Seit neun Jahren treffen sich Führungskräfte aus den Top-Etagen der Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft zu den Petersberger Gesprächen, um aktuelle Themen in Wirtschaft und Gesellschaft zu diskutieren und sich durch den interdisziplinären Dialog für die tägliche Praxis als Entscheider inspirieren zu lassen. Gastgeber des eintägigen Symposiums ist Stephan Huthmacher, Gründer und Vorstandsvorsitzender des in Bonn ansässigen Software- und IT-Beratungshaus Comma Soft AG. Ins Leben rief er die Petersberger Gespräche im Jahr 2005 und etablierte sie in den folgenden Jahren als Forum für den interdisziplinären Austausch und Ort der Vertiefung sowohl aktueller als auch zukunftsweisender Themen rund um Innovation und Komplexität.
Chancen und Risiken des digitalen Wandels: Industrie 4.0, Internet-basierte Dienstleistungen, Daten(un)sicherheit und Korrosion der Privatsphäre
Stand im vergangenen Jahr auf dem Petersberg das Verhältnis von Mensch und Big Data im Vordergrund, so rückt in diesem Jahr der durch die nahtlose Vernetzung der physischen mit der digitalen Welt hervorgerufene digitale Wandel in den Fokus. Vor allem geht es um die Auswirkungen des sogenannten „Internets der Dinge“ („Internet of Things“) auf Wirtschaft, Gesellschaft und den Einzelnen.
Einerseits kommen auf dem eintägigen Symposium die mit dem digitalen Wandel einhergehenden Chancen zur Sprache. Auf der anderen Seite stehen auch Risiken und Herausforderungen auf dem Prüfstand, die mit dem meist disruptiven und alles durchdringenden Charakter der Digitalisierung verbunden sind. Wie es dem ganzheitlichen Ansatz der Petersberger Gespräche entspricht, kommen beide Perspektiven gleichermaßen zur ihrem Recht.
So werden die Chancen und Wettbewerbsvorteile durch die digitale Transformation und die Herausforderungen für die Praxis der Unternehmensführung unter anderem durch zwei aktuelle, von der Bundesregierung ins Leben gerufene Hightech Strategie-Initiativen repräsentiert. Dabei handelt es sich um die Initiative „Industrie 4.0“ bzw. vollvernetzte Fabrik sowie um die topaktuelle Initiative „Smart Service Welt“ und damit um den Einfluss von intelligenten plattformbasierten Dienstleistungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.
Ergänzt wird diese Sichtweise um Fragen und Betrachtungen rund um die Technologiefolgenabschätzung. Mal skeptisch, mal mahnend, werden dabei grundsätzliche und auch bedenkliche Veränderungen skizziert, die auf Wirtschaft, Gesellschaft und jeden einzelnen Nutzer durch die exponentielle Entwicklung in Sachen Vernetzung und Digitalisierung zukommen werden.
Stimmen von Machern und Mahnern: Das breite Spektrum der Vorträge
Diese programmatische Ausgewogenheit und Ganzheitlichkeit der Petersberger Gespräche spiegelt sich in der Wahl der Keynote-Sprecher und Vortragenden wider.
Der Wirtschaftsinformatiker Prof. Helmut Krcmar von der TU München und Volker Bibelhausen, Vertriebsleiter des Automationsbereichs der Bosch Rexroth AG, repräsentieren dabei die Perspektive der Praxis bzw. der anwendungsorientierten Forschung. Ob als Wissenschaftler oder Pragmatiker wissen sie aus erster Hand, welche Chancen und Herausforderungen für Projektdurchführung, Unternehmensführung und Wettbewerb in Innovationskonzepten wie z.B. Industrie 4.0, der Smart Service Welt und des Internets der Dinge liegen. Zum anderen können sie auch einschätzen, wo Bedenken beim überstürzten Aktionismus angebracht sind. Der Journalist, Buchautor und Physiker Ranga Yogeshwar sowie der Buchautor und Mitbegründer von WikiLeaks Daniel Domscheit-Berg nehmen demgegenüber hauptsächlich die Positionen ein, die sich mit der Technologiefolgenabschätzung von Digitalisierung, des ubiquitären Internets, der damit gegebenen (gewollten oder ungewollten) Transparenz und fortschreitenden Erosion der Privatsphäre auseinandersetzen.
So setzt Helmut Krcmars Vortrag „Führung für die digitale Transformation“ an der Frage an, wie man sich als Führungskraft verhält, „wenn ‚Industrie 4.0‘ auf die Welt der ‚Internet-basierten Dienstleistungen’ trifft?“ Wie kann man richtig entscheiden, wenn die Komplexität des ausgesprochen technologielastigen Themas überhandnimmt und die Abwägung von Chancen und Risiken durch keine Erfahrungswerte abgesichert ist? Wie lässt sich die Technik- und Dienstleistungskompetenz definieren – die eigene als Entscheider und die der Mitarbeiter?
Volker Bibelhausen referiert in seinem Vortrag „Anwenderberichte aus der Zukunft“ darüber, „wie aus einem Überangebot an Ideen doch noch brauchbare Geschäftsmodelle entstehen können“ und wie wichtig angesichts der vielen Anwendungsmöglichkeiten und des Technologiesprungs eine Abwägung des Machbaren und vor allem Sinnvollen sei. Anhand von drei Anwenderberichten und Szenarien aus dem Bereich Industrie 4.0 will der Automatisierungsexperte aufzeigen, auf welche Geschäftsmodelle sich Anwender, Unternehmen und die Industriegesellschaft wahrscheinlich schon in nächster Zukunft einstellen können.
Daniel Domscheit-Berg geht in seinem Vortrag „Denn sie wissen nicht was sie tun - vom Eintritt in das digitale Zeitalter“ sowohl auf Potentiale und Chancen als auch auf Risiken und Missbrauchsszenarien von Big Data, der mit ihr gegebenen Transparenz und der „digitalen Revolution“ bzw. „Transformation“ ein. Er sieht im Anschluss möglichst vieler Menschen an das Internet durchaus Potential für globalen Wohlstand und Entwicklung – vorausgesetzt, diese Möglichkeiten würden nicht durch Staaten und Wirtschaftsmächte missbraucht und kämen stattdessen allen zu Gute.
Ranga Yogeshwar stellt in seinem abschließenden Vortrag „Ein gefährlicher Pakt? – Die selbstgewählte digitale Unmündigkeit im Kontext von Digitalisierung und Ökonomie“ Fragen nach den Folgen, die die Digitalisierung in Ökonomie und Gesellschaft sowohl für den Einzelnen als auch für die Wirtschaft und Gesellschaft haben wird. Wie verändert sie uns, unsere Werte und unser Denken? Wie ist die Shareconomy zu bewerten, die oft als Aushängeschild für den Mentalitätswandel unter den „Digital Natives“ herhalten muss? Wie ist die Rolle des Staates und der Bildungseinrichtungen zu definieren, damit aus den Konsumenten und passiven Datenlieferanten mündige und aktive Gestalter der digitalen Welt werden?
Ganzheitliche Sichtweise, Impulse für die Praxis
Ziel der Petersberger Gespräche sind Inspiration, der Blick über den Tellerrand und die Konfrontation mit neuen Sichtweisen.
Wie bereits in den Jahren zuvor werden Eröffnungsansprache, die Keynote sowie die weiteren Vorträge ab 9.15 Uhr per Livestream übertragen. Unter dem Link Petersberger Gespräche – Livestream ist jeder Interessierte eingeladen, am Livestream teilzunehmen.