Doch es scheint, als führe vor allem der Klimawandel und das wachsende Problem der Versorgung mit bezahlbaren Rohstoffen nun zu einem Umdenken in der Wirtschaft. Deutschland und die Europäische Union nehmen eine weltweite Vorreiterrolle ein. Das Ziel: die vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft unseres Kontinents. Die EU soll bis 2050 klimaneutral werden. Das neue EU-Klimagesetz verwandelt dieses politische Versprechen in eine Verpflichtung. Es gibt den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen Rechtssicherheit und Planbarkeit auf dem Weg in eine ressourcenschonende und klimaneutrale Wirtschaft. Nach 2050 strebt die EU sogar negative Emissionen an.
Doch was bedeutet das für das reale Wirtschaftsgeschehen in einem Land wie Deutschland, das sich über Jahrzehnte selbstbewusst als Exportweltmeister behauptet hat? Es bedarf zum einen enormer Investitionen in Forschung und Entwicklung neuer Produktionstechniken, Digitalisierung und Versorgung mit regenerativer Energie. Zum anderen müssen wir einen Großteil der von uns genutzten Produkte neu erfinden, um sie nachhaltig kreislauffähig zu machen. Vereinfacht gesagt: Recycling kann immer nur so gut sein, wie die Produkte und Verpackungen, die recycelt werden, es zulassen. Ein Auto oder ein Mobiltelefon oder eine Lebensmittelverpackung sollte in Zukunft nach strikten Ökodesignkriterien gestaltet werden, um eine möglichst hohe Rohstoffausbeute bei gleichzeitig maximaler CO2-Reduktion zu gewährleisten. Darüber hinaus bedarf es neuer Technologien für die CO2-Reduktion in der Produktion. Stand heute reicht die in Deutschland produzierte regenerative Energie bei einem Anteil von 48,3 Prozent im Jahr 2022 noch nicht aus, um alle industriellen Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten. Es bedarf zusätzlicher Technologien, um die Klimabilanz zu verbessern.
Hierbei steht vor allem die Stahlindustrie vor enormen Herausforderungen. Sie ist die Branche mit dem größten Anteil an Treibhausgasemissionen in der Industrie mit rund 30 % der industriellen Emissionen und rund 6 % der Gesamtemissionen in Deutschland. Grüner Wasserstoff soll es richten. Das Problem: Allein das Stahlwerk von thyssenkrupp Steel in Duisburg wird laut eigenen Angaben rund 720.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr benötigen. Das entspricht 247 Millionen mit Wasserstoff gefüllten Lkw im Jahr. Bis es so weit ist, hilft die Kreislaufwirtschaft mit optimierten Recyclingrohstoffen weiter. So eröffnet die REMONDIS-Tochter TSR am 27. April offiziell eine neue Feinsortieranlage für Altmetalle. Mit dem Ziel, die Recyclingkreisläufe von Eisen und Stahl zu stärken und gleichzeitig den CO2-Ausstoß bei der Stahlproduktion signifikant zu senken, wurde im Rahmen des Forschungsprojektes REDERS (Reduzierte CO2-Emissionen durch Erhöhung der Recyclingquote bei der Stahlherstellung) die innovative Technologie für den Neubau entwickelt, die einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur klimaneutralen Stahlproduktion leistet.
Das in Kooperation mit den Projektpartnern thyssenkrupp Steel und den Hüttenwerken Krupp Mannesmann entwickelte Recyclingprodukt TSR40 wird dann im industriellen Maßstab produziert. Dank modernster Zerkleinerungs-, Entstaubungs- und Separationstechnik wird aus üblichen Vormaterialien – wie etwa Altfahrzeugen – das neuartige und zertifizierte TSR40 hergestellt, das einen Einsatz im Hochofen sowie eine Steigerung des Recyclinganteils im Konverterprozess ermöglicht und den CO2-Ausstoß in der Stahlproduktion erheblich reduziert.
Auch in anderen Bereichen leistet die Kreislaufwirtschaft einen signifikanten Beitrag zur klimaneutralen Energieversorgung und Ressourcenschonung, oft sogar in ein und demselben Recyclingprozess. So wird mittels Co-Vergärung aus heimischer Biomasse nicht nur CO2-neutrales Biomethan gewonnen, mit dem importunabhängig Strom und Wärme produziert wird. Gleichzeitig entsteht in der kombinierten Kompostierung ein wertvoller Qualitätskompost, mit dem nicht nur der Ertrag von landwirtschaftlichen Böden verbessert werden kann, sondern auch deren Resilienz gegen lange Trockenperioden sowie die CO2-Speicherfähigkeit. Umso tragischer ist der Verlust von bis zu 6 Millionen Tonnen biogener Abfälle in Deutschland, die wegen fehlender Sammelsysteme oder Fehlwürfen in den Verbrennungsanlagen landen. Einmal verbrannt, sind die darin enthaltenen Wertstoffe für immer verloren. Ziel muss es deshalb sein, biogene Abfälle deutschlandweit – im Idealfall europaweit – konsequent getrennt zu erfassen und der Biogasherstellung und Kompostierung zuzuführen.
Dies sind nur zwei Beispiele, wie die Kreislaufwirtschaft Ressourcenschonung und Klimaschutz effektiv verbindet und einen Beitrag dazu leistet, das große Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft zu erreichen. Ein Gegenargument war bisher oft, dass dieser gigantische Transformationsprozess zu teuer sei und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Produkte auf dem Weltmarkt verschlechtert. Angesichts der unverändert wachsenden Probleme, die der Club of Rome schon 1972 erkannt hat, ist die Situation jedoch genau andersherum zu werten. Wer morgen noch klimaschädlich und ressourcenzerstörend produziert, produziert spätestens übermorgen gar nicht mehr. Die Verbrauchenden der Zukunft werden nur noch klimaneutrale und umweltschonende Produkte und Dienstleistungen akzeptieren.