber auch mit anderen CAD-Systemen kombiniert werden, wie das Beispiel Gerus zeigt. Als Standardschnittstellen stehen u. a. STL, STEP, IGES, Parasolid, ACIS, VDA etc. zur Verfügung.
Die Technologiedatenbank ist die „Intelligenz“ hinter der automatisierten Bearbeitung von CAMWorks. Die Datenbank verknüpft Werkzeuge, Operationsstrategien und Bearbeitungsparameter mit den Features. Beim Generieren der Operationen verbindet CAMWorks diese Einstellungen automatisch. Die Operationsparameter können vor und nach der Erstellung des Werkzeugweges geändert werden. CAMWorks erlaubt eine geradlinige, sehr zielgerichtete Programmerstellung, die dem Anwender seine Arbeit erleichtert.
Selbstverständlich verfügt das CAM-System über ausgefeilte Simulationsmöglichkeiten, von der einfachen Werkzeugwegsimulation (Werkstück, Spannzeuge, Werkzeuge), bis hin zur kompletten digitalen Maschine (Darüber gleich mehr). Zunächst ein Blick auf die integrierte Software, Volumill, für das Schruppfräsen, die bei Gerus seit einiger Zeit eingesetzt wird.
Schnellere Bearbeitung - längere Standzeiten
Seit einiger Zeit ist die Hochleistungs-Schrupp-Software, Volumill von Celeritive Technologies, in CAMWorks integriert. Dabei wird ausschließlich im Gleichlauffräsen gearbeitet. Die Bearbeitung beginnt mit dem Eintauchen des Werkzeugs und dem spiralförmigen Abfahren von Werkzeugbewegungen, die sich am Ende immer mehr der Sollkontur annähern. Der Fräser arbeitet hierbei weitgehend mit der Mantelseite. Der innovative Algorithmus des Systems sorgt dafür, dass immer das gleiche Volumen pro Fräszahn abgetragen wird. Damit wird das Werkzeug optimal ausgelastet, aber nicht überlastet und es entsteht ein insgesamt großes Spanvolumen pro Zeiteinheit.
Voraussetzung für eine optimale Bearbeitung ist auch eine dynamische Anpassung des Vorschubs an die vorhandenen Schnittbedingungen. Der Anwender gibt also keine festen Werte für Drehzahl und Vorschub an, sondern Eckdaten, welche die jeweilige Werkzeugmaschine und das Werkzeug fahren können. Der Werkzeugweg wird dann unter Berücksichtigung des Spanvolumens und eines harmonischen Verlaufs berechnet. Die Schrupp-Strategie ist sowohl für weiche als auch für sehr harte Werkstoffe geeignet.
Die Praxistauglichkeit steht mittlerweile außer Frage, wie sich auch bei Gerus Apparatebau gezeigt hat. „Neben der höheren Materialabtragsleistung ist das Verfahren spindelschonend und sorgt für höhere Werkzeugstandzeiten“, wie Andreas Weishaupt, Zerspanungsmechaniker und CAM-Anwender bei Gerus, mittlerweile festgestellt hat.
Unter dem Strich bringt Volumill in dieser Anwendung eine durchschnittliche Zeiteinsparung von 30%! Gemeinsam mit den anderen Vorteilen, wie geringerer Werkzeugverschleiß, sorgte das für eine Amortisationszeit, die sich in Monaten bemessen hat, nicht in Jahren.
„Mittlerweile setze ich Volumill auch dann ein, wenn ich ‚normale‘ Schruppaufgaben zu bewältigen habe, eben weil es so schonend mit Maschinen und Werkzeugen umgeht“, so Weishaupt.
Genaue Simulation dank digitaler Maschine
Heute ist es möglich, aufgrund der CAD-Daten der Maschinenhersteller eine digitale (oder auch virtuelle) Maschine zu bauen. Mit Hilfe der Virtual Machine kann jedes beliebige NC-Programm simuliert werden.
Dabei wird der komplette Innenraum inklusive aller Besonderheiten dargestellt, sowie sämtliche kinematischen Abläufe exakt simuliert. Auch alle speziellen Maschinen- und Anwenderzyklen werden berücksichtigt. Somit garantiert die digitale Maschine eine maximale Sicherheit des NC-Programms.
Gerus hat eine digitale Maschine zunächst für ein 5 Achs-Zentrum von Hermle, C 42, angeschafft, erstellt vom CAM-Partner Gevision.
„Mir war es wichtig, dass die NC-Programme wirklich fertig und optimiert an die Maschine kommen und auch später, wenn ein gewisses Teil erneut gefräst werden muss, nicht mehr weiter angepasst werden müssen. Das spart uns im Endeffekt einfach Zeit und macht uns schneller“, betont Firmenchef Rudolf Schroll. Somit folgen auch die neuen Software-Bausteine seiner Arbeitsphilosophie: Bestmöglich oder gar nicht!